Erfrischend anders
Hyundai ist mittlerweile der viertgrösste Autobauer weltweit geworden. Das Image vom Billigkoreaner hat Hyundai hinter sich gelassen. Neben topseriösen Autos (i40, i30) für z.B. Flotten, werden im deutschen Rüsselsheim, wo sich die Hyundai-Entwicklungszentrale befindet, auch erfrischend andere Autos erfunden, zum Beispiel der Veloster.
«New Thinking, New Possibilities» heisst der Slogan von Hyundai. Und von diesem Motto beeinflusst entstand wohl auch die Idee, das aussergewöhnliche Coupé Veloster zu bauen.
Wer schon einmal auf den Rücksitzen eines Zweitürers eingesperrt und nicht ganz überzeugt war von den Fahrkünsten des Fahrers, oder sich geärgert hat, wie mühevoll es immer ist, jemanden schnell ein- oder aussteigen zu lassen, hat mindestens eine Türe hinten vermisst. Und genau das liefert der Veloster, eine zweite Seitentüre auf der rechten Seite, sodass auf der ungefährlichen Trottoirseite ein- und ausgestiegen werden muss/kann. Ist das mehr als ein Gag? Wir werden es testen.
Beim Veloster sind nicht nur der Name und das Dreitürenkonzept ungewöhnlich, er fällt auch vom Design her auf. Den meisten gefällt’s, mindestens lässt es niemanden unberührt. 4.22m misst der Veloster in der Länge, 1.79m in der Breite und 1.40m in der Höhe. Der Türgriff für die hintere Türe rechts ist im Fensterende versteckt, sodass die Türe überhaupt nicht auffällt.
Rundungen, Kanten, Einbuchtungen, finden sich teilweise an ungewohnten Stellen, machen das Auto unvergleichlich, wirken aber auch dynamisch, jung, frech, genau wie die zwei mittigen Auspuffrohre und der angedeutete Diffusor. Elegant wirken die farblich mit der Fahrzeuglackierung übereinstimmenden Einlagen in den Leichtmetallfelgen.
Trotz der geringen Masse erstaunt das Platzangebot. So haben vorne auch grosse Leute genügend Platz in der Länge wie in der Breite. Hinten, naja, bis ca. 1.75m grosse Personen sitzen gut. Das riesige Panoramadach, das auch geöffnet werden kann, bringt zusätzliches Raumgefühl in das kleine Hyundai-Coupé. Man sitzt recht gut auf den Sitzen, die genügend Seitenhalt geben. Die Rücksitze sind getrennt abklappbar (60/40), der Kofferraum des Vierplätzers misst 320 Liter und lässt sich bis auf 1‘015 Liter erweitern. Das Ladegut muss allerdings über eine hohe Kante gehievt und dann im Kofferraum unten versenkt werden. 346 Kg beträgt die Zuladung, genügend für ein so kleines Auto. Junge Leute, die ihr Fahrzeug nicht beruflich einsetzen, achten auf solche für Flottenbesitzer zentrale Fragen aber viel weniger.
Rechts unten sichtbar der grosse in der Mitte angebrachte Startknopf
Für 27‘990 Franken erhält man den Veloster mit der einzigen lieferbaren Motorisierung, einem 1‘591 ccm grossen direkt eingespritzten Benziner, der 103 kW (140 PS) leistet bei 6‘300 Touren. Sein bestes Drehmoment von gerade mal 167 Nm erreicht der 1600er bei hohen 4‘850 Umdrehungen.
Die serienmässige Ausrüstung kann sich sehen lassen. Jede Menge Airbags sind dabei, Bremskraftverteilung und -assistent, ESP, Berganfahrhilfe, ein Vehicle Stability Management mit Lenkunterstützung, aktive Kopfstützen, Licht mit Escort- und Welcome-Funktionen, sogar an Isofix-Kindesitzverankerung hinten hat man gedacht.
Stopp/Start-Automatik ist serienmässig, wie auch eine manuelle Klimaanlage, elektrische Fensterheber, elektrisch einklappbare Aussenspiegel, Mittelarmlehne, Radio/CD, MP3, AUX- und USB-Anschlüsse, Bluetooth-Freisprecheinrichtung mit Spracherkennung und vieles mehr.
Der Kofferraum ist vernünftig gross, aber nicht einfach zu beladen.
Die Aufpreisliste ist relativ kurz, denn man hat die Optionen in drei Packs zusammengefasst, die man aber tw. nur kaufen kann, wenn man ein anderes auch dazu kauft …
LED-Tagfahrlicht, Sitzheizung (schnell und wirkungsvoll), Tempomat und Gepäcknetz sind im Luxuspaket für 1‘550 Franken zusammengefasst.
Das Technopack für 2‘950 Franken kann man nur kaufen, wenn man auch das Luxurypack kauft. Es enthält z.B. schlüsselloses Zugangssystem, 7“-Navi und Rückfahrkamera, spezielles Soundsystem, Lichtautomatik und Parksensor hinten.
Und das Premiumpack (1‘550 Franken), das man aber nur kaufen kann, wenn man auch die andern beiden Packs nimmt, enthält dann noch die 18“-LM-Felgen, die Klimaautomatik, Leder-Interieur und elektrisch verstellbaren Fahrersitz.
Damit, plus Metallicfarbe (690) und Panoramadach (1‘500) kostet der Veloster dann 35‘530 Franken. Nicht billig, wie es der Ruf von Hyundai früher mal versprach, aber angesichts der mitgelieferten Ausrüstung und verglichen mit den Mitbewerbern (fast) ein Schnäppchen.
Jetzt kommt noch das Tüpfelchen aufs i, nämlich ein Doppelkupplungsschaltgetriebe DCT mit 6 Stufen und mit Schaltwippen am Lenkrad. Kostenpunkt Fr. 1‘600. Macht total und voll ausgerüstet mit allem, was es gibt: 37‘130 Franken.
Dass da hinten rechts eine Türe ist, ist kaum zu sehen, wenn man's nicht weiss.
Natürlich soll der Veloster auffallen und darum gibt es ihn neben obligatem Silber und schwarz auch in z.B. Weiss, Sunflower (gelb), Vitamin C (orange), Green Apple, Veloster Red oder Blue Ocean. Wer dieses Auto in Schwarz oder Silber kauft, macht einen Fehler!
Fahren!
Ja und jetzt! Fährt das Ding auch?
Die Türe öffnet man schlüssellos, nimmt Platz auf dem komfortablen Gestühl, schliesst die Türe durch Zug am praktischen und sehr grossen Aluminiumgriff, bremst und drückt auf den grossen, mittig angebrachten, Motorstartknopf. Das macht immerhin den Eindruck, in einem viel teureren und potenteren Sportwagen zu sitzen. Der 1600er erwacht sofort. Die zum Parkieren eingezogenen Spiegel ausfahren, Rückwärtsgang einlegen und die Rückfahrkamera zeigt 7“ gross und in Farbe klar und deutlich, wieviel Platz bleibt zum Rangieren. Und wie mit einem „richtigen“ Automatikgetriebe fährt man dann im D(rive) vorwärts weg. Ein Kavaliersstart ist nicht möglich. Obwohl die 140 PS eigentlich nach viel (oder wenigstens nach genug) tönen für ein 1‘354 kg leichtes Auto, hat man das Gefühl, mit angezogener Handbremse loszufahren. Irgendwie kann der kleine Motor nicht richtig atmen. 167 Nm sind halt schon nicht viel, vor allem, wenn sie erst bei 4‘850 Touren zur Verfügung stehen. Die 10,3 Sekunden von 0 auf 100 haben wir nicht nachgemessen.
Wenn man sich aber mal daran gewöhnt hat, dass sich der kleine Motor mächtig anstrengen muss (und dann auch so tönt) und auch die manuelle Schaltung per Schaltpaddel am Lenkrad das Vergnügen nicht wesentlich steigern kann, dann kann man doch viel Spass haben am handlichen Veloster.
Die Sicht nach aussen ist gut, von oben erhellt das Panoramadach das sauber ge- und verarbeitete Interieur, nach hinten sorgt die weit ins Dach reichende zweite Heckscheibe, die übrigens auch geheizt werden kann, für gute Rücksicht. Das Navi funktioniert per Touchscreen. Will man nun eine dritte und vierte Person mitnehmen, muss die Beifahrerin vorne nicht aussteigen. Von der Trottoirseite her steigen die hinteren Passagiere ganz einfach durch die hintere Seitentüre ein, wie man es sich von Viertürern her gewohnt ist. Ausser Stabilität gibt die links fehlende Türe Sicherheit, indem – ausser dem Fahrer, der aber über einen Rückspiegel verfügt – eben niemand auf die Strassenseite hin aussteigen kann. Dafür gibt’s einen grossen Pluspunkt.
Fährt man allein, legt man Mantel, Schirm oder Mappe auf den hinteren Sitz, wobei eine hintere Seitentür praktisch ist, die aber beim Veloster fehlt. Benutzt man den Veloster zum Einkaufen und will die Einkaufstasche auf dem Hintersitz mitführen, fehlt einem die linke Seitentür ebenfalls und man fragt sich dann nach dem Sinn der Türe hinten rechts.
Der Veloster verbindet also das Praktische des Viertürers mit dem Unpraktischen des Zweitürers. Unter dem Strich ist die dritte Türe wohl praktischer als wenn sie fehlte und der Veloster kann doch noch als – eigentlich zweitüriges – Coupé gelten. Einfach mit mehr Praktikabilität.
Ein Coupé müsste allerdings nicht derart hart gefedert sein wie der Veloster. Eine dadurch bessere Strassenhaltung haben wir nicht feststellen können. Die Härte kommt möglicherweise von den grossen 215/40-18 – Schlappen. Positiv aufgefallen ist hingegen die Laufruhe des 1600er Motors im Stillstand/Leerlauf. Mit dem DCT-Getriebe fehlt ja leider das Stopp/Start-System, aber auch wenn er läuft, ist er kaum zu hören und läuft völlig vibrationsfrei. Kompliment. Dann haben wir ein praktisches Detail entdeckt: In Parkhäusern zieht man ein Ticket und klemmt es dann zwischen die Lippen bis zur Parklücke, weil man nicht weiss wohin damit. Der Veloster hat in der Sonnenblende extra einen Schlitz in Parkticketbreite, wo man dieses Zettelchen hygienisch und praktisch zwischenlagern kann. Kompliment.
Nur teilweise sparsam
Für den manuell geschalteten 1600er nennt Hyundai einen Gesamtverbrauch von 5.9 Liter, mit DCT ist es ein halber Liter mehr (6.4 lt.). Trotz vielen Kurzstrecken, Winterreifen und vielen Kaltstarts nannte der Bordcomputer ansprechende 7,1 Liter. Effektiv genehmigte sich der Test-Veloster aber 8,5 Liter. Das ist dann doch etwas viel, vor allem auch gegenüber der Computeranzeige. Angesichts der Wetter-, Reifen- und Einsatzumstände hätten wir einen Liter weniger (also 7,5 Liter) als gut bezeichnet.
Erfrischend anders ist er, der Veloster.
Zusammenfassung
Auch wenn die Motorleistung eine Enttäuschung ist und der Verbrauch dadurch steigt, bleibt unter dem Strich wesentlich mehr Positives. Die erfrischend andere Optik, das Dreitürenkonzept, das zwar haarscharf am Gag vorbei schrammt, aber eben doch praktischer ist als ein Zweitürer, die gute Ausrüstung, die komfortabel schaltende DCT und nicht zuletzt auch der Preis, sprechen für den Veloster. Dass Hyundai es sich leisten kann, 5 Jahre Garantie ohne Km-Begrenzung zu gewähren, worin auch 5 Jahre Pannendienst und 5 Gratis-Frühlingschecks inbegriffen sind, spricht ebenfalls für den Veloster, umsomehr, als alles am Veloster einen qualitativ hochstehenden Eindruck macht, eine Eigenschaft, für die Hyundai mittlerweile bekannt ist und darum auch der viertgrösste Autobauer der Welt geworden ist.
Text und Fotos Heiny Volkart, VOLKARTpress
9‘801 Z