Wann kann man schon einen Polestar 1 fahren? Die Antwort für die allermeisten Menschen dürfte klar sein: Nie. Warum? Dieses Auto gibt es total genau 1500 Mal. In der Schweiz sind aktuell gerade einmal 8 Stück zugelassen, einige sollen noch in Garagen schlummern. Sammlerwert und so. Exklusivität, wie man sie von Bentley, Rolls Royce, Ferrari, Lamborghini oder sogar Bugatti nicht mehr kennt.
Auf den ersten Blick mag der 1 wie ein etwas spezielleres Volvo-Coupé ausschauen, insbesondere auf Bildern. Doch wer vor dem Zweitürer steht, kann sich seinen Formen kaum entziehen. Diese Eleganz, diese Proportionen, diese Schlichtheit, diese Einzigartigkeit haut einen um. Auf eine schwedisch zurückhaltende Art, versteht sich. Wobei, Schweden… das Auto wurde in Chengdu in China gebaut.
Aber weil das Design im Prinzip auf einer Volvo-Studie aufbaut, die eine Brücke zum historischen P1800 schlagen sollte, liegt man mit Schweden so falsch dann doch nicht. Klingt irgendwie auch sexier. Wenn man den Startknopf drückt, klingt es so, wie es 2024 eben klingt und vielleicht auch klingen soll. Gar nicht. Der Polestar 1 ist ein PlugIn-Hybrid. Während die Vorderachse von einem Vierzylinder aus dem ehemaligen Volvo XC90 angetrieben wird, sorgen hinten zwei Elektromotoren für standesgemässen Vortrieb. Dazu hilft ein Startergenerator zusätzlich mit. Zusammen addieren sich die Aggregate zu einer Systemleistung von knapp über 600 PS.
Also geht’s ab auf die Landstrasse, wo das Coupé zeigen soll, aus welchem Holz es geschnitzt ist. Ich wechsle via Drive-Mode-Taste von Comfort auf Sport und freue mich auf massig Temperament. An der Ampel dann der Test aufs Exempel, Pedal to the Metal und ab. Tatsächlich beschleunigt der Wagen zackig, aber nicht brutal, wie man es von Elektroautos oder Supersportwagen kennt. Dazu passt, dass die Lenkung zwar präzise reagiert, die nötigen Kräfte aber sehr überschaubar bleiben. Meine Enttäuschung weicht sofort neuerlicher Begeisterung: Genau so muss ein GT fahren. Der Hybridantrieb wechselt unauffällig von reinem Elektro- in den Mischbetrieb und zurück. Der Benzinmotor drängt sich akustisch nie in den Vordergrund, klingt eher nach Linienschiff denn Rennboot.
Natürlich wiegen die Batterien schwer. Das Leergewicht liegt bei 2,35 Tonnen, dies übrigens trotz intensiver Anwendung von Carbon bei diversen Karosserieteilen. Doch agil genug bleibt der Polestar 1, lässt sich souverän über eine kleine Bergstrasse dirigieren. Dank des lichtdurchfluteten Interieurs und grossen Fensterflächen fühlt man sich sehr wohl, die Übersicht ist gut. Hier, wo die Strassenqualität etwas schlechter ist, blinkt die ESP-Leuchte bei Vollgas. Am Steuer fühlt man dabei wenig bis nichts. Alles unter Kontrolle.
Wer auch den Gasfuss etwas im Griff hat, soll übrigens fast 150 Kilometer weit rein elektrisch fahren können. Glaubhaft, denn das Akkupaket fasst 34 kWh. Und so wie sich der Polestar 1 anfühlt, muss man ihn nicht zwingend zu Beschleunigungsorgien nötigen, um Spass mit ihm zu haben. Es sind eher die langen Autobahnetappen, die zu ihm passen. Ein klassischer Gran Turismo eben.
Auch das schön gemachte Interieur passt dazu bestens. Bequeme Sitze, hübsche und wertige Materialien sowie eine Audioanlage von B&W verwöhnen alle Sinne. Der Wählhebel aus Glas kommt tatsächlich aus Schweden, die Sitzbezüge aus Nappaleder sind handgenäht. Das samtige Fahrwerk fügt sich bestens in diese Landschaft zurückhaltenden Luxus’ ein. Bleibt zu hoffen, dass die Kundschaft auch das Gepäck entsprechend abstimmt. Denn der Kofferraum verfügt über ein Volumen von gerade einmal 145 Liter. Damit dürfte die grösste Schwachstelle erkannt sein. Wobei die Rücksitze in der Praxis sicher gerne als Gepäckablage fungieren dürften, womit dem ausgedehnten Weekendtrip dann auch nichts mehr im Wege steht.
Und wenn man dann ankommt und diese Skulptur auf Rädern im Licht der untergehenden Sonne betrachtet, dann hat man alles richtig gemacht. Das abfallende Heck, das Dach aus Glas, der reduzierte Grill und natürlich das schlichte Polestar-Logo am Heck sind dezente Blickfänge. Auch da können Bentley und Co. nicht mithalten. Die Occasionspreise bewegen sich übrigens recht nahe am ursprünglich aufgerufenen Neupreis von 150’000 Franken.