Auffallen im Strassenverkehr ist schwer geworden. Mattlackierungen, Chromräder, Tattoos und dicke Auspuffrohre gibt’s en Masse. Die Handys der Spotter bleiben in der Tasche. Der allergrösste Teil der Automobilisten möchte gar nicht erst auffallen, ist deswegen in einem graustufenlackierten Fahrzeug unterwegs. Falls jemand nun aber doch aus der Masse herausstechen möchte und das Geld für einen knallgrünen Lamborghini Huracan Performante noch nicht ganz reicht, hätte ich da eine gute Alternative: Den Kia Proceed GT.
Der Apostroph ist weg, dafür kamen zwei Türen hinzu. Anstatt eines kompakten Dreitürers ist der Proceed nun ein „Shooting Brake“ geworden. Historisch sind das zwar eher Zweitürer mit Heckklappe, aber wir wollen mal nicht so sein. Schliesslich nennt Mercedes CLS und CLA in der Kombiversion ebenfalls so. Da hätten wir auch schon den einzigen echten Mitbewerber, wobei bei Mercedes das Leistungsspektrum noch viel weiter reicht.
Den Proceed gibt es als GT mit dem 204 PS starken 1,6-Liter Turbomotor. In Kombination mit dem Doppelkupplungsgetriebe ein überaus attraktives Angebot, zumal Kia-typisch eine sehr umfangreiche Serienausstattung an Bord ist.
Doch zuerst doch noch ein paar Worte zur Optik. Natürlich war das entsprechende Concept Car noch spektakulärer, aber was Kia in die echte Welt hinübergerettet hat, lässt sich wirklich sehen. Insbesondere von der Seite und von schräg hinten überzeugt die Form. Das tiefe Dach und die geneigte Heckpartie verleihen dem Proceed jene Dynamik, die ihn aus der Masse herausstechen lassen. Der GT markiert seinen Anspruch zudem mit roten Akzenten, die gerade im Zusammenspiel mit der schwarzen Lackierung ein stimmiges Bild abgeben. Auffälligstes Designdetail ist die kleine Chromflosse an der C-Säule.
Beim Fahren dann doch eine leise Enttäuschung: Der Proceed GT ist kein Sportwagen. Er scharrt mit den Vorderhufen, untersteuert bei Übermut und rollt in Kurven zu sehr, um sich diese Bezeichung zu verdienen. Doch interpretiert man das Kürzel GT buchstabengetreut, so passt die hier abgelieferte Leistung durchaus. Man sitzt komfortabel ohne eingespannt zu sein, man sprintet locker mit stark motorisierten Verkehrsteilnehmern mit ohne Rennsportambitionen zu hegen. Und zuhinderst passt noch Gepäck für vier in den durchaus geräumigen Kofferraum.
So gesehen übertreibt der optische Auftritt ein wenig. Manch einer mag analog zum i30 N von Konzernbruder Hyundai ein Sportfeuerwerk erwarten. Das gibt es hier nicht zu spüren, allenfalls zu hören, Klappenauspuff sei dank. Der Proceed bleibt aber ein überaus fähiger Kompakter, der die typische unauffälligen Kia-Eigenschaften in eine auffällige Hülle verpackt. Ich kurve gerne mit ihm herum, fühle mich aber nicht motiviert, die Hausstrecke in allzu engagierter Weise anzugehen. Lieber geniesse ich Anehmlichkeiten wie den Abstandstempomaten im Feierabendverkehr, gute Musik aus dem intuitv zu bedienenden Infotainment und Platz für vier normal gewachsene Personen. Hinten ist der Einstieg für Grosse nicht sonderlich bequem, was der dynamischen Dachform geschuldet ist. Und die Sicht nach hinten ist aus dem gleichen Grund nicht als solche zu bezeichnen. Ansonsten gibt es keine praktischen Einschränkungen.
Wer also den etwas grösseren Auftritt sucht, dabei aber nicht auf die Annehmlichkeiten in den Bereichen Komfort oder Platz verzichten mag, findet im Proceed ein passendes Paket. Dass er dabei mit knapp 40’000 CHF fair eingepreist wird und zudem die bei Kia üblichen 7 Jahre Garantie kriegt, macht ihn nicht weniger attraktiv.
