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zuendung

7. November 2007

Finde die 10 Unterschiede

DAF | 0 Kommentare

Vor 20 Jahren lief der erste Vorgänger der aktuellen DAF-Königsklasse vom Band. Ursprünglich als 95 getauft fährt die neuste Variante als DAF XF 105 in den gutgehenden Schleppermarkt. Gekonnt haben die DAF-Ingenieure den XF aufgemöbelt, ihm einen neuen Motor und Getriebe verpasst und ihn einfach besser gemacht. Mit der ursprünglichen 95er Baureihe verbinden ihn nur […]

Vor 20 Jahren lief der erste Vorgänger der aktuellen DAF-Königsklasse vom Band. Ursprünglich als 95 getauft fährt die neuste Variante als DAF XF 105 in den gutgehenden Schleppermarkt. Gekonnt haben die DAF-Ingenieure den XF aufgemöbelt, ihm einen neuen Motor und Getriebe verpasst und ihn einfach besser gemacht. Mit der ursprünglichen 95er Baureihe verbinden ihn nur noch einzelne Blechteile, wie wir im zündung.ch-Strassentest herausgefunden haben. Zum Glück – stand der DAF 95 doch nicht unbedingt für die besten Zeiten des holländischen Lastwagenbauers. Die Verarbeitungsqualität krankte.

Vollgas ums Eck: Trotz 510PS lenkt der Chauffeur sorgenfrei in die Kurven. Eine neue Lenkung sorgt für ein geradezu sportliches Lenkgefühl. Wenn es brenzlig wird, sorgt VSC (ESP) für eine stabile Strassenlage.

Neuentwicklungen kosten viel Geld. Sehr viel Geld. Wer von Grund auf eine neue Lastwagen-Baureihe auf den Markt bringt, riskiert Anfangsschwierigkeiten und damit das Firmenimage. Die Verkäufe im Nutzfahrzeuggeschäft gehen sehr gut, wozu also unnötige Wagnisse eingehen. Renault Trucks zeigt mit dem Magnum wie lange ein Modell im Rennen bleiben kann. Weiterentwicklung statt Neuentwicklung. Schritt für Schritt. So erhält der Kunde Bewährtes, Zuverlässiges. Nicht anders geht DAF mit der grössten Baureihe vor.

*20 Jahre Weiterentwicklung*

Was 1987 als DAF 95 erstmals vom Band lief, erhielt ein Jahr später den Titel „Truck of the Year“. In Zusammenarbeit mit dem spanischen Hersteller Pegaso entstand die grosszügige Kabine, die ihren 80er Jahre-Ursprung selbst nach umfangreichen Face-Lifts nicht verheimlichen kann. Und trotzdem sieht der brandneue XF 105 nicht alt aus, die DAF-Designer haben die kantige Kabine gekonnt in die Stromlinienzeit herübergerettet. Wo wir grad beim Design sind: Laut DAF ist die äussere Gestaltung zwar in Umfragen unter Spediteuren ein nebensächliches Thema. Aber: Nur Lastwagen, die von Spediteuren als schön empfunden werden, werden auch gekauft. Design ist also wichtiger als angenommen. DAF versucht dieser Erkenntnis mit einer Mischung aus modernem und bewährtem Design zu begegnen, so dass die bestehende Lastwagen-Flotte neben neuen DAF-Modellen nicht veraltet wirkt.

Stromlinienzug: 40 Tonnen Gesamtgewicht nett verpackt. Im Testfahrzeug fahren Betonklötze als Ballast mit.

*Aus Plastikwüste wird Wohlfühllandschaft*

Unsere beiden Test-Kandidaten, ein brandneuer XF 105 und ein elfjähriger DAF 95, unterscheiden sich nicht nur äusserlich. Die harten Linien sind weichen gewichen, alles wirkt gestylt. Innen prahlt der alte 95 noch mit blaugrauer Plastiklandschaft, der XF 105 hingegen wirkt mit dunklem Kunststoff und Holzapplikationen edel. Allgemein wirkt der neue um Längen besser verarbeitet als sein Vorgänger. Auch ergonomisch gewinnt der neue: Jeder Schalter an seinem Platz. Besonders gefällt uns der Multifunktionshebel für Getriebe und Intarder rechts vom Lenkrad. Beim 95 ragen dort noch zwei Hebel übereinander von der Lenksäule, was beim Wunsch nach Retarderverzögerung oft zum Scheibenwischen führt…

Ordnung fährt mit: Das lederbezogene Lenkrad liegt gut zur Hand und im neuen Armaturenträger sind Schalter und Uhren logisch angeordnet.

*110 Mehr-PS*

Beim Vergleich der technischen Daten muss der 95 einiges einstecken. Die Motorleistung klettert mit dem neuen MX-Motor auf 510 PS. Noch satter das Drehmoment: 2500Nm prügeln im XF 105 auf Getriebe und Hinterachse. Damit lässt sich der im Test auf 40 Tonnen ausgeladene Sattelzug angenehm durch die Ostschweiz bewegen. Selbst auf hügeligen Passagen im Zürcher Oberland schwitzt bloss der holländische Beifahrer, das Triebwerk arbeitet weiterhin souverän. Ab etwa 1000 Umdrehungen pro Minute zieht die Sechszylinder-Maschine vorwärts.

Mächtiges Gerät: Dank der Super Space Cab können im Innern sogar Grossgewachsene aufrecht stehen. Neu sind auch die ins Dach integrierten Zusatzscheinwerfer.

*Vier Gänge weniger*

Die von ZF zugelieferte AS-Tronic Schaltung wirft meistens im passenden Moment den richtigen der 12 Gänge ein. Eine Sparbüchse ist sie aber nicht, das allgemeine Drehzahlniveau dünkt uns zu hoch. Hie und da muss der Fahrer die Schaltbox per Multifunktionshebel zum nächsthöheren Gang zwingen, denn Leistung ist bei tiefen Drehzahlen genug da.
Zurück im 95: 400 PS war damals allerhand Material. An 16 manuelle Gänge gekoppelt kann ein geübter Chauffeur auch einem schwer beladenen Sattelzug zu Schwung verhelfen. Wehe aber er verfehlt nach dem Viereinhalbten die Gruppenumschaltung in den Fünften. Dann geht die Schalterei wieder von vorne los. 16 Gänge schalten ist besseres Hirntraining als Kreuzworträtsel lösen. Klar, mal einen deftig rauchigen Stoss Zwischengas zu geben und jeden der 16 Gänge auszukosten spricht für sich.
Im Alltag gewinnt aber klar die automatisierte AS-Tronic Schaltbox. Sie lenkt den Fahrer nicht ab und schenkt ihm Zeit und Aufmerksamkeit für Wichtigeres.

*Elektronik wächst zusammen*

Wer 1996 dachte, derart viel Elektronik im Lastwagen sei verrückt, der dreht heute wohl durch. Im aktuellen XF warnt der Spurassistent beim Überfahren von Sicherheitslinien, ABS hindert beim Bremsen ein Blockieren der Räder und VSC hält den Truck bei Notfallmanövern auf Kurs (ESP). Spannend ist, wie feinnervig die Systeme mittlerweile zusammenarbeiten. Im 95 gab es einen Tempomaten, einen Retarder, eine Motorbremse usw. Jedes ein System für sich, die einzeln gesteuert werden wollten. Heute genügt ein Eingriff an einem Element, und die anderen spielen mit. Ist Verzögerung gewünscht, genügt es den Multifunktionshebel in Richtung Intarderbremse zu stellen. Der Intarder verzögert sanft, dann gesellt sich die MX-Motorbremse (Nockenwellenverstellung) automatisch hinzu, und AS-Tronic schaltet selbständig zurück. Natürlich verzögert der XF von selbst, wenn ein Geschwindigkeitslimit vorgegeben ist.

Der Ursprung: Mit dem 95 stieg DAF vor 20 Jahren in die Topklasse ein. Dieser hier gehört dem Verpackungsspezialisten Wegmüller in Attikon. Nach elf Jahren hat er noch nicht mal eine halbe Million Kilometer auf dem Tacho.

*Rauchzeichen: Adieu*

Beim DAF 95 galt die Euro II Abgasnorm noch als Mass der Dinge. Neu ist Euro V angesagt, bei DAF per SCR-Kat und Harnstoffeinspritzung. Rauch ist keiner mehr da. Weder bei Vollast noch bei Lastwechseln. Anders beim 95: Wer es eilig hat und den DAF-Motor hochdreht, sieht das Resultat der Gleichung „wo Feuer da Rauch“ bald im Rückspiegel. Die Motorenbauer von DAF haben mit dem neuen MX-Sechszylinder ordentlich vorwärts gemacht: Schluckte der 95 Euro II im leichten Einsatz noch etwa 33 Liter auf 100km, begnügt sich der XF 105 mit 110PS mehr Leistung und Euro V Abgasnorm im Mix auf unter 30 Liter.

*Ende der Entwicklung?*

Zwischen den beiden Prüflingen liegen einige mehr als zehn Unterschiede. Entscheidend ist aber der Gesamteindruck. Elf Jahre Entwicklung haben die DAF-Königsklasse vom lauten, strengen und kantigen 95 zum erwachsenen, feingeschliffenen, modernen Fahrzeug heranwachsen lassen. Im 95 sitzt der Fahrer in einem Lastwagen, im XF 105 an einem modernen wohlfühl-Arbeitsplatz.
Voraussichtlich ist der XF 105 nicht das Ende der Entwicklung. Er wird um kleine Dinge – wie hoffentlich um einen Abstandstempomaten – wachsen. Geplant ist auch eine Leistungsspritze auf 560PS. Und so lange der Absatzmarkt für Sattelschlepper ungebremst attraktiv ist, wird sich kaum ein Hersteller auf ein komplett neues Modell einlassen. Lang lebe der Königs-DAF.