Es ist nicht nett, das letzte Stück WC-Papier für sich zu gebrauchen und dann nicht für Nachschub zu sorgen. Oder sich den letzten Kaffee zu genehmigen, ohne sich um die nächsten Kapseln zu sorgen. Genau so ging es mir, als ich den Ford Explorer PlugIn Hybrid übernehmen durfte. Der Akku war so leer wie die Fussballstadien zu Corona-Zeiten. Sehr.
Übrigens ist der Explorer nicht nur neu, sondern der erste seiner Art, der seit längerer Zeit nach Europa importiert wird. Das könnte daran liegen, dass die Europäer langsam aber sicher auch Gefallen an den richtig grossen SUV finden. Weil gleichzeitig aber das Verbrauchen allzuviel fossilen Brennstoffs richtigerweise so richtig uncool geworden ist, ergibt gerade bei so grossen Fahrzeugen ein PlugIn-Hybrid-Konzept Sinn. Wir werden sehen, wie viel sich einsparen lässt und wie alltagstauglich der Ford mit Stecker ist.
Doch aus oben genannten Gründen ging es zuerst einmal klassisch verbrennerisch los. Auch nicht uninteressant: Wie viel verbraucht der 2,6-Tonner, wenn er eben keine elektrische Unterstützung erhält? Antwort: Knapp 12 Liter genehmigte sich der 3-Liter-V6, der den Beinamen EcoBoost trägt – hier also eher Boost als Eco. Die Systemleistung wird mit 457 PS angegeben, wobei 74 Kilowatt auf den Elektroantrieb fallen. Also ist er auch mit leerer Batterie nicht wirklich flügellahm. Trotzdem, nach ein paar Tagen muss der blaue Riese an die Steckdose, um den 13 kWh Lithium-Ionen-Akku zu füllen.
Es ist lediglich ein konventionelles Kabel für die 220V-Steckdose an Bord. Somit braucht es einen kompletten Arbeitstag oder gute 11 Stunden, um die volle Kapazität zu nutzen. Die Klappe findet sich fahrerseitig im Kotflügel. Sobald der Stecker angeschlossen ist, beginnt ein LED-Kranz den Ladestand zu illustrieren. Wir spulen nun 11 Stunden vorwärts.
Voll geladen stehen dem Explorer-Piloten vier Modi zur Verfügung: 1. Standardhybridmodus, der die beiden Antriebsmotoren je nach Bedarf einsetzt. 2. Reiner EV-Modus, der vor allem für Innenstädte interessant sein dürfe. 3. Sparmodus, der die aktuelle Akkuladung für später aufspart. 4. Lademodus, der mit Verbrennerleistung während der Fahr zusätzlich noch den Akku lädt. Ich starte direkt im EV-Modus, weil ich wissen will, wie weit mich die angezeigten 45 Kilometer elektrische Reichweite dann wirklich bringen.
Schon nach kurzer Fahrt zeigt sich, dass die Reichweite sehr stark auf das Fahrprofil reagiert. Die 10 Kilometer bis zur Autobahneinfahrt verbrauchen ziemlich genau 10 Kilometer Reichweite. Auf der Autobahn schmilzt diese dann schneller als ein Eiswürfel in der Sommersonne. Tatsächlich schaffe ich es, die restlichen 20 Kilometer auch noch elektrisch abzuspulen, dann ist das Stromreservoir aber komplett leer. 120 km/h gehen problemlos elektrisch, die benötigte Beschleunigung bei der Einfahrt aber nicht. So flossen also doch noch ein paar Milliliter 95er durch die Leitungen.
Im Innenraum geht es dann nicht um Milliliter, nicht mal um Liter, sondern eher schon um Kubikmeter. Der Explorer bietet maximal 7 Personen Platz, entsprechend grosszügig ist das Raumgefühl. Kein Wunder: Er braucht 5,06 x 2,0 Meter an Verkehrsfläche. Solange man keinen Parkplatz sucht, ist die Grösse kein wirkliches Problem. Ford ist eine angenehme Abstimmung gelungen, durch die man tatsächlich den Eindruck erhält, der Explorer sei relativ handlich. Der Preis dafür ist ein vor allem bei kurzen Fahrbahnverwerfungen nicht sonderlich souveräner Abrollkomfort begleitet von Poltergeräuschen.
Komfortabel wird es, wenn man die Ausstattung betrachtet. Neben einer umfangreichen Assistenz-Ausrüstung, sind auch belüftete Sitze vorn, eine B&O-Audioanlage und eine Panoramaglasdach im Preis von 89’000 Franken inbegriffen. Ein BMW X5 als PlugIn-Hybrid hat weniger Leistung, weniger Ausstattung, ist kleiner und kostet dennoch in der Basis bereits 98’700 Franken. Ford schnürt also ein interessantes All-inclusive-Paket.
Ob der Plug-In-Hybrid wirklich etwas für einen ist, hängt stark vom täglichen oder eigentlich vom alltäglichen Fahrprofil ab. Für Ferienreisen ist man durch das dichte Tankstellennetz vollkommen von jeglicher Range Anxiety befreit. Doch angenommen, man hat täglich 70 – 100 Kilometer abzuspulen, kann aber immer nur zuhause aufladen. Bei welchem Verbrauch landet man dann? Im Test kamen wir auf 5,8 Liter, was für ein Auto dieser Grösse und vor allem mit dieser Leistung doch erstaunlich wenig ist.
Der Ford Explorer Plug-In Hybrid hat in diesem Test gezeigt, dass sich sein offizieller Import definitiv lohnt. Er hat nicht nur viel Platz und Ausstattung satt zu bieten, er verfügt auch über genug Power, um sich richtig flott fortzubewegen. Dazu kommt ein vor allem von vorne betrachtet gelungenes Design und eine eingängige Bedienlogik. Dass er sich mit dem richtigen Streckenprofil sogar als „sparsam“ bezeichnen darf, macht ihn zu einer verlockenden Alternative zu all den grossen Euro-SUV.
Übrigens: Zurückgebracht habe ich ihn dank der Akku-Spar-Funktion mit nahezu voller Elektroreichweite.