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amadefries

11. Dezember 2022

Frisch gebuzzt

VW | 0 Kommentare

Woran erinnert einen der neue ID Buzz? Bestimmt möchte Volkswagen die Brücke zum Ur-Bulli Typ2 T1 schlagen. Ich sehe ihn aber eher als Neuinterpretation einer Neuinterpretation. Denn 2001 hatte VW mit dem Microbus ein erstes Mal eine Wiederbelebung des Surferlieblings geplant. Wer bei Google Microbus eingibt, wird sich über die bis heute modern wirkende Form […]

Woran erinnert einen der neue ID Buzz? Bestimmt möchte Volkswagen die Brücke zum Ur-Bulli Typ2 T1 schlagen. Ich sehe ihn aber eher als Neuinterpretation einer Neuinterpretation. Denn 2001 hatte VW mit dem Microbus ein erstes Mal eine Wiederbelebung des Surferlieblings geplant. Wer bei Google Microbus eingibt, wird sich über die bis heute modern wirkende Form der damaligen Fingerübung wundern. Wobei der Begriff Fingerübung wohl untertrieben ist. Schliesslich war der mit einem VR6-Motor ausgestattete Van auch als Concept Car schon voll fahrfähig. Doch damit nicht genug, 2011 nahm VW einen weiteren Anlauf und zeigte den Bulli, der es aber wieder nicht in die Serie schaffte.

Wiedererkennungswert: Hoch bis superhoch

Nun. 2022 ist es endlich so weit: Ich stehe vor dem brandneuen VW ID Buzz. Und ja, „Buzz“ ist ein Wortspiel, weil summen auf englisch buzz heisst und der VW Bus nun eben elektrisch summt. Und er hat neben dem Design doch noch eine Gemeinsamkeit mit dem Microbus von 2001. Dessen VR6 leistete 204 PS und der einzig aktuell angebotene ID Buzz hat ebenfalls 204 PS, wobei die 150 kW natürlich die passendere Angabe sind. Der VW ID Buzz Pro Launch, wie er mit vollem Namen heisst, hat Heckantrieb und 5 Sitze. Andere Konfigurationen werden folgen, jedoch erst im späteren 2023. Trotzdem wird es viele Fans geben, die ihm schon jetzt nicht widerstehen können. Weshalb? Weil er einfach verdammt gut aussieht. Oder knuffig. Oder speziell.

Schrankwand: Fast senkrechter Abschluss

Das Testexemplar kommt in der Farbkombi Candy White und Energetic Orange. Der Zweifarbenlack ist nicht Pflicht, gehört aber irgendwie schon zum Bus. Kostet happige 2892 Franken. Gratis ist übrigens nur Silber, aber das sollte man ihm nun wirklich nicht antun. Der wabenartig gelochte Stossfänger ist seitlich nach oben gezogen und lässt den Buzz lächeln. Das mittige VW-Logo hat Pizza-Dimensionen und wird von zu den Scheinwerfern laufenden LED-Streifen flankiert. Auf Retrokitsch in Form von kugelrunden Lichtaugen verzichten die Deutschen bewusst, auch so ist der Blick durchaus betörend. Die Seitenansicht ist geprägt von den kurzen Überhängen und den drei Dekostreifen an der hintersten Karosseriesäule. Am Heck gibt’s nochmals ein riesiges Logo und den Namen in stolzen Lettern. Eigentlich ein schlichtes Design, das vor allem von den bekannten Proportionen lebt.

Strahlemann: Der ID. Buzz grinst und die Menschen grinsen zurück

Das Entern des Fahrersitzes ist anders als bei anderen grossen Vans. Es gilt, einerseits nach oben zu steigen, andererseits aber auch den Kopf ein wenig einzuziehen. Man sitzt relativ hoch unter dem Dach, das weit nach vorne gezogen ist. Die Fensterlinie verläuft hoch, womit man wohl relativ am historischen Bulli-Gefühl dran ist. Damit einher geht die eingeschränkte Sicht nach vorne oben. An der ersten Ampel merkt man, dass etwas mehr Abstand sinnvoll sein könnte.

Slider in Paradise: Die Bedienung ist leider die gleiche wie bei der Verwandtschaft

Die bequemen Sitze sind elektrisch verstellbar und bieten sogar eine Massagefunktion. Doch ich bin nicht für die Massage, sondern zum Fahren hier. Der Drehschalter seitlich des Lenkrads ist bekannt, ich drehe ihn nach vorne auf D und drücke Play. Play? Ja, die VW-Designer haben das dreieckige Symbol auf das Gaspedal drucken lassen. Nur einer von vielen kleinen Hinguckern. Die Fahrt beginnt elektrotypisch ruhig, man ist angenehm flott unterwegs, zumindest in der Stadt. Die Lenkung ist direkt ausgelegt, die Bremse bremst, alles wie es soll. Wer etwas dynamischer um die Kurven wetzt, staunt ob der guten Strassenlage und dem eindrehenden Heck. So ein Akku im Boden hilft halt schon.

Logo: Grösser sind wenige Markenzeichen

Allerdings hilft er eben nur querdynamisch. Unter dem Punkt Leergewicht lese ich 2560 Kilogramm. Die nutzbare Kapazität der Batterie liegt bei 76,6 kWh. Bei doch recht kalten Temperaturen ist mit einer Reichweite von ca. 300 Kilometer zu kalkulieren. Ebenfalls einkalkulieren sollte man das Auswendiglernen der Position von Klima- und Lautstärkeregelung unterhalb des zentralen Touchscreens. Diese sind wie in anderen Konzernprodukten unbeleuchtet. Auch sonst ist das Kapitel Bedienung eher ein dunkles, weil eben praktisch ganz auf physische Knöpfe verzichtet wurde. Das Einstellen des Abstandstempomats am Lenkrad gerät für mich zur Geduldsübung. Bleibt zu hoffen, dass man hier irgendwann eine bessere Lösung findet.

Kurz: Die Überhänge sind fast keine

Zumindest interessant gelöst ist das Thema Variabilität. Damit man bei abgeklappten Rückenlehnen der Sitzen in der zweiten Reihe eine ebene Fläche erhält, ist im Kofferraum ein stabiler zweiter Boden eingelegt. Der führt aber dann halt dazu, dass man die volle Laderaumhöhe nur dann nutzen kann, wenn selbiger ausgebaut ist.

Nicht bodenlos: So entsteht eine ebene Fläche bei umgeklappter 2. Reihe

Doch die allermeisten Betrachter:innen dürften solche Praxisprobleme nicht interessieren. Sie staunen bei meiner sonntäglichen Ausfahrt entlang dem Luzerner Seebecken Bauklötze. Die Daumen gehen nach oben, Kinderwagen stoppen kurz vor dem Crash mit der Platane, Mamas und Papas haben einen instant Crush. Der ID Buzz wirkt – und wie. Noch ganz selten habe ich so viele Reaktionen auf einen Testwagen erhalten. Die allerallermeisten sind positiv. Und man merkt auch schon, wer die primäre Zielgruppe sein dürfte. Es sind die langsam sesshaft gewordenen Surfer und Boarderinnen von gestern, die ihre Familienplanung gerade gestartet haben. Für die dürfte auch der massiv kleinere Laderaum (2200 Liter bei ungeklappter 2. Sitzreihe) gegenüber dem VW T7 (4053 Liter) oder gar dem VW T6.1 (4700 Liter bei ausgebauten Rücksitzen) keine Rolle spielen. Im Zentrum steht der Haben-Wollen-Reflex. Und der wird hier hart getriggert.

Design: Eine andere Funktion haben die drei Streifen nicht

Man muss aber auch sagen: So richtig falsch ist es nicht, jetzt zuzugreifen. Wie häufig braucht man tatsächlich 7 Sitze oder Allrad? Eben. Auch die Motorisierung ist ausreichend, passt zum Buzz. Dazu kommt, dass alles was dazu kommt, auch einen preislichen Effekt in die falsche Richtung haben wird. Dabei ist der Testwagen mit 85’001 Franken (ja, dieser Einfränkler scheint wichtig zu sein) doch schon teuer genug. Klar, hier sind nicht nur die elektrischen Schiebetüren dabei, sondern auch diverse andere Dinge, die den Alltag etwas versüssen. So ist das Premium Interieur Style Plus im Mistral und Soul Orange für 3442 Franken verbaut, dessen Farbkombination wirklich sehr gut zur Aussenfarbe passt. Die Materialauswahl inklusive rezyklierter und aus dem Meer gefischten Kunststoffe ist gut, vielerorts konnte aber nicht auf Hartplastik verzichtet werden.

Star: Wer mit dem ID. Buzz vorfährt, fällt auf

Dafür ist der Buzz voll mit Ablagen und Fächern, die nur so auf Krimskrams zu warten scheinen. Darum kann man sich fragen, ob man auf die Konsole zwischen Fahrer- und Beifahrersitz verzichten mag, weil man dadurch den freien Zugang zu den hinteren Sitzen erhält. Den Zugang zur Ladebuchse findet man hinten rechts. Geladen werden kann auch per Schnelllader mit bis zu 170 kW. Im Test verstromerte er 25,6 kWh auf 100 Kilometer, womit die reale Reichweite bei tiefen Temperaturen auf knappe 300 Kilometer schmilzt.

Wer jetzt also Lust auf die Hommage an den Microbus erhalten hat, sollte sich dessen bewusst sein. Auch die Breite von 198 Zentimeter sollte man nicht vergessen. Dafür passt er mit 4,71 Meter bestens in Parklücken, in die man ihn auch dank des kleinen Wendekreises von 11,1 Meter easy manövriert. Das ist übrigens 2 Meter weniger als beim ursprünglichen Typ 2.