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zuendung

31. Januar 2008
Die Beste aller Beifahrerinnen nörgelt. „Der ist so hoch, ich komm hier nicht rein“. Tatsächlich ist der Einstieg in die Mutter aller Geländewagen – vergessen wir einmal die Alu-Wellblech-Hütte Land Rover Defender – eher beschwerlich, zumindest für Damen. Doch der G gehört eben zu den echten Kerlen, die ja bekanntlich weder im wahren noch im […]

Die Beste aller Beifahrerinnen nörgelt. „Der ist so hoch, ich komm hier nicht rein“. Tatsächlich ist der Einstieg in die Mutter aller Geländewagen – vergessen wir einmal die Alu-Wellblech-Hütte Land Rover Defender – eher beschwerlich, zumindest für Damen. Doch der G gehört eben zu den echten Kerlen, die ja bekanntlich weder im wahren noch im automobilen Leben leicht zu haben sind. Schließlich befindet sich der kantige Kraxler im besten Alter, denn die Urversion verließ 1979 zum ersten Mal die österreichischen Werkshallen bei Steyr. Damals Steyr-Puch, heute Magna Steyr.


G wie gewaltig: Der Senior unter den Geländewagen wirkt stattlich.

Das hohe Alter verleiht dem G einen erhabenen Status, nicht nur wegen seiner Höhe von immerhin 1,93 Meter. Der G muss sich nämlich nicht mit allen neumodischen Pseudo-Geländegängern um das Prädikat sportlich bemühen. Auch wenn das Kennzeichen des Testwagens anderes suggeriert, so ist der G320 CDI nicht SUV sondern nur UV – das allerdings richtig. Der Antriebsstrang ist komplett sperrbar, zudem gibt es eine Geländereduktion. Auch wenn sich diese Fahrhilfen inzwischen elektronisch und nicht mehr per Seilzüge oder zweitem Schalthebel wie einst bei der Baureihe 461 aktivieren lassen, gibt es kaum ein Auto, das weiter kommt. Und kaum ein Auto, das dabei keine Attentate auf die Anatomie der Insassen verübt. Eine Sänfte ist der Mercedes sicher nicht, schließlich bemühen sich zwei Starrachsen um Komfort, Straßenlage und im Gelände um Bodenkontakt. Letzteres gelingt dem Fahrwerk am Besten. Doch bei Reisetempo 160 Km/h lassen sich auch lange Etappen stressfrei bewältigen, denn die schiere Masse von immerhin 2,4 Tonnen Leergewicht macht’s – solange kein Seitenwind herrscht und Kurven erstens nicht dicht aufeinander folgen und zweites deutlich geringere Radien aufweisen, als es bei amerikanischen Rundstreckenrennen üblich ist. Denn der G will nicht nur nicht sportlich sein, sondern er gibt den vorsätzlichen Turnbeutel-Vergesser. Abenteuerliche Schräglagen, heftiges Betteln der Vorderreifen um Gnade, all das bei Kurventempi, die selbst ein Daihatsu Cuore locker überbietet. Sollte der Weg zur Arbeit jedoch zufällig über die Wüste Gobi führen, dann schlägt die Stunde des G.


G wie gewichtig: In dieser Version bringt der G rund 2,4 Tonnen auf die Wage.

Der Hersteller verspricht, dass Wassertiefen von 50 Zentimetern, 80 Grad-Steigungen, 54 Grad-Schräglagen, 34 Grad-Böschungswinkel sowie 3,5 Tonnen Anhängelast den G320 CDI mit langem Radstand völlig kalt lassen. Und man glaubt es dem G auch. Türen, die sich nur mit Nachdruck, meistens erst im zweiten Anlauf schließen lassen, – schon nörgelt die beste aller Beifahrerinnen wieder – die Bademeisterturm-ähnliche Sitzposition mit entsprechender Rundumsicht, die beeindruckende Schalterbatterie für die Differenzial-Sperren, all dass schafft ein Vertrauen, wie es nur die wenigsten echten Kerle schaffen. Denn ein G bleibt. Das Auto scheint für die Ewigkeit gebaut. Ein Blick in einschlägige Gebrauchtwagen-Börsen beweist: Es werden viele ältere Semester angeboten, Baujahr 1985 abwärts, zu teils abenteuerlichen Preisen. Die allerdings auch bezahlt werden. So relativiert sich der horrende Testwagen-Preis von über 90.000 Euro.


G wie großzügig: Rundumsicht und Sitzposition sind herrschaftlich.

Zudem zeichnet sich der G320 CDI durch einen sehr hohen Reifegrad aus. Nach 25 Jahren kein Wunder, sollte man meinen. Doch beim näheren Betrachten des Konzerns und seiner inzwischen recht schnelllebigen Produkte – vom SL einmal abgesehen -, ist es umso erstaunlicher, welche aufwändigen Modifikationen dem G zuteil wurden. So bekam der Veteran den V8-Benziner aus der aktuellen S- und E-Klasse sowie den famosen Allround-Diesel mit drei Litern Hubraum und 224 PS. Nicht zu vergessen, der G55 AMG mit 500 Kompressor-PS. Doch schon der Diesel schafft es, die automobile Schrankwand dank einem maximalen Drehmoment von 540 Newtonmeter eindrucksvoll zu beschleunigen. Die Kraftübertragung übernimmt das 7G-Tronic-Getriebe, über dessen verschliffene Arbeitsweise schon genug Lobendes gesagt und deren Zuverlässigkeit schon viel spekuliert wurde.


G wie generationenübergreifend: Der erste G rollte 1979 vom Band. (Bild: Mercedes-Benz)

Trotz aller modernen Antriebstechnik sind allerdings keine Verbrauchswunder zu erwarten. Selbst bei konstantem Autobahntempo mit Tempomat bei 150 Km/h meldete der Bordcomputer stolze 17,3 Liter Durchschnittsverbrauch. Nicht auszudenken, was sich der G55 hinter die Mickey Maus-Blinker kippt. Da hilft auch der 92 Liter-Tank nicht viel. Echte Kerle haben eben Durst. Doch der Dreiliter-Motor macht all die lahmen 72 PS-Saugdiesel, saufenden und durchzugschwachen Sechszylinder-Benziner sowie die thermisch wenig standfesten S-Klasse-Turbodiesel vergessen, mit denen sich der G im Laufe seines Lebens herumplagen musste. Und während der G320 CDI mit gemütlichem V6-Diesel-Gurgeln über den Asphalt bügelt, können sich die Insassen von den Mercedes-typischen Komfort Features einlullen lassen.


G wie gezeichnet: Früher Entwurf des Geländewagens von Mercedes. (Bild: Mercedes-Benz)

Command-System, elektrisch verstellbare Multikontur-Sitze, selbstverständlich beheizt, dazu eine herrschaftliche Rundumsicht, als säße man in einem Aquarium und sogar ein beheizbares Lenkrad. Sogar erhellende Xenon-Scheinwerfer bekam der G bei der letzten großen Modellpflege 2006 spendiert. Jetzt nörgelt auch die Beste aller Beifahrerinnen nicht mehr. Und will lieber selber fahren. Dabei interessiert sie weder, dass der G320 CDI der letzte echte Mercedes und einer der besten Offroader der Welt ist. „Man sitzt hier so schön“, sagt sie – ein Argument, das eine ähnlich abwatschende Wirkung hat, wie wenn ein echter Kerl zu hören bekommt, dass er „nett“ ist. Die Beste aller Beifahrerinnen darf den G nicht fahren.