Aus El Born wurde der Born und aus Barcelona wurde… ein immerhin sommersonniges Baden inklusive eines tollen Sonnenuntergangs, den wir gar nicht erst organisieren mussten. Der Cupra Born ist gekommen, um all jenen, die den ID.3 schon etwas langweilig finden, eine spannendere Alternative zu bieten. Ein Blick genügt, das Urteil ist gefällt: Der Cupra Born schaut klasse aus. Aurora Blue im Zusammenspiel mit den kupferfarbenen Akzenten und den Blizzard Felgen ergibt einen attraktiven Look. Ein paar kleine Details wie die „Welle“ im Seitenschweller komplettieren den eigenwilligen und doch sehr gefälligen Auftritt.
Doch dass der Cupra Born gut aussieht, wissen wir schon seit der internationalen Präsentation in Barcelona. Dass er gut fährt, durften wir im Hinterland auf dem Weg nach Sitges nun eben: erfahren. Doch wie schlägt sich der kecke Kompakte im Alltag? Friert das Navi wieder ein? Nervt die Slider-Touch-Bedienung auch nach längerer Nutzung? Und nicht zuletzt: Wie viel Strom verbraucht der Spanier aus Zwickau in der Praxis wirklich. Die Werksangabe liegt bei ziemlich sicher unerreichbaren 16,3 kWh auf 100 Kilometer.
Damit das Lenkrad nicht unerreicht bleibt, fahre ich den Sitz elektrisch näher heran. Schnell ist trotz integrierter Kopfstütze eine angenehme Sitzposition gefunden. Die Dinamica-Sitzbezüge fassen sich sehr ähnlich an wie Alcantara, also griffig und doch weich. Der Blick fällt auf die beiden Screens. Der kleine hinter dem Lenkrad zeigt die Geschwindigkeit an, auf dem grossen in der Mittelkonsole toucht man sich durch die Menüs. Darunter liegen die schon bei der Präsentation gerügten Slider.
Was ist das Problem damit? Links gibt es einen Slider für das Klima auf der Fahrerseite, rechts jenen für den Beifahrer und dazwischen wischt man für die Lautstärke hin und her. Keiner der Slider ist beleuchtet. Besonders die Temperatureinstellung benötigt viel Aufmerksamkeit und bedeutet somit Ablenkung vom Verkehr. Will man beispielsweise ein Grad nach unten „drehen“, wischt man auf dem entsprechenden Bereich nach links, wird aber ziemlich sicher mehr als ein Grad verstellen. Entsprechend bleibt der Blick weiter abgewendet und der Finger versucht die gewünschte Temperatur doch noch irgendwie zu erreichen. Alternativ kann man die Temperaturanzeige oben im Screen antippen und mit touchen auf Plus oder Minus regulieren, besser ist diese Variante aber auch nicht.
Doch (zumindest vorläufig) genug gemäkelt, jetzt wird gefahren. Und das kann der Born richtig gut. Die Strassen um Baden sind leider nicht so kurvig und vor allem nicht so leer wie jene von Barcelona nach Sitges. Aber auch hier kann der Aurorablaue zeigen, was er drauf hat. Der elektrotypisch tiefe Schwerpunkt sorgt für ein angenehm sattes Fahrgefühl, erst beim etwas stärkeren Bremsen spürt man auch die negative Seite des Konzepts: Das Gewicht von über 1,9 Tonnen. Immerhin beisst die Bremse trotz Trommeln hinten anständig zu. Die Lenkung könnte leichtgängiger sein, gefällt dafür mit ihrer Direktheit und dem kleinen Wendekreis; 10,2 Meter sind top. Bis die Version mit Elektroboost kommt, sind 204 PS das höchste der Gefühle. Und seien wir ehrlich: Das reicht auch locker. Die 310 Newtonmeter Drehmoment helfen beim Ampelstart. Die Werksangabe für den Sprint auf 100 km/h liegt bei 7,3 Sekunden. Noch lieber als sprinten mag der Born kurven. Allerdings sollten die Bögen nicht zu eng sein, denn sonst gleitet man mit den Fingern gerne über die Touchfelder in den Lenkradspeichen und stellt das Radio auf superlaut. Da wären wir wieder beim Thema…
Doch natürlich ist auch auf der digitalen Seite nicht alles schlecht. Im Gegenteil. Praktisch ist zum Beispiel, dass bei sommerlichen Temperaturen die Kimaanlage per Cupra-App schon aus der Ferne gestartet werden kann. Auch die kabellose Variante von Apple CarPlay gefällt. Das iPhone (und andere, die den entsprechende Standard erfüllen) können auf der dafür vorgesehenen Matte induktiv geladen werden. Für weitere Geräte stehen mehrerer USB-Ports zur Verfügung. Eher von der nervigen Seite zeigte sich der Spurassistent, der besonders bei Autobahnbaustellen penetrant klingelnd warnte, wo es nichts zu warnen gab. Ihn vor jeder Baustelle abzuschalten scheint wenig praktikabel. Und so wird er dann wohl eher ganz deaktiviert, was nicht wirklich sinnvoll scheint. Aber auch bei den Assistenten gibt es natürlich Positives zu vermelden: Der adaptive Tempomat macht seine Sache gut. Im Standardfahrmodus Comfort sind die Assistenen sogar so ausgelegt, dass sie die Rekuperation anhand der Verkehrssituation anpassen. Fährt man also auf einen Kreisverkehr zu, nimmt die Bremstätigkeit ebenso zu, wie wenn weiter vorne ein langsames Fahrzeug zu erkennen ist.
Langsam ist der Cupra Born mit 204 PS nun wirklich nicht. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 könnte man sich sogar auf deutsche Autobahnen wagen. Hierzulande reicht die Performance sowieso. Und auch die Ladeleistung kann überzeugen. An der CCS-Dose lädt der Born im Test schnell auf über 80%, die allerletzten Prozentpunkte tröpfeln dann gemächlich rein. Und wie viel Strom hat er nun tatsächlich verbraucht? Auf den über 1000 Testkilometern reichten jeweils 17,75 kWh für 100 Kilometer. Das ergibt eine theoretische Reichweite von 326 Kilometer, was man als absolut alltagstauglich bezeichnen kann.
Alltagstauglich ist auch das Platzangebot mit vier bequemen Sitzplätzen. Auch für eine fünfte Person ist Raum, der flache Fussraum hinten hilft, aber der Sitz ist etwas erhöht und taugt damit nur für Kurzstrecken. Der Kofferraum bietet mit 385 Litern typisches Kompaktformat. Erfreulich, dass zwischen den Vordersitzen viel Stauraum für Kleinkram bereitsteht. Auch die Türtaschen sind ausreichend dimensioniert. Ist auch der Preis vernünftig dimensioniert? Ich würde mit einem deutlichen Jein antworten. Der gut ausgestattete Testwagen kommt auf 47’888 Franken. Die Leistung und die Reichweite sind angemessen, die im Interieur verbauten Kunststoffe könnten hochwertiger sein.
Am Ende kann man den Cupra Born absolut empfehlen. Wer ihn in die engere Wahl zieht, sollte allerdings unbedingt probefahren und während der Fahrt checken, wie er mit dem Bedienkonzept zurecht kommt. Und auch, ob ihn Kleinigkeiten wie die 10-km/h-Sprünge bei der Tempomateinstellung nerven würden. Denn das können andere deutlich besser. Wer’s sportlich mag oder wer auf längere Reichweiten schaut, sollte sich die E-Boost-Version mit grösserem Akku anschauen. Schon jetzt ist er der hübschere und sportlichere ID.3. Und dabei ist er nicht teurer.
P.S. Bitte ebenfalls im schönen Aurora Blue bestellen.