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zuendung

2. August 2013

Ich weiss nicht was es ist.

Chevrolet | 0 Kommentare

„Ist der gut?“ fragt mich der Nachbar in der Tiefgarage, der mich sonst nie grüsst. Auch andere Mitmenschen möchten auffällig oft mehr wissen über den roten Testwagen. Er scheint zu gefallen – was die schnell ansteigenden Verkaufszahlen im SUV-B-Segment belegen; sie haben sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Viele Interessierte wissen bereits, dass der […]

„Ist der gut?“ fragt mich der Nachbar in der Tiefgarage, der mich sonst nie grüsst. Auch andere Mitmenschen möchten auffällig oft mehr wissen über den roten Testwagen. Er scheint zu gefallen – was die schnell ansteigenden Verkaufszahlen im SUV-B-Segment belegen; sie haben sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Viele Interessierte wissen bereits, dass der Chevrolet bis auf wenige Teile mit dem Opel Mokka baugleich ist. Und dass er wie seine deutschen Geschwister in Südkorea gebaut wird, verbinden Menschen von heute selbstredend mit Zuverlässigkeit und Qualität. Viel Neues kann der Automobiltester da nicht beisteuern; die kompakte Form spricht Stadtparkende von Natur aus an, die erhöhte Sitzposition lockt mit leichtem Einstieg und guter Übersicht. Und Allradantrieb scheint in den Köpfen ohnehin Freiheits- und Abenteuergefühle auszulösen, wobei diese eher Hoffnungen sind. Doch dazu später.

Auch die Rückfahrkamera mit Farbbildschirm löst keine Wows mehr aus, sie gehört heute bei vielen dazu. Auch den sportlichen Reiz der markenverwandten Corvette mag der Chevrolet nicht transportieren. Und das Rock’n’Roll- und Hamburgergefühl aus Belair-Zeiten kommt auch nicht auf. Auf den Schlüsseldreh antwortet ein 1,4-Liter Vierzylinder, ganz zivil, ganz ohne tiefe Note. Er stammt aus der Opel Ecotec Benzinmotorfamilie. Unter dem Druck eines kleinen Turboladers baut er 140 PS auf. Beim Fahren wähnt man sich mit einer herkömmlichen Zweilitermaschine unterwegs. Einzig beim Anfahren, wenn der Turboschub noch fehlt, lüpft man den Kupplungsfuss besser vorsichtig, um den Motor nicht abzuwürgen. Einmal angefahren ist er sehr elastisch, bald ist innerorts der fünfte Gang eingelegt, ab 60 rollt man im sechsten entspannt daher. Soll es rascher vorwärts gehen, wollen die Gänge ausgefahren sein: Der Vierventiler dreht willig bis zur Maximaldrehzahl hoch und liefert was er kann. Dabei macht er kein Geheimnis von dem, was ihm abverlangt wird, denn er wird laut und vibriert unangenehm.

Sofern man nicht gerade ein Viertelmeilenrennen gewinnen möchte ist der Trax ausreichend motorisiert. Er ist jedenfalls schneller als die Trax, die in Louis Chevrolets Heimatland normalerweise als Baumaschine wahrgenommen werden. Die Namensgeber von General Motors zielten möglicherweise mehr auf andere Anleihen anstatt auf Raupenfahrzeuge. Der Name ist jedenfalls für den einen oder anderen dummen Spruch geeignet, die uns bei Testfahrten zugetragen werden. Zukünftige Besitzer sollten damit umgehen können. A propos Testfahrt und Trax: Im Gelände unterliegt der kleine Rote dem grossen Gelben klar. Der vordere Überhang, sprich die tief heruntergezogene Frontschürze beendet die Freiheits- und Abenteuerhoffnungen bald, indem sie schon an kleinen Böschungen aufsteht. Auf nassen Wiesen oder auf Kies greift unser Trax hervorragend zu, ohne dass man den Eingriff des über eine automatische Kupplung gesteuerten Allradantriebs bemerken würde.

Sobald es im Gelände etwas steiler bergauf geht, fehlt dem Chevy die nötige Power – oder einfach eine Untersetzung, über die nur echte Geländewagen verfügen. Doch fairerweise muss hier geschrieben sein: Chevrolet selbst spricht vom Trax als Geländewagen ausdrücklich für Menschen in der Stadt. Und der dürfte selten abseits von Asphalt unterwegs sein. Schneebedeckte Fahrstrecken, zum Beispiel zur Zweitwohnung in den Bergen, meistert auch ein nicht ganz ausgewachsenes SUV wie der Trax eines ist. Für Bergabfahrten gibt es eine elektronische Hilfe, die auf Tastendruck die Geschwindigkeit konstant hält. Befestigte Fahrbahnen verschlingt der Trax bemerkenswert sportlich. Mit der direkten (elektrischen) Servolenkung greift der Trax-Pilot auf ein überraschend straff ausgelegtes Fahrwerk.

Ein Kompaktwagen macht seine Sache in Kurven nicht besser als der Trax. Vorteil beim Trax: Im Kreisel darf auch mal geschnitten werden, ohne gleich den Stossfänger anzukratzen. Das relativ geringe Gewicht von knapp 1‘400 kg erleichtert das zügige Vorankommen. Trotzdem ist er mit den mageren 500 kg Anhängelast nicht als Zugfahrzeug geeignet. Auf den Sitzen fühlt man sich gut gebettet, wobei die zweifarbigen Kunstlederbezüge in schwarz und braun eher rutschig sind. Wie kompakt Chevrolet den Armaturenträger halten konnte gefällt. Die Darstellung ist ungewohnt aber gut ablesbar und versprüht mit dem grossen, analogen Drehzahlmesser einen Hauch Sportlichkeit. Auffallend sind die runden Lüftungsdüsen – wie auch der Armaturenträger im chromumrandeten Chic à l’americaine. Immer mehr Zusatzfunktionen fordern von den Herstellern grosse Hirnleistungen, damit der Benutzer diese einfach einsetzen kann. Die Trax-Armaturen sind hübsch aufgeräumt und auch die bildschirmgesteuerte MyLink-Technologie braucht keine Raketenforscher, um dem Smartphone Musik und freies Sprechen zu entlocken. Mit dem BringGo-App lassen sich Google-Suchfunktionen und weitere Gadgets nutzen.

Chevrolet steuert mit dem Trax eine „imagebewusste, urbane Klientel mit aktivem Lebensstil und Unabhängigkeit vom Mainstream“ an. Ob man sich bei dem rasch wachsenden Absatz abseits vom Mainstream bewegt sei dahingestellt. Für aktive Stadtnahe aber – und damit ist die Antwort auf Nachbars Frage klar – ist der Trax gut. Nicht dass eine seiner Eigenschaften besonders heraussticht, aber er hat ein gewisses Etwas. Etwas, das ihn plötzlich nicht mehr wegdenken lässt. Schnell mal das Velo zur Reparatur fahren – Sitze runterklappen, einladen. Schnell mal in die Innenstadt zum Znacht – einfach in die Lücke stellen. Schnell mal zur Talstation der Luftseilbahn in Riemenstalden – die Parkplätze sind belegt, also einfach ans Bort stellen. Der Trax unterstützt einen bei allen Vorhaben und ist einfach praktisch; mit seiner serienmässigen 230 Volt Steckdose in der hinteren Sitzreihe lädt er sogar den Laptop. Den getesteten Trax gibt es auch als 1,6-Liter Saugbenziner, allerdings nur mit Frontantrieb, oder 1,7-Liter Turbodiesel und wahlweise mit 6-Stufen-Automat. Die Preise starten bei CHF 21‘900, unser Testwagen als 1400T AWD in Velvet Red ist die Topversion und kostet CHF 31‘580 (einziges Extra: Schiebedach CHF 1200). Im Agglomerations-Mischbetrieb mit einigen Autobahnetappen und raschen „da und dort“-Fahrten verbraucht der Trax 8,2 Liter Benzin auf 100 Kilometer (Werk, kombiniert: 6,4 Liter). Auf den ersten Blick eher viel, geht aufgrund der raschen Gangart und der heissen Tage (Klimaanlage) aber in Ordnung.