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zuendung

13. Dezember 2011

I’m a Rock!

VW | 0 Kommentare

Wenn der Absatz beim Aussteigen ans optionale Schwellrohr schlägt, erklingt je nach Schuhwerk ein Bling-Geräusch. Dasselbe Bling wie in der Meister Proper Werbung, wo alles so schön glänzt. Und genauso wirkt er auch, unser Amarok, der in der Sonne geparkt steht: Meister Saubermann, selbstbewusst grinsend – und irgendwie augenzwinkernd, „die Volkswagen Original Styling Bar“ blendet […]

Wenn der Absatz beim Aussteigen ans optionale Schwellrohr schlägt, erklingt je nach Schuhwerk ein Bling-Geräusch. Dasselbe Bling wie in der Meister Proper Werbung, wo alles so schön glänzt. Und genauso wirkt er auch, unser Amarok, der in der Sonne geparkt steht: Meister Saubermann, selbstbewusst grinsend – und irgendwie augenzwinkernd, „die Volkswagen Original Styling Bar“ blendet einen geradezu. Letzteres ist übrigens Volkswagendeutsch und heisst frei übersetzt in etwa „angedeuteter, verchromter Überrollbügel“. Man kann es ihm nicht verübeln, die breite Front, ausgestellte Radhäuser und sein „candyweisses“ Blechkleid lassen den Pickup in mächtigem Format erscheinen. Für europäische Verhältnisse unverschämt riesig: Knapp zwei Meter breit und 5,25 Meter lang.




Die Wiese ist sein Terrain.



Seine Männlichkeit scheint gewollt. Volkswagen hat den Amarok von Grund auf neu entwickelt und will den Pickup-Markt aufmischen. Bisher als einziger europäischer Hersteller (Opel hat den Campo alias Isuzu TF schon 2001 aufgegeben). Die Hauptmärkte dürften so oder so auf dem südamerikanischen Kontinent liegen. Dort wird er auch gefertigt – und erstaunlicherweise in beinahe deckungsgleichen Ausstattungs- und Motorisierungsvarianten angeboten. Die Amaroks auf unseren Strassen erblicken das Licht der Welt in einem VW-Werk in der Nähe von Buenos Aires. Ab Mitte 2012 soll der Amarok zusätzlich in Hannover gebaut werden. Nicht weit vom argentinischen VW-Werk baut Toyota den einstigen VW-Verwandten namens Hilux. Dessen Vorgänger fertigte VW von 1989 bis 1997 als Taro im Werk Hannover in Lizenz. Die Argentinien-Hilux verlassen den Kontinent allerdings nicht, für Europa kommen sie aus Südafrika.




Bei jedem Wetter gut angezogen.



Andere in Europa erhältliche Modelle stammen grösstenteils aus Asien. Die Zwillinge Mazda B-50 und Ford Ranger sowie der Isuzu D-Max und der Mitsubishi L200 werden in Thailand gefertigt. In Europa entstehen zurzeit ausschliesslich der Nissan Navara (Spanien) sowie noch bis 2015 der Land Rover Defender 130 (Gross Britannien). Den Massif (Spanien) gibt Iveco gerüchteweise bald auf. Die letzten beiden sind jedoch eher Geländewagen denn klassische Pickups. Üblicherweise kann man bei Pickups zwischen Zwei- oder Vierradantrieb wählen. Als Patentrezept scheinen die hinteren Blattfedern, Trommelbremsen und Starrachsen zu gelten. Aufgebaut sind sie standesgemäss auf einem unverwüstlichen Leiterrahmenchassis. Der Amarok entstand ebenfalls nach dieser Tradition.




VW verspricht Platz für eine Euro-Palette. Wir bringen es auf 27.



Technisch tanzt der Amarok mit seiner ursprünglichen Bauweise aus der VW-Reihe. Anstatt den selbsttragenden, modernen Touareg „aufzuschneiden“, wählte VW die traditionelle, kostengünstige Bauweise. Die Konstruktion hinterlässt Eindruck. Man meint mit dem Amarok in den Krieg ziehen zu können, derart massiv wirken die Längsträger und die Hinterachse. Mindestens aber dürfte man dem VW eine ausgedehnte Wüstenpassage zumuten. Die einfache Bauart verspricht Zuverlässigkeit.
Innen herrscht VW-gewöhnliche Nüchternheit. Man wähnt sich in einem zu breit geratenen Polo älteren Datums. Plastik satt, harte Sitze, aufgeräumte Armaturen. Fussmatten aus dickem Gummi scheinen für schweres Schuhgerät ausgelegt. Auf Extras wie elektrische Fensterheber, Klimaautomatik oder PDC muss man nicht verzichten. Die Stereoanlage klingt sogar verführerisch gut. Und doch kommt dieses rustikale Gefühl auf, als der Bi-TDI Motor startet. In einzelnen Belastungszuständen, vor allem beim Kaltstart gelingt es der Common-Rail Einspritzung, den Vierzylinder nageln zu lassen wie einst zu Pumpedüse-Zeiten. 163 PS stemmen die beiden Turbolader aus der im Vergleich zu anderen Pickup-Dieseln kleinen Maschine (im Nissan gibt es bis zu 231 PS aus einem V6 Diesel). Den Downsizing-Kompromiss spürt man nur beim Anfahren: So lange keiner der beiden Lader drückt nimmt ein unsorgfältiger Kupplungsfuss dem Motor den Atem. Ist erst mal Fahrt gewonnen legen die 400 Nm rasch nach und beschleunigen den schweren Wagen ab 1200 U/min mühelos. VW schlägt im Mix 7,8 Liter Dieselverbrauch auf 100km voran. Mit Kurzstrecken, schnellen Autobahnfahrten, häufiger Zuladung, Zusatzheizung und nicht etwa leichtem Gasfuss haben wir 10,2 Liter Diesel auf 100km gemessen. Das scheint uns realistischer als die Werksangabe. Für Sparfüchse gibt es den TDI auch mit einfacher Aufladung und 140 PS.




Vorne drin ist viel Platz. Rechts am Motor angebaut sieht man die Doppelaufladung.



Im Alltagsverkehr gewinnt man übrigens kaum Ampelrennen, schwimmt aber entspannt mit dem Verkehr mit. Und sonst bliebe noch, die Abkürzung durchs Flussbett zu nehmen. Drei Antriebsvarianten bietet VW an: einfacher Hinterradantrieb, permanenter Allradantrieb oder manuell zuschaltbarer Allradantrieb mit Untersetzung. Wir verfügen über letztere, wobei bequem per Tastendruck der gewünschte Vortrieb gewählt wird. Ohne Geräusche lassen sich die langsamen Fahrstufen zuschalten. Ein Schönheitsfehler sind die starken Verspannungen im Antriebsstrang, die bei Kurvenfahrt mit eingeschaltetem Allradantrieb auftreten.
Der Amarok kann bis zu 3,5 Tonnen ziehen. Die Nutzlast seiner Ladefläche lässt sich durch eine „Heavy Duty“ Federung von 663 auf 1147kg erhöhen. Somit kommt der VW auf stattliche 3040kg Gesamtgewicht. Falls häufig schwerere Transporte in Aussicht sind, würden wir die starken Federn empfehlen. Sichtbar tiefer Federstand führt oft zu unerwünschten Begegnungen mit dem Gesetz…




Klare Verhältnisse im Innenraum.



Wir durften den Amarok als eigensinnige Horizonterweiterung kennen lernen. Mit seinem ellenlang übersetzten Sechsgang-Getriebe und der kräftigen Motorisierung gleitet er entspannt über Autobahnen. Windgeräusche bleiben dabei fern, fünf Personen sitzen bequem und reisen wie in einem gewöhnlichen Automobil. Über Stock und Stein lässt er sich auch bewegen, wobei der lange Radstand sowie die Überhänge bald in die Quere kommen. Besonders praktisch ist die Ladefläche, auf der sich allerhand transportieren lässt. Wer hat schon gern schmutzige Winterräder oder ein totes Tier im Kofferraum? Da bietet sich die open-air Box als willkommener Helfer rund um die Haushalts- oder Handwerksspedition an. In Sonnenländern wie Argentinien ist das äusserst beliebt. In unserem Land, wenn der Regen kommt, da muss man im Nu alles in die Crew-Cab stopfen. Dann wird es eng. VW löst dieses Problem – gegen Aufpreis – mit einer gefälligen Laderaumabdeckung aus Riffelblech.
Unser Testwagen kommt als „Trendline“ mit umfangreicher Serienausstattung. Mit den Optionen Differentialsperre hinten, Laderaumbeschichtung, Climatronic, Anhängevorrichtung und Alufelgen kostet er CHF 48’904.
Wir sind gespannt, welche Kundschaft sich in Mitteleuropa für den rauhen, aber ehrlichen Arbeiter entscheidet. Es braucht oft eine gute Portion Selbstbewusstsein, um den kleinen Truck in der Öffentlichkeit zu zeigen – und in städtische Parklücken zu drücken.