Seite wählen

zuendung

8. Oktober 2009

Infiniti wagt das Europa-Abenteuer

Infiniti | 0 Kommentare

Wer schon mal in den USA war, kennt bestimmt die riesigen PickUps und Vans, die dort als normale Autos verstanden werden. Schaut man noch etwas genauer hin, fallen möglicherweise Marken auf, die es in Europa gar nicht zu kaufen gibt. Saturn, Scion oder auch Acura wären solche Beispiele. Die GM-Marke Saturn gibt's bald nicht mehr, […]

Wer schon mal in den USA war, kennt bestimmt die riesigen PickUps und Vans, die dort als normale Autos verstanden werden. Schaut man noch etwas genauer hin, fallen möglicherweise Marken auf, die es in Europa gar nicht zu kaufen gibt. Saturn, Scion oder auch Acura wären solche Beispiele. Die GM-Marke Saturn gibt's bald nicht mehr, Scion ist ein jugendlicher Ableger von Toyota und unter dem Acura-Label werden Modelle von Honda verkauft. Mit Infiniti traut sich nun ein ähnlicher Hersteller erstmals auf europäischen Boden. Es werden sportliche Limousinen, Coupés mit V6-Motoren und SUV Sechs- und Achzylindern angeboten. Bei dieser Premium-Modellpalette handelt es sich im Prinzip um Nissans Edeldivison. In der Schweiz sieht man höchstens mal einen Infiniti FX45, der über verschiedene Grauimporteure den Weg zu den wählerischen Kunden fanden. Ich konnte vor mehr als sechs Jahren diesen bulligen SUV bei Affolter in Porrentruy für eine kurze Probefahrt ausleihen. Von der Performance und vom luxuriösen Innenraum war ich überrascht, vor allem aber hatte mich die Optik überwältigt. Inzwischen steht die zweite FX-Generation nun auch in der Schweiz bei den Händlern. Nur ist der grosse und optisch wiederum sehr gelungene Allradler für mich nicht das spannendste Produkt von Infiniti. Das ist vielmehr die viertürige Limousine G37, die sich mit 3er BMW, Audi A4, Mercedes C-Klasse, aber auch Lexus 250 IS nicht eben die leichtesten Konkurrenten ausgesucht hat.

Das Modell ist deswegen das spannendste, weil es bislang noch keinem Hersteller gelungen ist, die Vorherrschaft der deutschen Premiumhersteller ernsthaft zu gefährden. Ob das Infiniti gelingen kann? Vom Styling her erlaubt sich der Japaner schon mal keinen Fehltritt. Ohne ein Konkurrenzprodukt imitieren zu wollen pflegt er den dezenten Stil des Understatements. Bei genauerem Hinsehen fällt die scharf geschnittene Motorhaube auf. Am Heck fängt eine in Chrom gehaltene Spoilerlippe die Blicke ein. Dazwischen spannt sich ein durchaus sportiv gestylter Körper, der auf unseren Strassen nicht weiter auffällt.

Ehrensache, dass der Motor auf Knopfdruck startet. Schliesslich öffnen auch die Türen mit dem ovalen Schlüsseltransmitter in der Hosentasche. Der 3,7-Liter ist sofort hellwach, will seine 320 PS an die vier angetriebenen Räder schicken. Wählt man den Allradantrieb (3000.- CHF) ist das Aggregat immer mit der 7-Gang-Automatik (3200.- CHF) kombiniert. Sofort geht es auf die Autobahn, um die Reisefähigkeiten des Europa-Neulings zu testen. Souverän beschleunigt man auf die erlaubte Maximalgeschwindigkeit im Wissen, dass der G37 noch viel schneller könnte. Die elektrisch verstellbaren Ledersitze sind bequem, längere Touren sehr gut vorstellbar.

Auf der Landstrasse soll der sehr sauber verarbeitete Mittelklässler seine sportlichen Talente nach aussen kehren. Über Magnesium-Wippen am Lenkrad kann man nun in das Schaltverhalten eingreifen. Während sich die Wippen sehr gut anfühlen, lässt sich das Getriebe eine kleine Gedenksekunde Zeit. Weil das maximale Drehmoment von 360 Nm erst bei relativ hohen 5200 Umdrehungen anliegt, muss für die sportliche Gangart öfters mal der Kickdown oder dann eben die "Minus-Wippe" bemüht werden. Dann dreht der Motor unter einem gefälligen, nie aufdringlichen Sound in Richtung 7000 Touren. Das Fahrwerk passt auch für etwas zackiger durcheilte Bögen. Die Lenkung ist sehr präzise, allerdings würde ich mir etwas mehr Rückmeldung wünschen. Die ringsum belüfteten Scheibenbremsen liefern eine überzeugende Vorstellung.

Auch das im Multimedia-Paket (4830.- CHF) integrierte Navigationssystem macht seinen Job gut und ist einfach zu bedienen. Nur mit dem Wort "abbiegen" bekundet die elektronische Stimme etwas Mühe. Ebenfals in diesem Paket enthalten ist die Bose-Lautsprecheranlage und die Rückfahrkamera. Letztere leider ohne die geniale Vogelperspektive, wie man sie in den Infiniti SUV ordern kann. Ansonsten gehört so ziemlich alles zur Serienausstattung, was gut, praktisch und normalerweise teuer ist. Bi-Xenon-Scheinwerfer mit adaptivem Kurvenlicht, Ledersitze, Regen- und Lichtsensor, Tempomat, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Parkdistanzkontrollsystem vorne und hinten, Multifunktionslenkrad, ja selbst die elektrisch verstellbare Lenksäule ist im Basispreis von 63'200.- CHF für den Infiniti G37 GT enthalten. Mit Allrad, Automatik und dem Multimedia-Paket kommt der Testwagen also auf 74'230.- Schweizer Franken. Ein weitgehend gleich ausgestatteter BMW 335i mit Allrad kostet über 15'000 Franken mehr.

Damit ist der Infiniti G37 also auf jeden Fall ein finanziell höchst interessantes Angebot, zumal er technisch absolut auf Augenhöhe mit der deutschen Konkurrenz liegt. Auf der kurzen Testfahrt sind mir nur zwei Dinge negativ aufgefallen: Fährt man langsam, poltert das Fahrwerk und es gibt keine Möglichkeit die Rücksitze umzuklappen. Weil ein Skisack auf der Optionsliste steht, dürfe zweiteres für die meisten Interessenten kein entscheidendes Argument sein. Dass Infiniti hier in der alten Welt noch praktisch kein Image hat, wird anfänglich bestimmt die statusbewussten Klientel fernhalten. Doch die Preisdifferenz, die hervorragende Verarbeitung, die äusserst reichhaltige Ausstattung und nicht zuletzt das gefällige Design dürften dafür sorgen, dass wir in der Schweiz schon bald eine neue Marke zum gewohnten Strassenbild zählen dürfen.