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zuendung

20. April 2006

Ingolstädter Blasmusik

Audi | 0 Kommentare

Falls du dich für einen Audi S6 interessierst, solltest du nicht nur mindestens 79.800 Euro locker machen können, sondern im Verkaufsgespräch einen Satz auf keinen Fall sagen: "Aha, das ist also der Zehnzylinder aus dem Gallardo". Sofort wird über dich ein Redeschwall hereinbrechen, aus dem vage Fragmente wie "…eine komplette Audi-Entwicklung…" oder "…nur ähnliche Eckdaten…" […]

Falls du dich für einen Audi S6 interessierst, solltest du nicht nur mindestens 79.800 Euro locker machen können, sondern im Verkaufsgespräch einen Satz auf keinen Fall sagen: "Aha, das ist also der Zehnzylinder aus dem Gallardo". Sofort wird über dich ein Redeschwall hereinbrechen, aus dem vage Fragmente wie "…eine komplette Audi-Entwicklung…" oder "…nur ähnliche Eckdaten…" zu entnehmen sind.


Dream-Team 1: Der S6 ist als Limousine und Avant erhältlich

Um es kurz zu machen: Gäbe es Lamborghini nicht im Audi-Markenportfolio, wäre kaum ein Ingenieur aus Ingolstadt oder Neckarsulm auf die Idee gekommen, einen V10 unter die Haube des vorläufigen A6-Topmodells zu packen. Dabei ist die Idee so schlecht nicht, zumal Audi jüngst eine Vorliebe für großvolumige, hochdrehende Saugmotoren entwickelt hat. Der 5,2 Liter-V10 des S6 macht da keine Ausnahme, für 435 PS muss die Kurbelwelle 6.800 Mal pro Minute rotieren. Wenn sie das tut, sollte der Pilot am Steuer über ein starkes Ego verfügen, denn hinter ihm wird selbst die sprichwörtliche Sintflut keinerlei Angriffsfläche mehr finden – der Audi trompetet alles in Grund und Boden. Umso erstaunlicher, da die angepeilte Klientel sich im Zweifelsfall doch eher für Komfort als für Sport entscheiden dürfte.


Blau-Laster: Sprintblau-Perleffekt steht dem S6 gut zu Gesicht

Doch Audi ließ sich bei der Entwicklung nicht nur zum fantastischen Zehnzylinder-Fanfarenzug hinreißen. Der S6 bekam überdies eine überraschend verbindliche Fahrwerksabstimmung verpasst. Diese informiert die Insassen zwar stets über die aktuelle Fahrbahnbeschaffenheit, sorgt im Gegenzug aber auch für eine in dieser Fahrzeugklasse eher unübliche Direktheit zur Piste. Nur beim Getriebe gab sich Audi den Gesetzen des Marktes geschlagen: Automatik only. Die Harmonie dieses Fahrdynamik-Cocktails ließe sich bayerisch knapp mit "passt scho" auf den Punkt bringen.


Blasmusik & Rock'n'Roll: Der famose Zehnzylinder spielt beides

Das stimmt zwar, doch nach einem ausgiebigen Ritt mit dem 1,9 Tonnen-Geschoss wird kaum einer derart einsilbig bleiben. Schuld daran ist das bereits erwähnte, ab Leerlaufdrehzahl stets präsente V10-Timbre, dessen trommelndes Trompeten einfach nur gierig ist. Sowas hast du einfach nicht erwartet. Die Audioanlage bleibt aus, die Ohrwaschln der Sechsstufen-Automatik am Lenkrad machen nun die Musik. Du daddelst einfach nur zum Spaß die Gänge rauf und runter – und läufst Gefahr, beim Spiel von Gas und Getriebe deinen Führerschein in den Zwangsurlaub zu schicken. In 5,2 Sekunden sollen 100 km/h anliegen. Gemessen hab ich's nicht, Mac Gyver würde aber wohl sagen: "Das könnte klappen"


Dream-Team 2: Schöne Cockpits kommen von Audi, tolle Sitze von Recaro

Um die Längsdynamik ist es also wirklich gut bestellt. Auch die Querdynamik ist für einen Oberklasse-Brocken nicht von schlechten Eltern. Auf einem winkligen Handlingparcours in den Neckarsulmer Weinbergen muss sich der S6 seiner Größe und seinem Gewicht dann doch geschlagen geben – es geht vorwiegend untersteuernd um's Eck. Wie gesagt, der Fahrbahnkontakt geht ebenso in Ordnung wie die Rückmeldung der Lenkung, auch die schicken Recaro-Sitze unterstützen dich hervorragend bei der Arbeit. Doch in engen Kurven kommt recht bald der Punkt, an dem dich ein lautes Quietschen der Vorderräder an deine Physikstunden in der Schule erinnert, von wegen Trägheit der Masse und so.


Fanfarenzug: Was hier entweicht, lässt niemanden kalt

Aber was soll's, im Dreigestirn Mercedes E55 AMG, BMW M5 und Audi S6 strahlt der Ingolstädter mindestens genauso hell wie die Konkurrenten. Übertönen kann er sie allemal. Und wie sich der Audi-Kenner denken kann, folgt auf S immer RS. In gut zwei Jahren zündet die nächste Leistungsstufe des V10. Dass das Triebwerk 520 PS aufbringen kann, beweist der aktuelle Modelljahrgang des Lamborghini Gallardo. Sagt das aber bloß nicht zu eurem Audi-Händler.