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zuendung

21. Juli 2013

Kuga wird Halb-Amerikaner

Ford | 0 Kommentare

Natürlich könnten wir so tun, als sei alles so wie zuvor. Wir könnten ganz überrascht tun, so wie das die Typen von Top Gear jeweils tun, wenn sie gerade etwas erfahren, das sie als Autoverrückte sowieso bereits wussten. Doch wir tun natürlich nicht so, als wüssten wir nicht, dass der Ford Kuga nun ein Halbamerikaner […]

Natürlich könnten wir so tun, als sei alles so wie zuvor. Wir könnten ganz überrascht tun, so wie das die Typen von Top Gear jeweils tun, wenn sie gerade etwas erfahren, das sie als Autoverrückte sowieso bereits wussten. Doch wir tun natürlich nicht so, als wüssten wir nicht, dass der Ford Kuga nun ein Halbamerikaner ist. Gingen die Ford SUV der alten und neuen Welt zuvor getrennte Wege, gibt es dank der One-Ford-Strategie ganz dem Wort entsprechend nur ein Modell für die Amis und uns. Und das merkt man an einigen Stellen recht deutlich. Doch alles der Reihe nach.

Auf den ersten Blick erkennt man den neuen Ford Kuga als Nachfolger des auf Schweizer Strassen sehr verbreiteten Modells. Doch auf den zweiten fällt auf, dass der Neue nicht mehr so sportlich und kompakt wirkt. Eher erinnert er an einen hochgelegten Kombi. Vor allem die Front kommt für Ford-Verhältnisse eher einfallslos daher. Geht der Alte noch als hip durch, sieht man dem neuen Modell eher Rentner mit Labrador entsteigen. Das kann natürlich auch an der Farbe unseres Testwagens liegen: Das braungraue Sterling Grey ist bei Weitem nicht so mutig, wie das Weiss des Vorgängers bei dessen Erscheinen war. Neben der etwas langweiligen Optik fällt auch die schiere Grösse ins Auge. Obwohl er nur um 8 Zentimeter auf 4,52 Meter gewachsen ist, erhält man den Eindruck eines langen, gestreckten Fahrzeugs.

Wer hinter der nicht gerade begeisternden Fassade eine Offenbarung im Innenraum erwartet wird nicht unbedingt befriedigt. Sicher, die Ledersitze sind bequem, die Übersicht für heutige Verhältnisse gut und die unverzichtbare Infotainmentwelt ist auch präsent. Doch auch im Kuga lauert die Knöpfchenwüste in Form des Sony-Systems auf der Mittelkonsole. Zunächst wollen wir aber mal den einen grossen Knopf drücken, der den Zweiliter Diesel zum Leben erweckt. Etwas knurrig, was da unter der Haube zu werkeln beginnt. Vielleicht sind die 163 Pferde einfach so einsatzwillig, dass sie sich Gehör verschaffen müssen? Mitnichten. Eher zögerlich legt der SUV los, als ich den Wählhebel in Position D schiebe. Also gleich weiter in S und am Ende des Dorfes auf der Drehmomentwelle surfen. Doch die 340 Newtonmeter tun sich mit den 1,7 Tonnen recht schwer.

Sonderlich sportlich fährt der Kuga auf blossen Gasfussdruck nicht unbedingt. Da soll wenigstens die Federung etwas Sportlichkeit suggerieren. Trotz des relativ langen Radstands von 2,7 Meter, schlägt und poltert es auf schlechten Strassen bis tief in den Innenraum. Hat man da das amerikanische Softfahrwerk etwa verschlimmbessert? Das Getriebe, dass die Gänge automatisch sortiert, nennt sich Powershift. Es handelt sich dabei nicht um einen Wandlerautomaten, sondern um ein Doppelkupplungsgetriebe wie wir es als DSG von VW kennen. Steckt da noch etwas mehr Dynamik drin? Paddel am Lenkrad sucht man vergebens. Doch die Möglichkeit zum manuellen Eingriff besteht trotzdem. Am Schaltstock selber findet sich eine kleine Wippe, mit der man locker durch die Stufen flippern kann. Anscheinend etwas, dass die US-Kundschaft bevorzugt. Allerdings wird er auch so kein Sportler.

Vielmehr will der Kuga ein Familienauto sein. Das merkt man schon an den kleinen Klapptischchen, die ein wenig ans Flugzeug erinnern. Sogar eine 230V Steckdose findet sich im Fond. Zur Kindersitzmontage sind die beiden äusseren Plätze mit Isofix-Halterungen bestückt. Und wer gerade keine Hand mehr frei hat, öffnet die elektrische Heckklappe mit einem eleganten Kick unter das Kuga-Heck. Damit ist Papa nach den Fussballspielen der Junioren der Held. Auf der Heimfahrt schaut die Jungmannschaft dann durch das riesige Glasdach in den Himmel. Natürlich gibt es diese schönen Dinge nicht ganz gratis. Das Glasdach kostet 1350, die Heckklappengeschichte inklusive schlüssellosem Zugang 1200 Franken. Zusammen mit anderen Annehmlichkeiten steigert sich der Basispreis von 43'000 auf 53'770 Franken. Immerhin gibt es aktuell noch eine Prämie, die den Schmerz um 4000 Taler lindert.

Damit man gar nicht erst Schmerzen erleiden muss, gibt es das Drive Assistance Pack, das wir sehr empfehlen können. Für 1550 CHF gibt es nämlich den Totwinkelwarner, den Müdigkeitswarner, den Fahrspurassistenten und eine Frontkamera, die Verkehrszeichen erkennt. Active City Stop gehört ebenfalls in dieses Paket. Das System bremst bei geringen Geschwindigkeiten selbsttätig ab, wenn eine Kollision droht. Im Test haben sämtliche Assistenten ihren Job zurückhaltend aber effektiv erledigt. Nur die Verkehrszeichenerkennung zeigte einmal ein 50 und eine 60 km/h-Limite gleichzeitig an. Über die Lenkradtasten lässt sich ein weiteres Helferlein steuern: Der adaptive Tempomat. Er lässt sich intuitiv bedienen und verrichtet seinen Dienst genau wie gewünscht.

Der Wunsch nach modernen Spritsparhilfen wird im Kuga leider nicht erfüllt. Weder Start-/Stopp-Automatik noch andere Massnahmen helfen dem Fahrer, den Verbrauch auf den Normwert von 6,2 Liter zu senken. Hier zeigt sich wohl der amerikanische Anspruch, zwar Komfort und Sicherheit zu bieten, die Ökologie aber eher als Randerscheinung wahrzunehmen. Im Test sind es dann auch 7,8 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Angesichts des gebotenen Temperaments eindeutig zu viel.

Nicht zu viel sind dem Kuga übrigens kleine Ausflüge abseits der asphaltierten Pisten. Der Allradler verteilt die Kraft vollautomatisch auf die vier Räder und kann im Extremfall bis zu 100% an eine der beiden Achsen verteilen. Auch hat sich Ford nicht zu übertrieben tiefen Schürzen hinreissen lassen. Damit erklimmt man ganz ohne Kampfspuren auch mal etwas steilere Wege. Die Frage bleibt natürlich, ob die Kundschaft überhaupt solche Ausflüge unternehmen will. Die typische Kuga-Familie dürfte die Tischchen für die Fondpassagiere oder den grossen und gut nutzbaren Kofferraum weitaus mehr schätzen, als das zumindest ansatzweise vorhandene Offroad-Talent. Auch die US-Verwandschaft dürfte der Kundschaft relativ egal sein, da sie abgesehen von etwas härteren Kunststoffen im unteren Bereich keine negativ spürbaren Effekte zeitigt. Schade, dass es die für das US-Modell erhältliche Lackierung Deep Impact Blue für den Euro-Kuga nicht gibt. So bleiben die etwas langweilige Schale zusammen mit dem zu hohen Spritverbrauch und dem nicht überzeugenden Getriebe die Kritikpunkte. Ansonsten ist der Ford Kuga 2.0 TDCI Titanium ein sehr praktischer und bequemer SUV, der im Alltag beste Dienste leistet. Mit seinen vielen Assistenzsystemen macht er einem das Fahren einfacher. Das geben auch wir als Autoverrückte gerne zu.