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zuendung

11. Januar 2012

Lebt der Geist des Martini Racing noch?

Lancia | 0 Kommentare

Lancia. Wie nur schon der Name dieser Marke klingt. Bei unseren Kollegen von Top Gear wurde sie zum "Greatest Carmaker in the World" gekürt. Und warum? Weil sie mit dem Stratos, dem 037 und natürlich dem Delta wunderbare Rallymaschinen mit entsprechenden Strassenablegern gebaut haben. Noch heute zittern mir die Knie, wenn ich einen der allerletzten […]

Lancia. Wie nur schon der Name dieser Marke klingt. Bei unseren Kollegen von Top Gear wurde sie zum "Greatest Carmaker in the World" gekürt. Und warum? Weil sie mit dem Stratos, dem 037 und natürlich dem Delta wunderbare Rallymaschinen mit entsprechenden Strassenablegern gebaut haben. Noch heute zittern mir die Knie, wenn ich einen der allerletzten Lancia Delta HF Integrale Evoluzione auf der Strasse erblicke. Ein wunderbares Stück Automobil. Doch seit dem Ableben des legendären Integrale durfte Lancia den Geist des "Martini Racing" nicht mehr durch seine Modelle wehen lassen. Fehlt er auch im neuen Lancia Ypsilon?


Y: Für das ausgeschriebene "Ypsilon" war kein Platz.

Ich teste einen Lancia Ypsilon Platinum 0.9 85 TwinAir. Er trägt keine Rallystreifen, hat keinen Mittelmotor und auch keinen Allradantrieb. Und natürlich hat er auch keine 300 PS. Dafür trägt er mit dem kleinen Zweizylinder einen der modernsten Motoren der heutigen Zeit unter der Haube. Im Fiat 500 konnte das kleine Turboaggregat mit 85 PS überzeugen. Mit diesem teilt der Ypsilon auch die Basis. Doch optisch sind die beiden sehr verschieden. Da die knuffige Retrokugel, dort die Kleinwagen-Adaption des aktuellen Lancia Delta. Von diesem erbt er nicht nur die für das heutige Design der Marke typischen Stil, sondern auch gleich dessen Fünftürigkeit.


Fünftürig: Dem Fiat 500 hat der Ypsilon seine praktischen hinteren Pforten voraus.

Das macht den bislang nur als Dreitürer erhältlichen Ypsilon in seiner neusten Auflage zu einer interessanten Alternative. So sehr man den Fiat 500 einfach mögen muss, so unpraktisch erscheinen die fehlenden hinteren Pforten. Doch sind die beiden Modelle trotz gemeinsamer Teile überhaupt so ähnlich? Nur schon die Sitzprobe im Lancia bestätigt die Annahme: Die vielzitierte Froschposition muss eingenommen werden, wenn man den kleinen Italiener fahren will. Auch fehlt die Längstverstellung des Lenkrads. Auf der praktischen Seite der Gemeinsamkeiten ist der hoch gelegene Schaltstock zu nennen. Eine Lancia-Eigenheit, auf die ich hätte verzichten können ist die mittig angebrachte Instrumententafel.


Heckdesign: Auch von hinten bleibt der Ypsilon ein typischer Lancia.

Ziemlich eigen ist auch der Klang, der da unter der Motorhaube herkommt. Der Zweizylinder tönt nach Diesel und rumpelt einigermassen seltsam, bevor er auf Touren kommt. Etwas später hilft dann der Turboschub, damit man nicht zum Verkehrshindernis wird. Erschwert wird das durch eine sehr lange Übersetzung. Die Gänge 4 und 5 lege ich erst Ausserorts ein, weil der Motor sonst ins Stuckern kommt. Die Lösung dieses Problems wäre ein enger abgestuftes Sechsganggetriebe, dass es für den Ypsilon derzeit aber nicht gibt.


Zeitgeistig: Die wunderbar gewölbten Flächen passen perfekt zum coolen Ypsilon.

In dieser Konfiguration motiviert der Kleine zum gemächlichen Dahintrödeln. Wer noch gemächlicher unterwegs sein möchte, wählt das Dolce Far Niente genannte auomatisierte Schaltgetriebe. Nein, Danke, dann doch lieber den Hanschalter. Auf der anderen Seite hätte man mit dem Automaten die Hände frei, das Leder von Sitzen und Armaturenbrettabdeckung zu erkunden. Solch luxuriöse Interieurbeplankung ist gerade in einem Kleinwagen ein echtes Highlight. Da lassen sich Dinge wie die mässige Ablesbarkeit der Armaturen gleich viel besser verschmerzen.

Doch was ist nun mit Martini Racing? Nun, um es kurz zu machen: Am sportlichsten ist der Ypsilon wohl dann, wenn er gerade vier Sportler zu einem Rennen transportiert. Die bequemen Sitze bieten wenig Seitenhalt, das Fahrwerk ist stark untersteuernd ausgelegt und natürlich fehlt es an der entsprechenden Leistung. Doch dazu ist der Ypsilon auch nicht gebaut worden. Der 3,84 m kurze Italiener bringt genau jene Talente mit, die vor allem bei weiblichen Stadtshoppern gefragt sein sollten. Gegen Aufpreis parkt er sogar rückwärts ein, was in der Praxis wunderbar funktioniert hat.


Mitteltacho: Die ungewöhnliche Anordnung der Armaturen dürfte mehr Kritiker denn Liebhaber finden.

Damit bleibt auch der neue Lancia Ypsilon die Wahl der luxusorientierten Individualisten. Schade, dass der Motor irgendwie ungehobelter wirkt, als dass ich ihn vom Fiat 500 kennengelernt habe. Das Getriebe mit seinen ächzend langen Gängen ist ebenfalls ein Minuspunkt. Ansonsten konnte der noble kleine Italo vor allem mit seinen fünf Türen glänzen. Und natürlich mit dem Cockpit, das nicht nur optisch erstklassig daherkommt, sondern auch alle heute "notwendigen" Helfer an Bord hat. Es sind mitunter diese Helfer, die den Basispreis der Ausstattung Platinum von 23'390 CHF auf einen Testwagenpreis von 26'700 CHF ansteigen lassen. Und wer wie ich dann doch ein wenig Martini-Racing-Spirit durch den Ypsilon wehen lassen möchte, muss noch ein wenig mehr berappen. In meinem Fall waren's zwei kleine Beträge an die aargauische Polizei…