Warum denn gleich zum Sprinter greifen? Für den kleineren Transportbedarf ist der Vito mehr als nur ein Ersatz. Das zeigt ein kurzer Fahrtest, der sich dann immerhin über 2500 Kilometer erstreckte. Gefahren sind wir die Version „lang“ mit 4,99 m Aussenlänge und „Normaldach“ – dieses mittlere Modell im Angebot schluckt schon bis zu 5,2 Kubikmeter Volumenladung und verfügt je nach Motorisierung über ein zulässiges Gesamtgewicht zwischen 2,77 und 3,2 Tonnen. Zum Vergleich: der Sprinter transportiert in der Version „kompakt“ 7,5 m ³ bei einem zul. GG von 3 Tonnen und bietet in der 3,5 t Normalausführung (die man wohl auf der Strasse am häufigsten antrifft) bis zu 9 m³ Volumen.
Der Vito zeigt das typische Markengesicht
Dafür wiegt das Fahrzeug, das seinen Namen dem spanischen Produktionsort Vitoria, in dem auch schon die Baureihe 100 bis 108 gebaut wurde, verdankt, leer knapp über 1,8 Tonnen. Das verlangt geradezu nach einer angemessenen Motorisierung, die mit dem 2,15 l grossen Dieselmotor, der 110 KW/150 PS leistet, sicher gegeben ist. Aus insgesamt sieben erhältlichen Motorvarianten ist diese unserer Meinung nach die perfekte Mischung aus Leistung, Elastizität und gleichzeitig moderatem Verbrauch. Im Durchschnitt massen wir 9,1 l/100km, was zwar knapp einen Liter über der Werksangabe liegt, allerdings waren auch (deutsche) Autobahnabschnitte mit deutlich über 150 km/h darunter. Vito könnte daher durchaus von „vitesse“ kommen, denn er rennt wie Lola. Wenn es sein muss, auch 180km/h. Wenn man etwas darunter bleibt, kommt man mit dem 75 l fassenden Tank über 800 km weit – „Über Nacht Express“ also kein Problem. Lange Strecken sind normalerweise auch für den Fahrer kein Hindernis: die guten und straffen Sitze tragen dazu bei. Im Testwagen war eine Doppel- Beifahrersitzbank verbaut, mögliche Passagiere auf dieser Bank sind allerdings nicht zu beneiden. Zum einen lässt sich die Bank nicht verstellen (weder vor, noch zurück, geschweige denn die Lehnenneigung), zum andern hat „der dritte Mann“ in der Mitte nur knapp 15 Zentimeter zwischen linkem Knie und dem Schalthebelstick auf der Konsole – das möchte man wirklich niemandem mehr als 10 Minuten und in der Not zumuten.
Aber wann fahren hier schon mal drei Leute mit….
Die Kopfstütze des „dritten Mannes“ verdeckt den Rückblick durch das Schiebefenster, lässt sich aber ruck-zuck abnehmen
Die Schaltung (manuelles Sechsgang-Getriebe)selbst lässt sich gut bedienen, die Ganganschlüsse passen, die Elastizität des Motors tut ein Übriges. Nur vom ersten in den zweiten muss man etwas Nachdruck hineinlegen, es kann aber auch sein, dass beim Testwagen, der bei Übernahme erst 1600 km auf der Uhr hatte, alles noch etwas steif war und sich noch „einspielen“ muss. Bei Tempo 120 km/h liegen im sechsten Gang ohrenschonende 2500 Touren an, ab 3000 Touren oder etwa 140km/h macht sich der Motor dann allerdings deutlich bemerkbar. Der Fahrer wünscht sich hier entweder einen siebten Gang oder mehr Dämmmaterial unter der Haube.
Die Optik des Cockpits und der Anzeigen teilt sich der Vito mit dem Bruder Viano und auch dem Sprinter
Dass der Vito als 2,8 Tonner (wie übrigens auch sein grösserer Bruder Sprinter in der 3,5 t-Klasse) regelmässig von Fachleuten zum „KEP-Transporter des Jahres“ gewählt wird, verdankt er der Summe seiner positiven Eigenschaften. Der Laderaum präsentiert sich aufgeräumt und über das Heck und auch die seitliche Schiebtür gut zu entern. Ein vielseitiges Schienensystem, zahlreiche Verzurrösen und weitere Fixpunkte in der Karrosserie machen die so nötige Ladungssicherung einfach. Niemand kann sich also mehr herausreden, wenn er die angebotenen Möglichkeiten nicht nutzt.
Zahlreiche Anschlagpunkte machen die Sicherung jeglicher Ladung leicht
„Unser“ Modell kam mit einer Schiebetür und einer einteiligen Heckklappe wie ein Kombi daher. Im Prinzip kein Problem, man sollte nur aufpassen, wenn man über 1,85 m Körperhöhe aufweist, sonst kommt diese Klappe dem Kopf doch recht nahe – oder umgekehrt.Die Klappe hat aber dafür den Vorteil, dass man beim Ein-oder Ausladen keinen Platz zur Seite hin braucht und auch näher an das Fahrzeugheck herankommt.
Über die Heckklappe lässt sich der Vito leicht beladen, es gibt natürlich auch Flügeltüren
Da sich der Vito so gut fährt, hat man sowieso eher das Gefühl, in einem normalen Personenwagen-Kombi zu sitzen. Durch die in dieser Version knappen Abmessungen in Höhe (knapp über 1,9 m) und Länge (unter 5 m) ist auch die Einfahrt in normal grosse Tief- und Parkgaragen keine schweisstreibende Sache – die hohe Sitzposition ergibt sogar eine deutlich besser Vorausschau, wo etwas frei ist. Bei allzu engen Lücken sollte man aber tunlichst doch etwas Vorsicht walten lassen: er ist breiter, als man denkt. Vor allem die voluminösen Aussenspiegel, die auf der Strasse eine tolle Übersicht nach hinten bieten, machen den Vito zur Seite ziemlich ausladend, sie lassen sich (zumindest in unserem Testwagen) zwar mechanisch, aber nicht elektrisch einklappen. Etwas Abstand zum noch luxuriöseren Familien/Business/Personenkombi Viano sollte ja schon sein….
Jürgen Hildebrandt
transportflash