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zuendung

28. Mai 2006

Mit dem Spark durch Südafrika

Chevrolet | 0 Kommentare

Wer durch die Strassen Kapstadts fährt, wird sich des Klassensystems in Südafrika anhand der Fahrzeuge bewusst. Mal abgesehen davon, dass sich die unterste Schicht nie ein Auto leisten werden kann, fahren dort im Linksverkehr hauptsächlich sehr teure Autos mit jüngsten Jahrgängen und als anderes Extrem alte Schrottkarren mit 70er-Jahrgängen. Erstere Lenker haben das Geld und […]

Wer durch die Strassen Kapstadts fährt, wird sich des Klassensystems in Südafrika anhand der Fahrzeuge bewusst. Mal abgesehen davon, dass sich die unterste Schicht nie ein Auto leisten werden kann, fahren dort im Linksverkehr hauptsächlich sehr teure Autos mit jüngsten Jahrgängen und als anderes Extrem alte Schrottkarren mit 70er-Jahrgängen. Erstere Lenker haben das Geld und zeigen es, letztere haben gerade knapp genug davon und sind froh, ein Gefährt zu besitzen, das sich vom Fleck rührt, nach dem Motto: Hauptsache, es hat einen Motor.

Dass auf allen Seiten Regenwasser eindringt und die offenliegende Elektronik begiesst, dass die Türen nicht verschliessbar sind (Man beachte die Kriminalität in Südafrikas Strassen – Frauen ist es erlaubt, nachts die rote Ampel zu überfahren.), dass die Bremsen gelegentlich versagen und die Handbremse lose hängt, die Fahrertür des öfteren klemmt und folglich durch den Kofferraum eingestiegen werden muss – all das scheint ihnen ebenso egal zu sein, wie die fehlende Registration. Bei manchen sind die Batterien so schlecht, dass ohne fremde Hilfe nicht gestartet werden kann, und viele Fahrzeuge dieser Gattung haben keine Lüftung. Dies bedeutet, dass die Scheiben bei Regenwetter, welches in den Wintermonaten die Sonnentage eindeutig verdrängt, hoffnungslos anlaufen und mit offenen Fenstern und folglich in Ölkleidung gefahren werden muss.

Für ein solches Gefährt ohne Registrierung mit obengenannter Ausstattung und einem Benzinverbrauch so verschwenderisch, dass ein Loch im Tank vermutet werden muss, werden 8000 Rand bezahlt, was ungefähr 2000.- CHF entspricht. Es verging kein Abend in meinem deutschen Freundeskreis in Kapstadt, an dem nicht über das neu gekaufte alte Auto geklagt wurde…

Es besteht bei dieser Art der Fortbewegung zwar durchaus die Chance, das Vehikel einem nächsten Dummen für 8000 Rand zu verkaufen, aber die Gefahr, dass in dieses Fass ohne Boden endlos investiert wird, ist um einiges grösser. In solchen Momenten der allgemeinen Niedergeschlagenheit lobte ich mir meinen Entscheid zum Mietauto. Diese Mietautos liefern die Mittelschicht im Fahrzeugwald. Um die günstigsten Modelle aber preislich möglichst tief zu halten, sparen sie auch dort an allen Ecken. Ein ebensolches Modell hab ich mir besorgt.


Der Chevrolet Spark mit Blick auf Kapstadt – bei uns heisst der Spark übrigens Matiz

Er war ein treuer Kumpel, der Spark, von idealer Grösse, um in den engen Gassen zurecht zu kommen. In Südafrika darf überall am Strassenrand geparkt werden, sofern keine gelbe oder rote Linie dies verbietet. Die Autoflut in Kapstadts Strassen machte jene folglich fast überall zu Einbahnstrassen mit Gegenverkehr. Je schmaler also, desto besser – insbesondere beim Seitwärtsparken.

Das Fehlen eines Airbags, ABS-Systems und einer Servolenkung ist fatal im Verkehr mit einem Volk, das nach Aussagen einer kapstadter Fahrerin höchst egoistisch fährt, ohne Voraussicht oder Rücksicht auf Verkehrsteilnehmer und in dem trotz der 0.5 Promille-Grenze ein alkoholfreier Abend als äusserst uncool gilt. Das öffentliche Verkehrssystem wird von der weissen Bevölkerung aus Sicherheitsgründen nicht benutzt, was alles in allem in Freitag- und Samstagsnächten zu einer betrachtlichen Anzahl von Unfällen auf der Strasse führt.

Fahrsünden werden nicht mit Fahrrausweisentzug gebüsst (da ein grosser Teil der Bevölkerung ohnehin nicht über einen solchen Ausweis verfügt), sondern mit dem Einziehen des Fahrzeuges – egal, ob dieses dem Freund oder dem Chef gehört oder geklaut ist.


Mit der südafrikanischen Politik der Arbeitsbeschaffung wird an den Tankstellen ein kompletter Service geboten. Auf den gut 2000 Kilometern schluckten die drei Töpfchen keinen Tropfen Öl.

Es mag in Südafrika wohl etwa 300 Sonnentage haben und folglich keine Benötigung für einen Heckscheibenwischer oder eine Heckscheibenheizung. In den verbleibenden Regentagen in den Wintermonaten Mai bis September kann das Wasser aber zuweilen mit solcher Wucht und in einer solchen Menge niederprasseln, dass eigentlich auch Nebelleuchten kein Luxus wären. In dieser Zeit fällt dafür kaum auf, dass keine Klimaanlage eingebaut ist. Die Sommertemperaturen dagegen machen Geschwindigkeiten von illegaler Höhe nötig, um wenigstens ein bisschen von der Frischluft gekühlt zu werden.

Der Dreizylinder-Motor brachte Porsche-ähnliche Töne hervor und bei voller Beschleunigung an einem langen, langen Abhang schaffte er es sogar auf 160 "cases", wie die Südafrikaner die Geschwindigkeit in Kilometern pro Stunde messen.

Die Fenster werden gekurbelt, was viel Voraussicht verlangt und einen flinken Arm, wenn aus dem Nichts heraus im Rückspiegel ein Elefant erscheint.


Objects in mirrow are closer than they appear…

Eine Zentralverriegelung würde gegen eine Elefanteninvasion zwar nicht viel helfen, wäre aber bestimmt nützlich nachts in den dunkeln Strassen in Aussenquartieren, wo sich arbeitslose Lümmel herumtreiben. Besonders eine mit Fernbedienung, die beschleunigtes Einsteigen ermöglicht. Kundenfreundlich wäre auch ein Buzzer, der die Lichtsünder ermahnt, die offensichtlich die Batterien auf die Probe stellen. Und ganz übel ist die Möglichkeit, den Schlüssel einzuschliessen. Unverzeihlich! Es steht ausser Frage, dass dies verboten sein sollte.

Grunsätzlich jedoch lief der Spark einwandfrei für unzählige Kilometer im ausgezeichnet ausgebauten südafrikanischen Fernstrassensystem und ebenso auf den kaum befahrbaren Strassen voller mit Schlamm gefüllter Schlaglöcher, wo er leider etwas von seinem weissen Glanz verlor…


Scheibenputzen gehört zum regelmässigen Service, ein Aussteigen an der Tankstelle ist unnötig

Er war ein unterhaltsamer Kollege, der kaum bockte, brav Kilometer frass, weder rauchte noch spie und sich offensichtlich freute ab Genossen an jeder Strassenecke. Die Hupe, mit der er seine Wiedersehensfreude zum Ausdruck brachte, war zwar ein jämmerlicher Piepston, passte aber durchaus zu seinem Bild, denn wirklich gefährlich aggressiv sieht er ja tatsächlich nicht aus.

Aus Südafrika: Luzia Schäuble für zündung.ch