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zuendung

6. Mai 2009

Mobile Vernunft

Ford | 0 Kommentare

Der Ford Focus RS ist wirklich ein grossartiges Fahrzeug. Eines, von dem sich Kinder Poster übers Bett hängen und mit Rennfahrerträumen einschlafen. Möglich, dass Sohnemann nicht der einzige ist, der gerne einen RS in der Garage hätte. Doch beim Autokauf spielt auch die Vernunft eine gewisse Rolle. Wer braucht tatsächlich 305 PS im Alltag? Wie […]

Der Ford Focus RS ist wirklich ein grossartiges Fahrzeug. Eines, von dem sich Kinder Poster übers Bett hängen und mit Rennfahrerträumen einschlafen. Möglich, dass Sohnemann nicht der einzige ist, der gerne einen RS in der Garage hätte. Doch beim Autokauf spielt auch die Vernunft eine gewisse Rolle. Wer braucht tatsächlich 305 PS im Alltag? Wie soll man hinten bequem an die Kindersessel kommen, wo doch der Sportler nur mit drei Türen zu haben ist? Ist ein Auto, das so viel Benzin benötigt überhaupt noch zeitgemäss? Und dieses Grün…


Avalon: Das Gelb des Raps' schmeichelt dem Focus-Lack.

Ok, einer wirklich rational argumentierenden Ehefrau dürfte man(n) da wenig bis nichts entgegenzusetzen haben. Doch gibt es natürlich auch diesseits der 300-PS-Grenze Fahrzeuge, die durchaus Spass machen können. Zum Beispiel den Focus ST. Doch auch der ist ihr zu schnell, zu orange und schalten möchte die Dame auch lieber nicht. Das bringt uns zum neuen PowerShift-Getriebe von Ford. Es handelt sich dabei um ein Doppelkupplungsgetriebe, das mit Sechs Fahrstufen aufwartet. Allerdings lässt es sich nur mit zwei Dieselmotoren (110 oder 136 PS) kombinieren, was sportliche Ambitionen im Keim zu ersticken scheint.


Hungrig: Wie alle Focus trägt auch dieser eine angriffige Frontpartie zur Schau.

Doch mit dieser Einschätzung würde man dem stärkeren der beiden TDCi-Aggregate definitiv Unrecht tun. Zunächst kämpfe ich jedoch mit dem KeyFree-System Ford Power, das laut Austattungsbeiblatt in unserem Testwagen verbaut ist. Erst nach Konsultation der Bedienungsanleitung bemerke ich die fehlenden Knöpfe an den äusseren Türgriffen. Demnach kann man das Fahrzeug zwar schlüssellos Starten, zum Entriegeln muss aber die Fernbedienung betätigt werden. Ein seltsames Konzept. Egal, der Vierzylinder unter der Haube läuft und will bewegt werden. Also schiebe ich den Schaltknüppel in die Position "D" und rolle los. Erstaunt stelle ich fest, wie gut der Dieselmotor am Gas hängt. Ein Turboloch ist da nicht zu spüren. Noch selten haben sich 136 PS so stark angefühlt.


Praktisch: Der Arbeitsplatz ist aufgeräumt, das Multifunktionslenkrad verrichtet seinen Dienst unauffällig.

Und wenn der Focus durch Kurven fährt, fängt der Spass erst richtig an. In perfekte Sitze (Teilleder "Airfield/Ebony") eingebettet und mit einer herrlich direkten Lenkung nimmt man Bögen jeglicher Art mit einem Lächeln im Gesicht. Für diese Abstimmung erhält der Ford von mir den Titel "Der BMW unter den Fronttrieblern". Schade nur, dass Fords PowerShift-Getriebe sportlichen Fahrern nicht mit einem entsprechenden Schaltmodus auf die Sprünge hilft. Ich vermisste ausserdem die bei der Konkurrenz erhältlichen Schaltpaddel. Hier muss ich für manuelle Gangwahl zuerst in die dafür vorgesehene Schaltgasse wechseln. Schade, denn das Fahrwerk macht so richtig Lust auf mehr, ohne dabei den Komfort für die Mitreisenden allzu sehr in den Hintergrund zu drängen.


Empfehlenswert: Wie bei den meisten neuen Autos ist hinten eine Parkdistanzkontrolle wünschenswert.

Bei einer kurzen Ausfahrt konnte der Fünftürer glech seine Taxifähigkeiten beweisen. Drei Gäste aus London nahmen auf der Rückbank Platz. Tatsächlich: Auch mit voll besetzter Kabine kommt im 4,34 Meter langen Focus keine Enge auf. Ausserdem ist hier die dem Komfort verschriebene Automatik sehr nützlich, weil sie mit ihren weichen Gangwechseln kaum für wippende Passagierköpfe sorgt. Einer der Mitfahrer, der privat selbst einen aktuellen Focus bewegt, schwärmt von der Frontscheibenheizung. Ich hätte nicht gedacht, dass man in England sowas braucht, aber in der Schweiz ist sie sicher wünschenswert. "Leider" waren die Temperaturen zu hoch, als dass ich dieses Feature hätte testen können. Das Navigationssystem (Blaupunkt FX 6CD) hingegen konnte ich ausprobieren. Die Zielführung funktioniert relativ gut und problemlos. Dagegen ist die Eingabe über Dreh-Drück-Knopf in Kombination mit Softkeys recht mühsam und wenig intuitiv. Ich würde darauf verzichten und mir die 2650 CHF sparen. Dafür gibt es ja locker eine weitaus bessere Nachrüstlösung.


Aufgehübscht: Mit dem Facelift wurde die gesamte Front auf den neuen Fiesta-Look getrimmt.

Da wären wir also bei den Kosten. Der Basispreis des Ford Focus 2.0 TDCi mit 136 PS in Titanium-Ausstattung liegt bei 37'500 CHF. Der Testwagen hatte einige Goodies (darunter das Getriebe für 2000 CHF) an Bord, die den Preis auf 47'000 Schweizer Franken ansteigen liessen. Der Dieselmotor ist keiner von der supersparsamen Sorte, brauchte bei mir im Schnitt 6,7 Liter.

Alles in allem ist der Ford Focus mit diesem Motor ein gutes, aber nicht speziell günstiges Fahrzeug für Vielfahrer. Auch Familien dürften dank grosszügigem Interieur genügend Platz vorfinden. Das Getriebe überzeugt komfortorientierte Fahrer und enttäuscht jene, die es als Sportautomaten verstehen. Dafür sind Fahrwerk und Motor eher etwas für den Sportfahrer. In die Kategorie "Skurriles" fällt die Motorhaubenentriegelung. Seit längerer Zeit funktioniert das bei Ford nur mit Schlüssel. Weil aber das Testfahrzeug einen bartlosen Transmitter verwendet, muss der kleine Notschlüssel herausgeklaubt werden, wenn man einen Blick unter die Haube werfen will.

Was die Farbe Avalon angeht, enhalte ich mich besser jeglichen Kommentars. Ich hätte sowieso lieber das Ultimate Green….