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zuendung

6. September 2011

M’s Health

BMW | 0 Kommentare

Wie steht es eigentlich um die Gesundheit von BMWs Sportsparte M? Zulettzt machte man vor allem mit der Abweichung von einstigen scheinbar in Stein gemeisselten M-Rezept von sich reden. Es wurden Turbomotoren in Autos mit Automatikgetrieben eingebaut, die dann auch noch Allradantrieb hatten und gewichtsmässig im Bereich Sumoringer anzusiedeln sind. So viel Körperfülle kann doch […]

Wie steht es eigentlich um die Gesundheit von BMWs Sportsparte M? Zulettzt machte man vor allem mit der Abweichung von einstigen scheinbar in Stein gemeisselten M-Rezept von sich reden. Es wurden Turbomotoren in Autos mit Automatikgetrieben eingebaut, die dann auch noch Allradantrieb hatten und gewichtsmässig im Bereich Sumoringer anzusiedeln sind. So viel Körperfülle kann doch nicht gesund sein. Der neuste Spross der M-Familie hat höchstens eine etwas ungesunde Farbe angenommen. Valencia Orange gefällt nicht jedem, fällt aber garantiert auf. Wir stehen vor dem neuen BMW 1 M. Nein, eben nicht M1, wie der von Lamborghini entwickelte legendäre Sportwagen aus den späten 1970er Jahren.


Coupé: So nannte man früher nur die Zweitürer… wie den BMW 1 M

Dabei sind der Gemeinsamkeiten – einmal ganz abgesehen von der leuchtenden Farbe – nicht einmal wenig. Unter der Haube steckt ein Reihensechszylinder mit ordentlich Schub. Die Karosserie ist weniger als 4,6 Meter lang. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei über 250 km/h, wobei sie beim modernen Enkel elektronisch abgeregelt ist. Womit wir bei den Unterschieden wären. Beim Urahn sitzt der Saugmotor als Mittelmotor hinter den zwei Sitzen. Im Neuen sitzt der Turbomotor vorne und auf den Rücksitzen finden tatsächlich erwachsene Menschen Platz. Ausserdem ist er ein Kompakter der Golfklasse, der in zivileren Versionen die nach Premium lechzende Kundschaft trotz relativ wenig Platz und hohen Kosten befriedigt. Ein Alleinstellungsmerkmal in dieser Klasse ist eindeutig der Heckantrieb. Dazu kommt die Stufenheckform, in welcher der 1 M exklusiv erhältlich ist.


Arbeitsplatz: Wenn Arbeit Freude bereitet.

Eine weitere Exklusivität gibt es sozusagen als Frühstück eines jeden Fahrers gratis dazu: Bei Kaltstart jagt die Elektronik den Sechsender gleich mal auf 1400 Touren. Wenn der Tag wie bei mir in der Tiefgarage beginnt, wird dieser Gänsehauteffekt natürlich noch verstärkt. Auch optisch passt das Erlebnis, dass sich mir hier bietet. Die sportlich harten Sitze sind natürlich in edles Leder gehüllt. Dazu passen Alcantara-Applikationen mit orangen Kontrastnähten – Eine überaus bekömmliche Alternative zu modischen Alu- oder Carbonintarsien. Das Bedienkonzept erschliesst sich schnell. Wunderbar auch, dass Tacho und Drehzahlmesser ganz ohne digitale Einflüsse auskommen. Auch wenn Navi und fette Soundanlage an Bord sind, wird doch schnell offensichtlich, dass ich hier in einem Fahrerauto sitze.


Flotter Vierer: Die Anzahl Rohre stempelt den "Kleinen" zum echten M.

M scheint nicht nur für Motorsport, sondern auch für Machismo zu stehen. Als ich das erste mal die Kupplung drücke, komme ich mir vor wie ein kleines Mädchen. Der Wagen scheint mich auszulachen und zu sagen, "come on, tret mich!" Tatsächlich sind trainierte Wadenmuskeln vonnöten, will man den kleinsten M durch Stadtgefilde führen. Und das will ich. Schon als ich auf der Autobahn Richtung Zürich fahre, bemerke ich die vielen Blicke, die der neuste Coup der Bayern auf sich zieht. An der ersten Ampel werde ich aufgefordert, den Sechszylinder aufheulen zu lassen. Besonders bei jungen Secondos scheint die Optik des Zweitürers sehr gut anzukommen. Anders sind die vielen "Thumbs up" nicht zu erklären. Je näher ich Zürichs Zentrum komme, desto stärker spüre ich auch den Respekt der Mercedes-, Audi- und Porsche-Fahrer. Sie zeigen ihn indem sie ganz bewusst wegschauen. Offenbar wissend, dass BMW da ein ganz heisses Eisen im Feuer hat. Dabei wird der Einser doch bald abgelöst.


Hübsch: 19 Zoll Doppelspeiche & die Wagenfarbe Valencia Orange.

Doch die Bayern haben sich offensichtlich das Beste für den Schluss aufgehoben. Nie zuvor fühlte sich ein Einser so lebending, so direkt, ja so BMW-mässig an. Natürlich verhindert die Bauweise mit den Turbos im Zusammenspiel mit dem E-Gas ein superspontanes nach-vorne-Stürmen. Dennoch hätte ich von 340 PS eine etwas explosivere Kraftentfaltung erwartet. Möglich, dass die vorerst fast etwas zögerliche Art mit meinem eigenen Mangel an Vertrauen zu erklären ist. Zum Glück habe ich genug Zeit, zum schnellsten 1er etwas Vertrauen zu gewinnen. Mit mehr Vertrauen kommt mehr Mut und dann ist der Übermut nicht weit weg. Vielleicht das ESP ausschalten und den "M"-Knopf am Lenkrad drücken? Letzterer schärft die Gasannahme und lässt mein Grinsen breiter werden. Breit sind zum Glück auch die hinteren 19-Zöller. Damit ist die Traktion auch bei einigem Übermut und etwas weniger geschärften Sinnen sehr lange ausreichend vorhanden.


Luft statt Licht: Die Nebelscheinwerfer werden dem Luftbedarf geopfert.

Man muss schon fast froh sein, dass das BMW 1er M Coupé mit einem Basispreis von 74'300 Franken für viele Speedfreaks ausser Reichweite sein dürfte. Unser Testwagen schlägt mit 85'110 CHF zu Buche. Wer den Gasfuss einigermassen im Griff hat, kann den Zweitürer mit einem Verbrauch von 10,6 Liter bewegen. Alleine der Umstand, dass BMW sich noch solche Krawallmacher traut, erfreut mich als Autofan. Ebenfalls ziemlich cool: Dieses Auto gibt es nicht in Grau, Silber oder Anthrazit. Natürlich gibt es noch einige Verbesserungsmöglichkeiten: Den Sound des Reihensechsers dürfte man auch im Innern etwas purer wahrnehmen. Das Ansprechverhalten bei niedrigen Tourenzahlen erinnert etwas zu sehr an alte Turboloch-Tage. Und: Ein nächster 1er M dürfte etwas früher im Modellzyklus auftauchen. Daneben ist der Testwagen einfach nur ein Spassmacher, der BMWs einstiges Credo zu 100% verinnerlicht zu haben scheint: aus Freude am Fahren.

Das Ende der Testtage mit dem BMW 1M kommt schneller als mir lieb ist. Gerne hätte ich den orangen Flitzer behalten. Gleichzeitig ist mir klar: Meiner Gesundheit wäre das Coupé ganz bestimmt nicht zuträglich. Dafür steht es um jene der M-Sparte weitaus besser, als ich es vermutet hätte.