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zuendung

3. August 2005

Nicht schön, aber schön schnell

Ducati | 0 Kommentare

Wir wollen Pierre Terblanche mal nicht zu tief beleidigen, aber eine Supersportlerin zu designen ist scheinbar etwas ganz anderes, als ein tourenfähiges Motorrad zu entwerfen. Die Multistrada, sein erstes Werk für Ducati, polarisierte bereits stark. Aber als dann das absolute Aushängeschild 916 (bzw. 996 und 998) vom südafrikanischen Designemporkömmling zur 999 "verhunzt" wurde, schrie die […]

Wir wollen Pierre Terblanche mal nicht zu tief beleidigen, aber eine Supersportlerin zu designen ist scheinbar etwas ganz anderes, als ein tourenfähiges Motorrad zu entwerfen. Die Multistrada, sein erstes Werk für Ducati, polarisierte bereits stark. Aber als dann das absolute Aushängeschild 916 (bzw. 996 und 998) vom südafrikanischen Designemporkömmling zur 999 "verhunzt" wurde, schrie die Fangemeinschaft laut auf. Und wenn man sich die kleine Schwester der 999, die 749 anschaut hat man irgendwie Verständnis. Die unvergessenen Linien von Meister Massimo Tamburini's 916 im Gedächtnis, fällt es schwer, die neue als echte Ducati zu aktzeptieren. Zwei übereinander statt nebeneinander angeordnete Scheinwerfer wirken zu futuristisch und modisch. Die Auspuffanlage und die darunter angeordnete Heckleuchteneinheit kommen als optischer Klotz daher. Die Blinker vorne leuchten in spiesserhaften orange riesig aus den Rückspiegeln. Seitlich ist die 749 wie von einem Rasiermesser zerfurcht.

Genug der Äusserlichkeiten. Ein kurzer Druck auf den Starterknopf lässt den typischen Ducati-V2-Sound erklingen. Natürlich kann er nicht ganz so, wie er möchte, eine Auspuffanlage aus dem Zubehörhandel würde hier bestimmt helfen. Gleichzeitig müsste auch das bereits erwähnte hässliche, klobige Rücklicht gewechselt werden. Sitze ich aber erst einmal auf der mattschwarzen Italienerin, so sehe ich eh nicht mehr viel, ausser den schnell näher kommenden Horizont. Zuerst quäle ich mich aber mit der harten Kupplung durch den suburbanen Ampeldschungel. Grosser Wendekreis, hakeliges Getriebe und Racing-Sitzposition würzen die Stadtfahrt zu einem sehr unappetitlichen Gericht. Nach kurzer Zeit in langsamer Fahrt beginnen die Handgelenke zu schmerzen, die Autos sind in den viel zu kleinen Rückspiegeln kaum zu sehen, die angriffige Kupplung ist ebenfalls kein Komfortfeature. Also möglichst fix auf die Landstrasse.

Hier entfaltet die 749 ihr ganzes Können. Locker flockig lenkt sie in Kurven ein, flink beschleunigt sie wieder heraus. Mich beeindruckt dabei der überaus gleichmässige, nicht abreissende Schub. Sowohl in tiefen Ducati-Bass-Regionen als auch bei 10'000 Umdrehungen fühlt sie sich sehr kräftig an, obwohl sie "nur" 108 PS hat. Ich komme mir auf Geraden wie am Gummiband gezogen vor. Durch diese spektakulär unspektakuläre Weise der Kraftentfaltung braucht es schon den ganzen Kerl in Dir, regelmässig bis zum Anschlag am Gashahn zu drehen.

Auch ungeübte Motorradlenker können mit der 749 schnell unterwegs sein. Die teuflisch zupackenden Brembos sind aber die einzigen Rettungsanker in der Not. ABS gibt's nicht gegen Aufpreis und gute Worte. Die Sicherheit bleibt einmal mehr Sache der Fahrerbekleidung. Also sollten doch besser nur echte Könner auf der Italienerin Platz nehmen. Dank einem nicht ganz günstigen Preis von mindestens CHF 18'490.- kann sich sowieso nicht jeder Neulenker die mattschwarze Versuchung in die Garage stellen.

Ganz klar, die italienische Diva ist eine Rennmaschine für die Strasse. Deshalb empfiehlt sie sich nur sehr beschränkt für die Ausfahrt zu zweit. Viel besser ist sie für die frühsonntägliche Fahrt alleine über die Pässe geeignet. Dort passt auch ihr aggressiv ausgelegtes Getriebe um die 911er auf Trab zu halten. Und wenn man will, macht man den Zuffenhausener zum winzig kleinen Pünktchen in den kreditkartengrossen Spiegelgläserchen. Ganz klar: Auch die 749 ist eine echte Ducati und bei diesen Tempi und diesem Kurvenfeeling ist dann auch die Optik nicht mehr so wichtig.