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amadefries

3. November 2019

Orange Fury

Ford | 0 Kommentare

Orange Fury. Ok, Namensgebung haben sie bei Ford drauf. Nicht, dass sich heute noch irgendwer wirklich an die Pferdeserie erinnern könnte, aber klingen tut es schon mal gut. Knallorange steht er da: Der aktuelle Mustang mit dem neuen 10-Gang-Automatikgetriebe. Richtig gelesen, zehn Fahrstufen hat die Wandlermaschine drauf. Bei einem Handschalter würde die entsprechende Kulisse wohl […]

Orange Fury. Ok, Namensgebung haben sie bei Ford drauf. Nicht, dass sich heute noch irgendwer wirklich an die Pferdeserie erinnern könnte, aber klingen tut es schon mal gut. Knallorange steht er da: Der aktuelle Mustang mit dem neuen 10-Gang-Automatikgetriebe. Richtig gelesen, zehn Fahrstufen hat die Wandlermaschine drauf. Bei einem Handschalter würde die entsprechende Kulisse wohl den Beifahrerplatz einnehmen, aber wie gesagt: alles automatisch.

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Wie auch der Zugang mit dem heute üblichen Keylessprozedere. Danach den Startknopf drücken und einfach mal lauschen. Wie lange dürfen wir die V8-Symphonie wohl noch kaufen? Nein, mit solchen allzu dramatischen Fragen wollen wir uns gar nicht erst plagen. Denn jeder, der ernsthaft die Anschaffung eines solchen Rennpferds in Betracht zieht, dürfte sich dessen bewusst sein, dass er gelinde gesagt nicht ganz dem Zeitgeist entspricht. So ganz fremd ist aber auch dem Mustang ein gewisses Mass an Anstand nicht: Im Menü findet sich der Punkt „Leiser Start“. Empfindliche Nachbarn werden auch in diesem Modus noch aus dem Schlaf geschreckt, so richtig leise kann der Fünfliter nicht.

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Fünf Liter Hubraum, acht Zylinder, 440 PS – das sind die Zahlen, aus denen früher Träume waren. Mein erster Ausritt führt mich dorthin, wo das Gestern lebt, wo die Nacht wichtiger ist als der Tag und wo manch abschätziger Onlinekommentierer den Mustang am ehesten sieht: In Zürichs Kreis Cheib. Die Autobahnetappe bringt der US-Sportler locker flockig hinter sich. Tonnenweise Drehmoment und ein moderner Abstandstempomat ermöglichen Cruising in Reinkultur. Da bleibt mir sogar noch ein bisschen Zeit, die Farbe der Innenbeleuchtung von Rot auf Hellblau umzustellen, weil es besser mit dem orangen Äusseren harmoniert.

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Kaum angekommen, darf ich den nicht gerade superübersichtlichen Ami in eine knapp genügend grosse Parklücke manövrieren. Das hat man schon eleganter gesehen. Aber immerhin gibt es kein Video davon. Jedenfalls hat der Parkvorgang schon eine gewisse Bewunderung provoziert. Von schräg gegenüber winkt mir eine blonde Dame vor einer Bar sitzend zu. Im Wissen, dass dies ein Verkaufsgespräch werden könnte gehe ich zu ihr rüber: „Sehr schönes Auto, sehr sehr schön“ meint sie, mit einem rollenden R. Ich stimme ihr zu, verrate aber auch direkt, dass es leider nicht meins sei. Auf ihren etwas mitleidigen Blick folgt, was folgen musste „was machst Du hier?“. Ich habe leider schon zum Nachtessen abgemacht, sorry.

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In Zürichs Nachtleben punktet man mit dem orangen Coupé also locker. Doch wie schaut es nun mit der Automatik aus? Gar nicht mal sooo gut. Leider. Sicher, im Feierabendverkehr bin ich durchaus froh, keine knüppelharte Kupplung treten zu müssen. Aber dann hat es sich im Prinzip schon mit den Vorteilen. Es passiert nicht selten, dass sich der 10-Gänger in all seinen Zahnrädchen zu verirren scheint. Häufiges unomotiviert scheinendes Schalten ist das Resultat. Dazu kommt, dass die Gänge nicht fein „verschliffen“ sind, Schaltrucke bleiben deutlich spürbar. Klar kann man hier das Argument der Sportlichkeit bringen, Lamborghini setzt beim Aventador gerade wegen der spürbaren Kicks auf ein automatisiertes Schaltgetriebe. Hier fühlt es sich irgendwie falsch an. Zudem fehlt ein Eco-Modus, der Segeln ermöglichen würde. Immerhin: Auf KickDown geht die Fuhre vorwärts als gäbe es kein morgen. So muss das sein in einem Muscle Car.

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Weitere Kritik gibt es leider für die Bedienung. Im Prinzip gibt es drei Ebenen: Knöpfe auf der Mittelkonsole, den darüberliegenden Screen und ein Display im Tachobereich, das über Lenkradtasten bedient wird. Das Problem dabei ist, dass man nie wirklich weiss, wo sich welche Funktion einstellen lässt. Sportmodus? Knopf drücken. Auspuff auf laut? Menü via Lenkradknopf. Ambientelichtfarbe ändern? Ebenfalls via Lenkradknopf.

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Aber was interessiert das die Mustang-Kundschaft? Richtig, genau gar nicht. Denn die will primär fahren. Und das macht auch die aktuelle Version in typischer Manier. Solange die Strasse gerade ist, kennt er nur wenige Konkurrenten. Und auch Kurven kann er, das Rollen hält sich in Grenzen, die grosse Freude kommt aber zugegebenermassen erst wieder mit dem Herausbeschleunigen. Wie schon angetönt hat er das grosse Drama in Sachen Sound weiterhin drauf. Der V8 dreht bis in fast wahnwitzige Sphären hinauf, erst bei 7300 Revs ist schluss. Im manuellen Modus läuft er sogar in den Begrenzer.

Im angestammten Mustang-Gebiet bleibt also ebenso alles beim alten wie an der Zürcher Langstrasse. Für 62’000 Franken steht der Automatik-Zweitürer in der Preisliste. Gewohnt günstig. Auch die 11,3 Liter Verbrauch im Test passen ins Bild. Nicht wirklich im grünen Bereich, eher im orangen. Fury Orange, halt.