zuendung

5. Dezember 2005

Platz für sechs

BMW | 0 Kommentare

"An dieses Auto könnte ich mich gewöhnen" gibt einer der beiden Testfahrer auf dem ersten Testkilometer von sich. "Was, Du und BMW!?" raunt die Beifahrerseite. Aber ja doch. Die Sitze liegen perfekt an, die Lenkung tut was befohlen, Bewegliches bewegt sich genauso schwergängig, dass der ambitionierte Fahrer sich daheim fühlt und seinem Schatzi berichten kann: […]

"An dieses Auto könnte ich mich gewöhnen" gibt einer der beiden Testfahrer auf dem ersten Testkilometer von sich. "Was, Du und BMW!?" raunt die Beifahrerseite. Aber ja doch. Die Sitze liegen perfekt an, die Lenkung tut was befohlen, Bewegliches bewegt sich genauso schwergängig, dass der ambitionierte Fahrer sich daheim fühlt und seinem Schatzi berichten kann: "Weisst Du, das ist eben noch ein richtiges Männerauto." Das finden wir auch und wünschen uns den Feierabendverkehr weg, um bald die Freude mit dem Fahren zu verbinden.

Im Stehen kommt Vorfreude auf, der Dreiliter-Sechszylinder grollt in der beruhigenden "vertrau mir"-Tonlage einer grossen Maschine. Im Stehen bleibt auch Zeit, all die Knöpfe durchzuspielen, wobei der wichtigste unübersehbar mittig angeordnet ist. Darauf steht "DSC", was auf gut Deutsch heisst: "Tu das, was Die frontgetriebenen Spezien nicht Cönnen!"
Kleines Auto und grosser Sechszylinder sind seit dem Alfa 147 GTA zwar unlängst vereinbar, puffen den Dampf aber an die falsche Achse. Im 130i wärmen 265 PS allein die hinteren Räder, so wie es sich für Männerautos gehört. Auf dem Weg zum komplett eigenmächtigen Fahrvergnügen steht aber noch DTC an. BMW hat dieses dreibuchstabige Kürzel für "halbausgeschaltetes DSC" erfunden.

Doch vor uns öffnet sich bald eine kurvenreiche Bergetappe. Also DSC ganz weg und PS her. Der Einser gehorcht schneller als ein Polizeihund und beisst bei jeder Drehzahl und in jedem der sechs Gänge gierig zu. Untenrum mit grossvolumiger, tiefer Stimme, obenrum akustisch leider etwas heiser. Es kommen aber nie Zweifel auf, dass vorne längs sechs Richtige ihre Pflicht tun. Die Kraft der drei Liter entfaltet sich harmonisch, und das Kompaktauto lässt sich flott in die Kehren schmeissen. Dabei reisst weder hinten noch vorne die Haftung ab, der Wagen bleibt lange neutral – und mit DSC aus kann es schon mal zum kecken Heckschwenk kommen. Nur muss letzterer wegen fehlendem Sperrdifferential fast gewalttätig provoziert werden.

Man(n) will ja nicht immer quer fahren. Ab und zu geht's vielleicht mal weiter auf die Autobahn, ja sogar in den Urlaub. Auch da macht der kurze Bayer Spass. Das Navi lässt sich per iDrive bestens bedienen und auch sonst ist der Beifahrer durch das intuitiv bedienbare Elekronikwunderwerk stets bestens abgelenkt. So kann man beispielsweise die genaue Luftverteilung einstellen oder den Sound der Stereoanlage auf das individuelle Gehör anpassen. Gut so, dann sieht er vielleicht den Durchschnittsverbrauch im Tachodisplay nicht: 13,5 Liter, wenn man so richtig Spass an der Freude am Fahren hat. Weniger Freude haben die Beifahrer am winzigen Handschuhfach (verdient knapp seinen Namen) und an den auch sonst sehr spärlichen Ablagemöglichkeiten.

Auch hinter den Vordersitzen, also da wo eigentlich die Hinterbänkler platz nehmen sollten, geht es reichlich eng zu. Den 1er nutzt man besser nur zu zweit, dann braucht man sich auch nicht über den kleinen Kofferraum aufzuregen. Besser zu viert teilt man sich den Preis. Über 60'000 Franken (49'900 Grundpreis) sind mit dem 130i auch ohne Leder problemlos möglich. Unser Testexemplar schlug mit 63'800 CHF zu Buche. Viel Geld für einen Kompakten. Nein, ein Vernunftkauf ist der Dreiliter-Einser wohl nur in den allerseltensten Fällen. Vernunft lässt der schnellste kleine BMW nur aussen walten. Nichts – ausser Doppelrohrer und Schriftzug – weist auf die Potenz unter der ellenlangen Haube hin. Die Erstbesitzer werden diese Zurückhaltung wohl sehr schätzen, in ein paar Jahren dürfte ein solch original schlichter Bigblock-Einser aber schon bald Sammlerstatus geniessen.

Toll finden die Testpiloten, dass der Leerraum beim ursprünglich vierzylindrigen Einser mit zwei weiteren Töpfen sinnvoll genutzt werden konnte. Das Einserfahrwerk verdient den Extraliter Kraftbrühe und zeigt, wie a waschechter Münchner z'sein hat: Sechs Richtige ghörn unter dHaubn!
Beim Zurückschalten mit Zwischengas braucht der rechte Fuss energisch aufs Pedal zu treten, die Dreilitermaschine dreht nur gemächlich hoch, mit etwa der Verzögerung eines Lachers bei verpasster Pointe. "Schade", nörgeln die Tester, freuen sich aber auf MMMMehr – an einen M Eins, 3,4 Liter, 340 PS, schnell ansprechenden Einzeldrosselklappen und einem Sperrdiff könnten sie sich eher gewöhnen. Mit diesen Worten und der dreifachen (beim Wegfahren 12km, nachher 36!) Kilometerleistung geben sie den Testwagen bei der freundlichen Emil Frey Vertretung in Winterthur zurück – und möchten sich an dieser Stelle erneut für den Ausritt bedanken.