Seite wählen

zuendung

15. März 2005

Von der grauen Maus zur agilen Katze?

Porsche | 0 Kommentare

Einen Käfer mit 260km/h fliegen lassen? Ja, es geht. Nur hiess der Käfer unter Porscheflagge zuerst 356, dann 911. Und so heisst er auch noch heute. "Chef, ich nehm heute den Porsche, gell?" Überraschenderweise hielt ich einen Atemzug später den Schlüssel mit dem Stuttgarter Stadtwappen drauf in der Hand. Na dann, auf zum Luftheuler. Der […]

Einen Käfer mit 260km/h fliegen lassen? Ja, es geht. Nur hiess der Käfer unter Porscheflagge zuerst 356, dann 911. Und so heisst er auch noch heute.

"Chef, ich nehm heute den Porsche, gell?" Überraschenderweise hielt ich einen Atemzug später den Schlüssel mit dem Stuttgarter Stadtwappen drauf in der Hand. Na dann, auf zum Luftheuler. Der schwarze 911 Carrera 2 von 1992 ist mit beigen Leder ausgestattet. Eigentlich ganz ansehnlich, trägt er doch nicht wie seine fetten Geschwister und Kinder die hässlichen Kotflügelverbreiterungen.
Klack, die Tür öffnet sich wie die eines Passats.
Der Schlüssel lässt sich bequem schon vor dem Einsteigen einstecken, das Zündschloss ist links am Armaturenbrett eingebaut. Trotz eins neunzig falte ich mich mühelos in den 911, Typ 964. Die drei Ziffern verrät: Der 911 kühlt seinen Hintern mit Luft. 996 und 997 pumpen bereits Wasser durch den Kühler. Der grosse Vorteil: Wo Luft bewegt wird, entsteht Geräusch. Nach einem kurzen Schlüsseldreh so auch hier – der Sechszylinder-Boxer grollt bereits vielversprechend im Leerlauf. Schön!

Gewöhnungsbedürftig sind die stehenden Pedale. Sie vermitteln aber sehr viel Gefühl für Kupplung, Gas und Bremse, da sie die knickende Fussbewegung exakt aufnehmen.
Gesagt, getan. Das Coupé zeigt sich beim ausparken recht handlich und übersichtlich. Der Innenraum riecht deutsch, wie ein Audi Quattro oder neuerdings auch ein Lamborghini Gallardo.
Auf den ersten paar Metern wächst dann das Vertrauen. Die Sitze sind hart, schmiegen sich aber exakt an den Körper. Das Lenkrad steht weit oben, der Schalthebel auf Kniehöhe. Ergonomisch perfekt. So kann man gar nicht anders als sich zu konzentrieren. Leger wie in einem Alfa Spider kann man im 911 nicht sitzen. Das geht nicht, ein Porsche ist nicht zum Spass gebaut worden.

Der 911 sagt: Du bist Walter Röhrl. Du musst Dich auf den Sieg konzentrieren. Du willst gewinnen – Stopp, ich will nicht! Ich will ja nur ein paar Kleinteile zum Lackierer bringen, und nicht Rallye fahren.
Der 911 bleibt aber streng und befiehlt weiter: Die Öltemperatur ist noch nicht angestiegen, Übergas geben verboten! Gut mein lieber 911, ich warte.
Nach einigen Kilometern auf der Autobahn präzisiert sich die Temperaturanzeige: Los! Die 3.6 Liter Hubraum machen schon bei niedrigen Touren Druck. Im fünften Gang rollt es sich mit bescheidenem Leistungseinsatz daher. Der Anblick der Armaturentafel holt einen aber zurück ins Rennen: Konzentrier Dich! Das Armaturenbrett gleicht plötzlich einem Reissbrett, das Lenkrad einem Schreibtisch, die Frontscheibe dem Bürofenster. Sind wir hier in der nüchternen Forschungsabteilung von Dr. Ferdinand Porsche?

Irgendwie kommt nicht richtig Stimmung auf. Es ist als ob gleich Ferry Porsch vom Beifahrersitz befehlen würde: Zeichnen Sie sofort einen Rennwagen, der uns zum Sieg führt!
Da vor mir sowieso grad ein Sattelschlepper bremst, scheint die Gelegenheit gekommen: Zwischengas, zurückschalten in den dritten Gang und hopp! Ab 4000 Umdrehungen bläst der Luftheuler richtig los, innert kürzester Zeit liegt Eilzugtempo an. Und der Sattelschlepper? Irgendwo knapp noch im Spiegel erkennbar…

Also doch, wenn es sein muss, schieben die 250 PS mächtig an. Schnell liegen *km/h an (Achtung, die wahren Angaben könnten den Fahrzeugbesitzer verärgern). Die wahren Qualitäten zeigt der zweiradgetriebene Schwabe aber erst auf der Landstrasse. Souverän (oder in Porsche-Deutsch: überlegen) lässt sich die Strasse in millimetergenaue Streifen schneiden. Die Lenkung meldet jeden Kieselstein und das Fahrwerk ist zwar straff, aber nicht hart. Genau richtig für den sportlichen Ausflug.
Zum Tanzen ist der 911 jedoch nicht aufgelegt. Insbesondere der hinten liegende Motor macht ihn zum tückischen Kurvengänger. Gierig lenkt er ein, straft aber beim Gaswegnehmen mit schlagartigem Übersteuern.
Seine Stärke ist die Genauigkeit, die Konzentration auf das Wesentliche: Gewinnen!
Der 911 ist schnell, gierig und sieht eigentlich auch gar nicht schlecht aus. Aber mir ist klar: 911=Käfer. Und Käfer mochte ich noch nie. Als Alfafahrer bleibt jedoch der Trost, dass auch der 911 Windgeräusche kennt und seine Armaturentafel knarzen lässt…
Trotzdem: Merci Chef!