Koreanische Autos haben unlängst die Herzen vieler Schweizer erobert. Oder eher die Portemonnaies? Bei so wenig Preis fragt es sich, wieviel Auto dafür rausspringt. Unser Testobjekt: Ein Ssang Yong Rexton RX 270 Xdi Automatik, wie er sich im Alpenland äusserst ring verkauft. Für knapp 50’000 Franken füllt sich die Garageneinfahrt mit einem 4,72 Meter langen, stattlichen Allradler. Dabei ist ähm, alles was die anderen auch haben. ESP, Leder, Automatik für alles, 3 Jahre Garantie usw. Stopp! Da steht doch noch was: Eine Metallic-Lackierung will mit 590 Franken extra vergütet sein. Naja, wenns nur das is. Es soll ja Hersteller geben, bei denen es zwar auch alles gibt, einfach gegen Aufpreis (sogar eine vordere Armlehne oder einzeln umklappbare Rücksitzlehnen…)
Eine vernünftige Sitzposition ist schnell gefunden. Selbstverständlich elektrisch einstellbar und beheizbar. Der Dreh am Zündschlüssel weckt alte Bekannte. Vorne längs arbeitet ein 2,7-Liter Fünfzylinder, der in Mercedes-Lizenz produziert wird. Hallo Sprinter! Ein Zehentipp aufs Gaspedal lässt den Diesel zurückgrüssen – in rauher und lauter Truckersprache. Klack, der Automatikwählhebel ruckelt durch die billige Plastikkulisse und rastet in D ein. Fünf Gänge sortiert die automatische Mercedes-Box, die ebenfalls in Lizenz hergestellt wird. Ein Eingriff ins Schaltkonzept ist möglich, ganz nach Stuttgarter Manier lässt der Schalthebel die Gänge mit + und – einzeln anwählen. Aber auch das hilft nicht. Doch dazu später.
Nach einer Anfahrschwäche geht die Post zügig ab, jedoch lässt der 340 Newtonmeter starke Schub schon bald nach, und man glaubt ein ganzes Briefzentrum mitzuziehen. Ganz so schlimm ist es jedoch nicht, sind doch immerhin 165 Dieselrösser im Dienste der koreanischen Post. Sie senden die 2120kg Leergewicht zwar nicht A-Post, leisten aber treuen Dienst (0-100km/h 13,4s) und drücken den Ssang Yong auf 170km/h. Wer an einer Kreuzung steht und gerade noch husch vor herannahenden Fahrzeugen wegdüsen möchte, muss sich zuerst an die träge Automatik gewöhnen. Ein Tritt aufs Pedal scheint zuerst den ganzen Dienstweg der koreanischen Postbehörden einzuhalten, ehe die Sprintermuskeln auf die vier Räder loswetzen. Der Allradantrieb funktioniert übrigens permanent und läuft tadellos. Und sowieso, wenden wir das Blatt wieder zum Guten, meckern kann schliesslich jeder. Nur noch eines: Das Automatikgetriebe schaltet zwar äusserst sanft, aber auch äusserst träge. Beim Sprinten hilft die manuelle Gangwahl wenig. Sport ist wohl nicht sein Ding.
Dem Äussern lässt sich einiges abgewinnen, schliesslich zeichnet Giugiaro aus Turin dafür verantwortlich. Etwas ML-Klasse schielt bei genauerem Hinsehen hervor, ansonsten steht der Koraner charakterstark auf seinen Rädern. Innen sind keine Rätsel zu erwarten. Die grossen Tasten sind klar angeordnet und die Klimaautomatik informiert in deutscher Sprache. Überraschend ist, wie sanft der Rexton selbst über schlechteste Strassen gleitet. Polter- oder Knirschgeräusche sind dabei keine zu vernehmen. Kompliment! Erst bei höheren Geschwindgkeiten melden sich Windgeräusche an den Türen. Sanft und grosszügig gibt sich auch die Lenkung. Sie arbeitet präzise und dirigiert den Geländewagen mit Leichtigkeit, auch wenn sie für sportliche Geister und Antikurbler etwas zu klein übersetzt sein dürfte.
Fazit: Wer mit Mercedes und Co. gross geworden ist, wird mit der Ssang-Erscheinung seine liebe Mühe haben. Für alle diejenigen, die einen preiswerten Geländewagen suchen, einen vernünftigen Preis dafür bezahlen möchten und sich nicht am Lieferwagensound stören, zieren die koreanischen Flügel die Motorhaube hübscher als ein Stern.