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zuendung

3. November 2009

Rausch auf Zeit

BMW | 0 Kommentare

Als ich in Dielsdorf aus meinem Wagen steige, weht eine steife Brise und es schiesst mir durch den Kopf: "Welcher Depp reserviert sich ausgerechnet zum temperaturmässigen Winterbeginn ein Cabrio?". Passt ja bestens, dass der Z4 einen Lack trägt, der ihn in Skigebieten zum Winter-Stealthbomber werden liesse. Das Klappdach ist ja nicht einfach nur Dekoration, fahren […]

Als ich in Dielsdorf aus meinem Wagen steige, weht eine steife Brise und es schiesst mir durch den Kopf: "Welcher Depp reserviert sich ausgerechnet zum temperaturmässigen Winterbeginn ein Cabrio?". Passt ja bestens, dass der Z4 einen Lack trägt, der ihn in Skigebieten zum Winter-Stealthbomber werden liesse. Das Klappdach ist ja nicht einfach nur Dekoration, fahren kann man damit auch. Der wieder nur mit 6 Zylinder Aggregaten erhältliche Bayer ist dann auch einer der wenigen Vertreter seiner Zunft, der auch mit geschlossener Haube so richtig gut ausschaut. Doch schon nach 5 Kilometern sind mir Kälte und Wind egal: Der Z4 ist ein Roadster, und Roadster fährt man offen. Also die Sitzheizung auf die höchste Stufe und den Temperaturregler auf 26° C gestellt, den Kragen in die Höhe und das pure Feeling des offenen Fahrens kann Einzug halten.

Tatsächlich ist es praktisch so, als würde man ein anderes Auto fahren. Auf einmal nimmt man den wunderbaren Sound des Reihensechsers wahr. Gerüche dringen ungehindert in den Innenraum, was nicht nur Vorteile hat. Die malerische Herbstlandschaft kann ihre ganze Wirkung entfalten, gekrönt von einem Alpenpanorama, das auch absolut kitschresistente Zeitgenossen zu einem kurzen Innehalten veranlasst. Dass dazu noch Herbert Grönemeyers Song "Letzte Version" aus den Boxen schallt, passt schon fast zu gut.


Doppeltes Alpinweiss: Einmal am Z4 und einmal als Schäumchen auf der Rigi

Die Aussentemperaturanzeige erinnert mich an die winterlichen Bedingungen: 5° C. Doch der geneigte BMW-Pilot interessiert sich sowieso mehr für die Temperatur des Sahneaggregats unter der Haube. Der Prospekt lügt nicht wenn er sagt, der Reihensechser sei der schönste Grund, offen zu fahren. Tatsächlich hat auch die getestete Basisversion sDrive23i (BMW-Sprech für 2,5 Liter Hubraum) den von Fans vergötterten Klang zu bieten. Seine 204 PS reichen kaum für spektakuläre Drifts oder schwarze Streifen beim Ampelstart. Für die souveräne Art der Fortbewegung sind sie aber jederzeit ausreichend. Schon das herrliche "Plopp" beim Gaswegnehmen könnte mich zum Abhängigen machen. Und dann dieser praktisch vibrationsfreihe Lauf, das sämige Hochdrehen aus jedem Drehzahlbereich, begleitet von einer wunderbar linearen Leistungsentfaltung. Ja, das ist die hohe Kunst des Motorenbaus.


Show: Noch immer ist so ein elektrisches Klappdach eine faszinierende Angelegenheit

Ebenfalls schon fast in den Kunstbereich gehören die fantastischen Ledersitze mit elektrisch verstellbaren Seitenwangen. Für das beste Roadster-Feeling empfehle ich die unterste Raste der Sitzhöhenverstellung. Der Blick nach vorne mit der nicht zu überschauenden endlos langen Motorhaube erinnert mich fast an eine Fahrt mit einem Austin-Healey. Natürlich würden mich Puristen für diesen Vergleich lynchen. Tatsache ist, dass es keinen echten englischen Roadster à la Jaguar XK oder Austin-Healey 3000 mehr gibt. Der Z4 dagegen ist lebendiger denn je. Noch einmal fühle ich mich ein wenig an England erinnert, dieses Mal aber negativ: Die Haptik der Armaturenbrettabdeckung ist eines BMW nicht würdig. Was nach Alu ausschaut, ist in Wirklichkeit Plastik wie es für asiatische Fernsehgeräte billiger Machart verwendet wird. Das krasse Gegenteil dazu stellen die wunderbaren Bedienelemente für die Klimaanlage dar. Wie aus dem Vollen geschnitzt und für bequeme Benutzung mit Gummistreifen besetzt, erinnern sie an die Mittelkonsole des seligen BMW Z8.


Z4: Der Schriftzug klebt recht verloren am kurvigen Heck – der Kostenlose Entfall der Buchstaben ist empfehlenswert

Ob er dem grossen Retroroadster auch fahrdynamisch ähnlich sieht, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls fährt sich der Z4 wie ein typischer BMW. Die Lenkung ist direkt und feinsinnig, das Fahrwerk sportlich, aber nicht überhart und die Bremsen verzögern erstklassig. Die Handschaltung regt ebenso zum Runterschlaten an, wie der Motorsound. Rein praktisch gesehen ist Offenfahren mit dem BMW Z4 übrigens nicht sonderlich sinnvoll, schrumpft doch die recht anständige Kapazität des Kofferraums von 310 auf knappe 180 Liter. Kommt dazu, dass Vor dem Öffnen des Dachs der Gepäckraumtrenner manuell in die richtige Stellung gebracht werden muss, damit der Entblätterungsakt vonstatten gehen kann. Auch dass man dafür das Fahrzeug zum Stillstand bringen muss, finde ich nicht mehr zeitgemäss. Gerade wenn man so mit 20 km/h auf eine Ampel zurollt, hätte man wunderbar Zeit für das Öffnungsprozedere.


Hell und Dunkel: Den fantastischen Bedienelementen steht ein billig wirkendes Pseudometallteil gegenüber

Und wenn wir schon bei der Kritik auf hohem Niveau sind: So ein Nackenföhn, wie ihn die Konkurrenz von Peugeot oder Mercedes hat, wäre auch noch nett. Andererseits habe ich, inzwischen mit wollener Kopfbedeckung ausgestattet, nie wirklich gefroren. Zudem scheinen die Fahrer der Konkurrenzprodukte die von Hardcore-Cabriofahrern gescholtene Entwicklung gar nicht zu nutzen. Auf den vielen, vielen wunderbaren Landstrassenkilometern mit dem BMW Z4 sDrive23i sah ich die verschiedensten Cabrios, doch alle mit geschlossener Haube. Die löbliche Ausnahme sei noch erwähnt: Der Fahrer eines MG F reckte ob unserer Oben-ohne-Begegnung enthusiastisch den Daumen. Diese Tendenz zum Geschlossenfahren erklärt auch BMWs Wechsel zum harten Dach. Wer nur selten offen unterwegs ist, schätzt das praktisch wartungsfreie, leise und auch sehr hübsche Verdeck und nimmt den Gewichtsnachteil ebenso in Kauf, wie das schrumpfende Gepäckabteil.


Sharknose: Die angriffige Frontpartie ist eine der vielen Schokoladenseiten des Z4

Käufer des Z4 müssen daneben auch noch ein teures Eintrittsticket zum Roadsterspass in Kauf nehmen: Unser Testfahrzeug schlägt mit 75'610 CHF zu Buche, wobei der Basispreis bei 59'900 Franken läge. Dabei wurde ausnahmslos sinnvolle Optionen wie das Navigationssystem, Parkdistanzkontrolle, die Sportsitze und natürlich das Leder angekreuzt. Somit ist klar, dass die allermeisten Z4 nicht unter 70'000.- verkauft werden. Immerhin sparen die Eigner dann an der Tanksäule: Im Test genehmigte sich der 2,5-Liter trotz teils rasanter Fahrweise mit 8,9 Liter nur 0,4 Liter mehr als der ECE-Drittelmix. Gerne hätte ich den bayrischen Roadster noch etwas behalten, scheint er doch auf sonderbare Weise das perfekte Winterauto zu sein. Doch wie sang Grönemeyer in eben jenem Song: "Jeder Rausch ist nur auf Zeit". Da ist was dran.