Noch nie hat ein Auto unter Kindern ein derartiges Echo ausgelöst. Die Wow-Rufe und Quietsch-Geräusche aus ihren Mündern sind so laut wie ihre Augen gross werden. Auch in Weiss erkennen sie sofort, dass Bumblebee vor ihnen steht. Der Star aus der Hollywoodreihe Transformers ist als mit Logo versehene Sonderversion ebenfalls käuflich, der Testwagen ist aber keiner. Doch den Kids ist das egal, ihre Däumchen zeigen nach oben.
Doch wie sieht es mit unseren ausgewachsenen Daumen aus? Kann der Camaro eine Alternative zu europäischen Coupés sein, oder gibt er weiterhin den Nischendarsteller, der ausser der US-Fanfraktion niemanden so richtig glücklich machen kann? Die Optik ist auf jeden Fall ein Volltreffer. Der Retrostil der Karosserie lehnt sich an die wunderbare Form des 1968er Chevrolet Camaro an. Insbesondere der Hüftschwung vor der Hinterachse und die Heckansicht zeigen historische Anleihen. An der Front findet man statt eines filigranen Chromstossstängelchen eine mächtige Schürze, die auch noch die Nebelscheinwerfer aufnimmt. Einen wirklich guten Platz für das Schweizer Kennzeichen gibt es trotz des satten Auftritts nicht. Ein erster Hinweis darauf, dass man den Macho gar nicht erst ausserhalb der Vereinigten Staaten verkaufen möchte?
Im Innenraum haben inzwischen selbst die Amerikaner gewisse Ansprüche. So kann sich kein Hersteller mehr die klassischen Plastikwüsten leisten, deren frühere gestalterische Trockenheit das Death Valley wie einen reissenden Fluss erscheinen liess. Bei aller Kostenkontrolle schafften es hier mächtige Instrumentenhöhlen ins Interieur. Dazu gibt es Leder am Armaturenträger, auf den Sitzen und am Schaltknüppel sowieso. Die seltsamen Klimaeinstellräder und das Lenkrad, das wir mit den Hebeln aus Opel-Modellen kennen, reissen einen aus dem american dream des Überflusses. Und die Zusatzinstrumente mittig unter der Klimabedieneinheit schaut dann schon ein bisschen nach Baumarktflair aus.
Aufmerksame Naturen mögen es bemerkt haben, das Wort "Schaltknüppel" kam vor. Ja, im Camaro darf man tatsächlich noch den Hebel in die Hand und das linke Pedal unter den Fuss nehmen. Wo gibt es das heute noch, V8 Power in Kombination mit einer Handschaltung? Es braucht dann auch eine gestärkte linke Wade, um den Neoklassiker überhaupt anständig losrollen zu lassen. Dass davor ein klassischer Schlüsseldreh nötig ist, kann nicht wirklich überraschen.
Unter der Haube, die in der Mitte markant angehoben ist, nimmt ein alter Bekannter den Dienst. Der legendäre Smallblock von Chevy kommt hier auf 6,2 Liter Hubraum. Noch immer gibt es nur eine zentrale Nockenwelle. Doch der Zweiventiler entwickelt durchaus ansprechende 432 PS und 570 Nm. Die Kompressorversion bringt es gar auf 588 PS. Doch wir haben es hier mit der vergleichsweise zivilen Saugervariante zu tun.
Aber was heisst schon zivil? In 5,2 Sekunden braust der Dampfhammer auf Tempo 100. Doch das will so richtig verdient sei: Nicht nur die Kupplung, auch die Schaltung benötigt eine entschlossene Kraft. Einfach quer durch die Gassen reissen ist nicht. Der Hebel will mit Gespür geführt werden. Mit einem herrlich mechanischen Klicken rasten die Fahrstufen ein. In den akustischen Genuss stimmt der sonore aber recht zurückhaltende V8-Sound ein. Anscheinend verzichtet man bei Chevrolet auf künstlichen Dezibelboost aus den Lautsprecherboxen. Der Camaro gehört halt der alten Schule an – nicht unsympathisch.
Darum erstaunt es auch nicht, dass trotz eingeschaltetem Schleuderschutz eine gewisse Instabilität mitfährt. Die 1850 kg können ganz schön nach aussen drängen, ohne aus dem Coupé dabei eine Driftmaschine à la GT86 zu machen. Ein Sperrdifferenzial ist übrigens serienmässig verbaut. Fegt man durch weitere Landstrassenkurven, passt die Abstimmung dann eher. Dort fallen auch die 1,9 Meter Breite nicht speziell ins Gewicht. Das massige Drehmoment treibt die Fuhre schwungvoll über den Asphalt. Trotzdem wäre mehr Agilität wünschenswert. Dafür müsste der Camaro wohl einige Monate im Fitnesscenter verbringen, was den Basispreis von unter 50'000 Franken sicher in die Höhe treiben würde.
Man muss sich das mal auf überlegen: 49'900 Swiss Bucks für einen V8 im Retrogewand, der ganz nebenbei über 400 PS auf die Strasse wuchtet. Wo gibt es das denn sonst noch? Auf der Aufpreisliste finden sich neben dem Schiebedach nur optische Aufbrezeloptionen à la Rallyestreifen und Chromfelgen. Neben Leder und Klimaautomatik ist also auch das HeadUp-Display serienmässig mit dabei. So richtig brauchen tut man die GM-Eigenheit aber nicht. Die klangstarke Soundanlage von Boston Acoustics ist ebenfalls immer an Bord, ein Navi fehlt aber. Nicht schlimm, kann man doch heute über den USB-Anschluss das Handy-GPS über die Bordlautsprecher ertönen lassen.
Schlussendlich sind es dann auch vor allem der Low-Budget-Preis und die Ami-Optik, die so richtig überzeugen. Was Gewicht, Aussenabmessungen und auch das Fahrerlebnis angeht, bewahrheiten sich leider die typischen US-Vorurteile: Er ist schwer, breit und mag Kurven nur als leichte Biegungen der Landstrasse. Der Testverbrauch liegt dafür sogar 2 Liter unter dem vom Hersteller angegebenen Normwert. Das liegt aber auch nur daran, dass jener bei steinzeitlichen 14 Liter liegt. Ganz bestimmt wird die Land-of-the-free-Fraktion aber weiterhin gerne zugreifen. Immerhin zur Freude der Kinder.