Seite wählen

zuendung

19. September 2007

Schüttel den Fahrer wach!

Fiat | 0 Kommentare

Erstaunlich wie nah dieses Auto die Worte Wachrütteln und halb Totschlagen zueinander steuert. Nicht aber die 100 Pferdestärken sind die Ursache, sondern das steinharte Fahrwerk. Am Bahnübergang setzt der kleine Panda sogar zum Sprung an – grosse Fahrer seien gewarnt, die Sitzhöhe ganz runter zu hebeln. Sonst schlägt der Kopf bei bei einigen Fahrmanövern an […]

Erstaunlich wie nah dieses Auto die Worte Wachrütteln und halb Totschlagen zueinander steuert. Nicht aber die 100 Pferdestärken sind die Ursache, sondern das steinharte Fahrwerk. Am Bahnübergang setzt der kleine Panda sogar zum Sprung an – grosse Fahrer seien gewarnt, die Sitzhöhe ganz runter zu hebeln. Sonst schlägt der Kopf bei bei einigen Fahrmanövern an den Dachhimmel. Unvorstellbar die Reaktion der Beifahrerin. Erfahrene BeifahrerInnen neigen Oberkörper und Kopf selbst bei Normalfahrt ein Stück von Dach und Lehne weg, um Schläge zu vermeiden. Den am Steuer kümmert’s kaum, ohne Prügelei auf die Karosse wär die Kiste nicht halb das, was sie vollstens ist: Riesengeil!

Der Teufel steckt in den kleinen Dingen: 3,5 Meter lang, 1,6 Meter breit, 100 freche Pferdestärken.

Sechs Gänge – welch Genuss. Ökofahren ist das Ziel jedoch nicht, bei 120km/h in der obersten Stufe dreht die Maschine mit 3’500U/min. Kurze Übersetzung, viel Gänge und ein Drehzahlbereich bis über 6’000U/min – da ist Runterschalten mit Zwischengas bei jeder Gelegenheit drin. Jeder Gang einzeln, bis zum ersten. Die Droge dazu: Drehfreudiger Motor und knackige Schalterei, perfekt im Armaturenbrett auf Lenkradhöhe eingepflanzt. Ist der Fahrer auf Trab, prescht der Panda in Lücken, überholt rechts, schlängelt um Fussgänger und schreckt alles auf, was sich auf Strasen eben tummelt. Roter Lack, verdunkelte Scheiben und Anbauteile blasen zum Angriff aufs Verkehrsgeschehen. Entsprechend verständnisleere Blicke erntet Fahrer X von Augen an Bushaltestellen, auf Fussgängerstreifen oder hinter Busfenstern.

Klebprofil: Die Pirellis an den vier Ecken stehlen jede Kurve.

Den Fahrer kümmert’s kaum, was ihn nicht stört ist erlaubt. Spass ab Schritttempo, mehr Spass kommt aber nicht nur mit mehr Tempo, sondern mit Hindernissen, Kurven und engsten Verhältnissen. Nur knapp 1,6 Meter Breite bevorteilen einen spätestens beim Einparken vor dem Einkaufszentrum zur Stosszeit: Den SUV-Mamas die Plätze wegschnappen ist ein Kinderspiel. Seitwärts einparken entpuppt sich als genauso leicht, 3,5 Meter Länge und der guten Übersicht sei Dank. Die Königszahl liegt mit 19'950 auf vertretbarer Ebene, zumal für den Frankenbetrag bereits Klima, elektrische Helferchen und weitere praktische Ideen mit an Bord sind. Als Option gibt’s ESP, Glasschiebedach, krasses Soundsystem mit Bluetooth und Navi. Die fetten 195er-Pirellis auf 15-Zoll-Alurädern sind ab Werk aufgezogen. Unerhört, wie die Dinger kleben.

Biss bis 7000 Umdrehungen: 1,4 Liter Hubraum, Alu rundum, vier Ventile pro Zylinder, DOHC, Sport, Sport, Sport.

Im Vergleich zur Normal-Panda-Version liegt der 100HP tiefer und scheint Kurven mit nach Hause nehmen zu wollen, derart fest krallt er sich in ihnen fest. Keck ist, wie der Kleine beim Gaswegnehmen in Kurven hinten wegrutscht – ein Glück, beim Testwagen fingert kein ESP ins Spiel. Was aber wären die Klebreifen ohne Vortrieb: Die Modellbezeichnung "Fiat Panda 100HP" haut zwar keinen vom Sitz, einhundert Pferde sind kaum mehr was sie einst waren. Die vier Kolben schöpfen aus 1368ccm genau 100PS bei 6000U/min. Laut Werk ziehen die Pferde den knapp über eine Tonne wiegenden Panda aber in beachtlichen 9,6 Sekunden von 0 auf 100km/h. Solche Werte sind sich heute bereits Lieferwagenpiloten gewohnt, im kleinen Panda jedoch wirken sie schnell. Klar, mehr Power könnte schon sein, nur wären dann die Vorderräder in Kurven überfordert. Ok, ein Sperrdiff brächte Abhilfe – vielleicht mal im Panda Abarth?

Innen macht mit: Sporsitze, Lederlenkrad, Spezial-Sportmodus für weniger Lenkunterstützung.

131Nm bei 4250U/min. Mit diesem Wert müssen sich die 100HP-FahrerInnen abfinden. Die Lösung heisst schalten, schalten, schalten – oder den Diesel vorziehen. Da gibt’s Bärendrehmoment. Dank motorradähnlicher Gangabstufung und kurzer Übersetzung ist die Drehmomentschwäche des 100HP-Panda jedoch ertragbar.
Im Innenraum glänzt nicht viel Neues. Einzig die Sportsitze stechen ins Auge. Ansonsten wie gewohnt ansprechende Materialien, gute Ergonomie usw. Ein Auto zum Reinsitzen und Loshämmern. Spass garantiert.

Kotzfest? Die Beifahrerin nach genau 2,1 gefahrenen Kilometern. 100HP-Tauglichkeit möglicher Copiloten vor dem Kauf unbedingt ausprobieren.

Fazit: Dürfen die 100Pferde nicht in der Grauzone des Strassenverkehrsgesetzes springen, lohnt das Gefährt kaum. Ein Erdgas- oder Dieselöl-Panda tut dann alles besser und erheitert genauso, einfach anders (Panda 4×4 Cross 1.3 JTD). Zudem sei nur G-Force-resistenten MitfahrerInnen empfohlen, sich ins rote Projektil zu setzen. Wer morgens aber Mühe hat aufzuwachen, braucht zum Lebendigwerden bloss im Halbschlaf den Schlüssel zu drehen, alles andere fügt sich: Wer fährt wird wachgerüttelt. Ein Auto also für Action-hungrige, für die, die sich austoben wollen – nicht nur beim Sprung aus dem Flugzeug, sondern auch im täglichen Stossverkehr. Ältere und wehleidige Menschen jedoch mögen das brettharte Expresspaket als unangenehmen Totschlag in Raten empfinden.

Vielen Dank an Frau Maier von der Fiat-Garage Maier in Winterthur Töss für den allerglättesten Ersatzwagen, der mir je anvertraut wurde.