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zuendung

28. März 2006

Spaß mit links

Porsche | 0 Kommentare

Es gibt Fehler, die macht man nur einmal. Zum Beispiel, einen Porsche mit der rechten Hand starten zu wollen. Bei mir lag dieser Fehler bereits gut drei Jahre zurück, als mir wieder ein Zündschlüssel mit dem Porsche-Wappen in die Finger kam. Dazwischen lag zwar keine Boxer-lose, aber eine Sechszylinder-Boxer-im-Heck-lose Zeit. Und nach dem ersten Dreh […]

Es gibt Fehler, die macht man nur einmal. Zum Beispiel, einen Porsche mit der rechten Hand starten zu wollen. Bei mir lag dieser Fehler bereits gut drei Jahre zurück, als mir wieder ein Zündschlüssel mit dem Porsche-Wappen in die Finger kam. Dazwischen lag zwar keine Boxer-lose, aber eine Sechszylinder-Boxer-im-Heck-lose Zeit. Und nach dem ersten Dreh am Schlüssel – mit links, versteht sich – frage ich mich dann doch, wie ich diese Zeit überstehen konnte.

Dieser heisere, notorische unruhige, aber dennoch gleichmäßige Leerlauf nach dem kurzen Anlasser-Kläffen wirkt wie ein Flaschengeist, der nach ein paar Fantastlliarden Jahren wieder herausgelassen wird und dir jeden Wunsch erfüllen will, solange er nicht wieder in die Pulle muss. Das Geile daran ist: Dieses Spiel wiederholt sich bei jedem Anlassen! Hatte ich eigentlich erwähnt, dass ich in einem speedgelben Carrera 4S sitze? Ein bisschen enttäuschend wirkt die in fadem grau gehaltene Instrumententafel schon. Zudem scheint das Interieur für einen Sportwagen schwäbischer Herkunft nicht sonderlich hochwertig ausgeführt. Hier fusselt der Teppich aus der Türverkleidung, dort speckt ein allzu billiges Plastik-Lenkrad-Hebelchen zwischen den Fingern.

Nach den ersten Metern wird jedoch schlagartig klar, wo die 92.865 Euro Grundpreis geblieben sind: Im Antriebsstrang. Dabei verlaufen die ersten Meter noch harmlos, zu groß ist der Respekt vor dem Dalai Lama aller Sportwagen, als ihn mit kaltem Öl in den Begrenzer jagen zu wollen. Bis die 10,3 Liter Schmierstoff sich geruhen, ihre Betriebstemperatur zu erreichen, bleibt also Zeit, um des Multifunktions-Bildschirms nebst drumherum drapierter Knöpfe Herr zu werden. Sobald dies geschehen, folgt die Erkenntnis, dass die Herrschaften von Bose auch in Zeiten von Boston Accoustics- oder Bang & Olufsen-Soundsystemen immer noch fantastische Klänge in ein Auto zaubern können. Weitaus fantastischer brüllt sich allerdings die 3,8-Liter-Jukebox im Heck in die Gehörgänge, wenn die Nadel des Drehzahlmessers die Regionen oberhalb von 4.000 Umdrehungen erobert. Das Radio hat inzwischen Pause, die digitale Tachoanzeige klackt Ziffern jenseits der 200 km/h ins Display, der analoge Tacho wird schon nicht mehr wahrgenommen. Der fünfte Gang fällt von selbst in die Gasse, hinter mir kreischt der Sechsender wie Angus Young nach der dritten Flasche Whisky, da fällt's mir schlagartig ein: Habe ich nicht vorhin irgendwo so ein unsägliches Winterreifen-Pickerl mit einem dezenten 240 km/h-Maximal-Geschindigkeits-Warnhinweis gesehen? Stimmt, außerhalb meines speedgelben Boxer-Käfigs liegt Schnee, und zwar reichlich, und reichlich kalt ist es auch.

Nun gut, in diesen Geschwindigkeits-Regionen wächst im Carrera 4S ohnehin rasch die Erkenntnis, dass es um die Qualität der deutschen Autobahnen nicht gut bestellt ist. Im staubtrockenen Sport-Setup scheint das PASM-Fahrwerk in Verbindung mit dem kurzen Radstand Bodenwellen geradezu in den Asphalt hineinzumodellieren. Also runter vom Highway, ab ins nächste Industriegebiet. In der sonntäglichen Lethargie meines Odenwälder Heimatstädtchens soll der 4S mit den wunderschönen dicken Backen zeigen, ob er als echter Rock n' Roller vielleicht auch den Schneewalzer beherrscht. Klar, mag man denken, hat ja schließlich Allrad-Antrieb. Doch von allen Rädern bekommen immer noch die hinteren, im Winter 245/40 breiten Reifen das meiste ab. Nach vorne gelangen maximal nur vierzig Prozent. Das reicht offenbar, um eine erstaunlich gute Traktion zu erzielen, selbst auf pulverigem Neuschnee, der gleichmäßig und gut 25 Zentimeter hoch den Parkplatz bedeckt.

Immer noch im Sport-Modus unterwegs, lassen sich flotte zweite Gang-Drifts provozieren und produzieren. Diesmal nicht mit links, sondern mit rechts, denn da sitz der Gasfuß. Meistens jedenfalls. Wo meine sieben Sinne inzwischen geblieben sind, weiß ich jedoch nicht. Munter kreisele ich über die Freifläche, mehr oder weniger souverän – meistens weniger -, lasse Angus plärren und manchmal auch die am Rande geparkten Sattelauflieger bedenklich nahe kommen. Wirklich freie Fläche gibt's eben auch in der Provinz nicht mehr. Genug gespielt. Auf dem Rückweg in die oberbayerische Wahlheimat erliege ich der Versuchung, dem Porsche einem wesensfremden Test zu unterziehen. Die 330 Kilometer will ich möglichst schnell bewältigen, was Sonntagabend kein Problem sein sollte. Allerdings wollte ich den dreiviertel vollen Tank erst wieder am Ammersee auffüllen – Dauervollgas, bis die Winterpneus Auflösungserscheinungen zeigen entfällt also. Die selbstauferlegte Maximalgeschwindigkeit pendelt sich unter Abgleichung mit dem Bordcomputer auf 200 km/h ein.

Als ich so über die Ostalb und an Ulm vorbeigondele, benimmt sich der Elfer wie ein klassischer GT, der am Vorabend vielleicht etwas viel Hochprozentiges hatte – es hoppelt und röhrt eben ein wenig mehr als in einem Zweitonnen-Coupé. Aber der Versuch glückt. Bleibt als Fazit, dass der Carrera 4S ein Sportwagen für alle Tage ist. Alle Prüfungen, die man im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte einem solchen Auto auferlegen kann, werden zuverlässig erledigt. Quasi mit links und fehlerfrei.