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amadefries

15. August 2022

Sympathische Wanderdüne

Renault | 0 Kommentare

Noch ganz selten habe ich auf einen Testwagen derart viele Reaktionen erhalten. Bekannte haben ihm schon den Preis des hässlichsten Auto gegeben, das ich je getestet habe. Dafür kamen Leute auch mich zu, mit denen ich noch nie über Autos gesprochen hatte, die richtig begeistert waren von ihm. Klar, als passionierte Velofahrer und Familienmenschen legen […]

Noch ganz selten habe ich auf einen Testwagen derart viele Reaktionen erhalten. Bekannte haben ihm schon den Preis des hässlichsten Auto gegeben, das ich je getestet habe. Dafür kamen Leute auch mich zu, mit denen ich noch nie über Autos gesprochen hatte, die richtig begeistert waren von ihm. Klar, als passionierte Velofahrer und Familienmenschen legen sie den Schwerpunkt auf die praktischen Seiten eines Fahrzeugs. Und wenn der neue Renault Kangoo etwas ist, dann praktisch.

 

Familienliebling: Schiebetüren kommen immer gut an.

Die seitlichen Türen sind bei Kindern und Eltern beliebt, weil sie in schmalen Parklücken problemloses Ein- und Aussteigen ermöglichen. Im Kangoo sind sie sogar mit elektrischen Fensterhebern ausgestattet. Überhaupt weht ein Hauch von Luxus durch die Hütte. Eine seitengetrennte Klimaautomatik ist ebenso an Bord, wie Sitzheizung vorne. Das Handy lässt sich induktiv laden, der Regensensor regelt die Wischintensität und vor Fahrzeugen im Toten Winkel wird optisch gewarnt. Verzicht schaut anders aus.

Breit: 1,96 Meter misst der neue Kangoo, trotzdem ist er übersichtlich

Verzichten muss man dafür auf Beschleunigung. Natürlich nicht gänzlich. Aber so wie ich mit dem Kangoo auf die Autobahn auffahre, so bewegt sich wohl auch die Dune du Pilat vom Meer in Richtung Inland. Einmal auf der Autobahn unterwegs, reicht die Kraft gut, um im Alltagsverkehr mitzuschwimmen. An Steigungen schaltet man vielleicht mal in den Fünften zurück, wenn man Lastwagen überholen möchte. Ansonsten reicht die Kraft aber schon.

Alles da: Der Arbeitsplatz ist aufgeräumt und funktional

Mehr als ausreichend vorhanden: Ablagen. Da könnten sich 99% aller Automodelle eine dicke Scheibe abschneiden. Neben umfangreichen Türtaschen, einem Fach zwischen den Sitzen und dem üblichen Handschuhfach gibt es noch zahlreiche andere Verstaumöglichkeiten. So zum Beispiel über Kopf ein grosses offenes Fach, ein kleines links neben dem Lenkrad und ein noch kleineres offen mit Gummimatte in der Mittelkonsole. Dann kann man neben der erwähnten Ladeschale für Smartphones auch noch seine Schlüssel deponieren, solange sie nicht auf dem Ladebereich liegen. Besonders elegant ist ein Fach, dessen Klappe aus dem Dach der Armaturen besteht. Daneben gibt es noch eine grosse offene Ablage unter der Frontscheibe. Jetzt gilt es nur noch, zu memorisieren, was man wo verstaut hat.

Orange: Langeweile ist für die Anderen.

In meiner Erinnerung hat sich eingebrannt, dass es den Kangoo auch ohne B-Säule gäbe. Könnte das der Grund dafür sein, dass die A-Säule ein bisschen gar kräftig ausgefallen ist? Ausserdem sind sie relativ weit aussen, weil der Kangoo mit 1,96 Meter ein richtig breites Auto geworden ist . Der ansonsten übersichtliche Kleinlaster verschluckt gerne mal einen Biker im Toten Winkel, also gut hinschauen.

Gut hinzuschauen lohnt auch bei den Assistenzsystemen. So ist der Spurhalter von der nervigen Sorte, greift immer mal wieder zur Unzeit ins Lenkrad, zieht den Kangoo manchmal sogar Richtung Fahrbahnrand statt deren Mitte. Ein Abstandstempomat fehlt, ein konventioneller ist dabei. Typisch Renault ist der Lenkradsatellit für die Audiobedienung. Braucht etwas Eingewöhnung, aber dann will man das Ding nicht mehr missen.

Einkaufswagen: Der voluminöse Innenraum lädt zu langen Shoppingtouren ein

Eine Auffälligkeit bei sommerlichen Temperaturen: Nach einigen ausgekuppelten Sekunden stellte die Klimaanlage an der Ampel ihren Dienst ein, es strömt warme Luft in den Innenraum. Die Reaktion der Passagiere folgt innert Sekundenbruchteilen. Da gibt’s nur eins, einkuppeln, damit der Motor wieder startet und der Klimakompressor wieder seinen Dienst aufnimmt. Andere Hersteller haben das automatisiert, bei Renault scheint man die Spriteinsparungen zu priorisieren. Jedenfalls manchmal, denn als ich den Ablauf nochmals replizieren wollte, ging der Motor von alleine an und damit war dann auch die kühle Luft zurück. Also alles cool.

 

Kaum mit Effizienzgedanken hat die etwas wacklige Multimediaeinheit zu tun. Im Test hat sie mehrfach völlig eigenständig einen Neustart durchgeführt. Da scheint man mit der Software noch ein paar Probleme zu haben. Doch all dies kann den Gesamteindruck des neuen Renault Kangoo maximal leicht trüben. Denn seine pragmatisches und auch sympathisches Wesen bringt im Alltag einfach zu viele Vorteile. Gerade Kinder schätzen die gute Aussicht. Der Kofferraum ist so gross, dass Turnhallen neidisch werden könnten.

Familiengesicht: Hier kommt ein Renault, das sieht man.

Ganz günstig ist auch der neue Kangoo nicht. Es geht bei 33’000 los, der hier getestete kommt total auf 35’550 Franken. Der Motor zeigt sich sparsam, 6,6 Liter Durchschnittsverbrauch sind ok für die gebotene Leistung. Inzwischen habe ich mich längst an die etwas seltsame Form gewöhnt. Die orange Farbe gefällt mir sogar richtig gut und auf grossen Parkplätzen findet man ihn sowieso superschnell. Wahre Schönheit komme von innen, heisst es ja nicht selten. Die inneren Werte würden mehr zählen als blosse Ästethik. Und so gesehen ist der Kangoo ganz bestimmt nicht das hässlichste, sondern eins der schönsten Autos das es gibt.