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zuendung

12. Juni 2007

Touring? Racing!

BMW | 0 Kommentare

Nein, das ist kein Dreier, wie jeder andere. Nein, es ist trotzdem kein M3. Auf den ersten Blick kommt der 335i daher, wie jeder andere mittelklassige Bayer. Bei unserem Testexemplar war zwar das Spoilerpaket der M Motorsport GmbH installiert, was bei der sehr dezent in Schwarz gehaltenen Karosserie allerdings nicht weiter auffällt. BMW-typisch schlägt unter […]

Nein, das ist kein Dreier, wie jeder andere. Nein, es ist trotzdem kein M3. Auf den ersten Blick kommt der 335i daher, wie jeder andere mittelklassige Bayer. Bei unserem Testexemplar war zwar das Spoilerpaket der M Motorsport GmbH installiert, was bei der sehr dezent in Schwarz gehaltenen Karosserie allerdings nicht weiter auffällt. BMW-typisch schlägt unter der dunklen Haube ein Reihensechser-Herz. Flashback: Der 325ix meiner Eltern ist das erste Auto, an welches ich auch akustische Erinnerungen habe. Nicht nur das merkwürdige Hahnentrittmuster und der damals (1987) sensationelle Skisack des ersten Allrad-Dreiers haben sich in mein Gehirn gebrannt. Auch dieser fantastische Sound, welchem ein V6 niemals Herr werden kann.


Doppelt tönt besser: An den zwei seitlich angebrachten Rohren erkennt man die Spitzenmotorisierung

Doch nach dem Druck auf den Startknopf leise Enttäuschung: Viel hört man aber nicht vom Wunderwerk, das vorne längst untergebracht ist. Doch wie hiess es immer so unschön: Wer nicht hören will, muss fühlen. Tatsächlich ist das rechte Pedal ein Freudenspender erster Güte. Verantwortlich dafür ist ein Wort, dass auch in Zeiten der Dieselhochkonjunktur noch immer für ein Raunen am Stammtisch gut ist. Biturbo. Der Dreiliter ist mit zwei parallel geschalteten Turboladern ausgestattet, was ihn PS-mässig fast in die Regionen des alten BMW M3 schraubt. 306 PS. In sportwagenmässigen 5,9 Sekunden rennt der Kombi auf Tempo 100. Dass man dabei aussieht, wie ein rasender Versicherungsvertreter, tut dem Spass keinen Abbruch.


Vorbildlich: Mittlerweile bieten alle Premiumhersteller ausser Lexus die Einknopfbedienung analog zu BMWs iDrive an

Bis 4000 Umdrehungen klingt der Turbo eher wie ein zurückhaltender Achtzylinder, um dann bis hinauf zu den magischen 7000 die Tonart ins bekannt Sechszylindrige zu wechseln. Einfach herrlich! Aber mit blosser Längsbeschleunigung ist noch kein Kranz gewonnen. Das weiss auch die Marke mit dem Propeller im Logo und stimmt den 3er (Testfahrzeug mit Sportfahrwerk) sehr sportlich ab. Das bei BMW DSC genannte elektronische Stabiliätsprogramm, lässt sich zweistufig abschalten. Ist es ganz ausgeschaltet, lassen sich problemlos lange schwarze Striche auf den Asphalt malen. Habe ich jedenfalls gehört. In Kurven benimmt sich der Hecktriebler so lange neutral, bis man mit übertriebenem Gaseinsatz das DSC aus dem Tiefschlaf weckt. Auf sehr zurückhaltende Weise wird man wieder auf Kurs gebracht. Und sollte das nicht reichen, hat man eine brutal zupackende Bremsanlage an Bord. So ist der 335i ein Auto, dass man neben langen Autobahnetappen, auch auf kurvigen Landstrassenabschnitten schätzt. Beim Kurvenwetzen hilft auch das supergenaue Sechsganggetriebe mit seinen kurzen Wegen. Und falls man doch einmal lieber nicht schalten möchte, 400 Nm reichen ziemlich weit…


Kurvenfresser: Wo LKWs Fahrverbot haben, fängt der Spass mit dem wenigen Dreier erst recht an

Als echter Kombi taugt der Touring natürlich auch. Allerdings gibt es sicher geräumigere Autos, als einen 3er BMW. Vier Personen sitzen bequem, die fünfte muss ich mit dem Nachteil des Kardantunnel auseinandersetzen. Der Kofferraum ist nicht besonders geräumig, aber dank Gurten, Haken, Gepäcknetz und Ablagen unter dem Boden gut nutzbar. Die meisten Käufer dürfte das nicht weiter stören, da sie sowieso vorne links sitzen und den Rest des Autos als Gepäckraum verstehen. Seit der Einführung von iDrive ist auch die Beifahrerin überflüssig geworden. Nie zuvor konnte ich während der Fahrt problemlos eine Navigationsroute eingeben. So gross die Kritik an der Einknopf-Bedienung auch sein mag, ich bin davon begeistert. Knopfwüsten wie man sie heute z.B. bei Lexus noch immer finden, gehören somit endlich der Vergangenheit an.


Drehfreudig: Bis 7000 Touren dreht der Biturbo-Sechszylinder, dann steigt der Verbrauch aber auch mächtig an

Wie wir die Bayern kennen, gibt's iDrive natürlich nicht für lau. Genausowenig die Ledersitze, das Sportfahrwerk, das Sportlenkrad, der CD-Wechsler, das Xenonlicht… Die Liste liesse sich fast ins unendliche Fortsetzen. Selbstverständlich ist es schön, dass sich jeder Kunde seinen individuellen Dreier zusammenbasteln kann. Nur sollte beispielsweise Xenonlicht bei einem Auto dieser Klasse einfach serienmässig sein. Die meisten 335i Touring werden wohl für über 90''000 CHF an den Erstbesitzer verkauft. Sehr viel Geld für einen Mittelklassewagen. Einen Trumpf hält BMW aber noch in den Händen: Es gibt keine Konkurrenz für dieses Auto. Sechs Zylinder, über 300 PS, als Sechsgangautomat oder Handschalter, als Hecktriebler oder Allrad, das gibt es nur bei den Blauweissen.


Hungrig: So tief kauert der Dreier nur mit dem Aerodynamikpaket auf der Strasse

Ganz eindeutig: Mit dem 335i zelebrieren die Bayern ihren Namen. Der Motor ist ein Traum. Ein Traum von dem der Nachbar nicht einmal etwas bemerkt, sofern man den Schriftzug am Heck weglässt. Wie alle BMW krankt dieser Dreier an einer fast buchdicken Optionsliste. Die Preise sind gesalzen, was auch der voraussichtlich gute Wiederverkaufswert nicht wirklich kompensieren kann. Trotzdem ist er ein faszinierendes Stück Automobil, das trotz dezentem Auftritt im Kombikleid durchaus als Sportwagen verstanden werden kann. Dass man damit trotzdem wunderbar zu Viert an die Côte d'Azur fahren kann, macht das Ganze auch nicht schlechter.