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zuendung

28. März 2007

Und immer drohen die Ersatzteilpreise

Porsche | 0 Kommentare

Nein, ich habe ihn nicht im Griff, diesen Tiefflieger, dieses gelbe Speedmonster. Vorletztes Jahr durfte ich den alten 964er Turbo auf verschiedenen Rennstrecken auskosten, wobei mein Popometer angesichts seiner Gutmütigkeit keine grossen Schwierigkeiten hatte, Eigenheiten zu erkennen oder zu erfühlen. Ein wahres Lamm, dieser Turbo, im Vergleich zum GT3, den ich seit einem Jahr nach […]

Nein, ich habe ihn nicht im Griff, diesen Tiefflieger, dieses gelbe Speedmonster. Vorletztes Jahr durfte ich den alten 964er Turbo auf verschiedenen Rennstrecken auskosten, wobei mein Popometer angesichts seiner Gutmütigkeit keine grossen Schwierigkeiten hatte, Eigenheiten zu erkennen oder zu erfühlen. Ein wahres Lamm, dieser Turbo, im Vergleich zum GT3, den ich seit einem Jahr nach Hockenheim, auf den Nürburgring und in die Lausitz fahren darf.

Mit Ehrfurcht stehe ich jedes Mal vor diesem sanft wirkenden Biest, das jeder Spurrinne folgt und sich bei höheren Tempi regelrecht am Boden festsaugt. 310 Stundenkilometer haben wir beide auf leeren fast-tschechischen Autobahnen schon geschafft – ein Gefühl, das irgendwo in der Erinnerung haften bleibt und hin und wieder ein kleines Schaudern bewirkt.

Seine Alltagstauglichkeit (trotz Clubsport-Ausführung mit Überrollkäfig und Recaro-Schalensitzen), die sich neben äusserst akzeptablem Spritverbrauch u. a. in völlig angenehmem, fast schon unspektakulärem Dahintuckern im heutzutage üblichen Kolonnenverkehr äussert, und die auch in schneller Fahrt auf deutschen Autobahnen (zusehends leider auch immer schwieriger) zu spüren ist, verführen schon fast zur Respektlosigkeit. Keine Frage, der moderne 911er ist ein umgängliches Auto geworden, der sich von jedem verantwortungsbewussten Fahrer lenken lässt und keine besonderen Fähigkeiten abverlangt.

Ja, im Alltagsverkehr ist der GT3 eigentlich schlicht eine schöne Sportmaschine, die dem einen oder anderen Autofan ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, und mit dem man sich so richtig chic einkleidet. Man ist einfach gut gelaunt und sitzt stolz im speedgelben Flitzer, der sich wie ein perfekt angepasster Anzug anfühlt. Dass man rund 400 PS (Motronic-Optimierung sei Dank) unter dem Hintern hat, ist dabei bloss ein schöner Gedanke, an den man sich gern erinnert, den man aber im Hinblick auf die steigende Anzahl Ausweisentzüge in der Schweiz höchstselten auskosten kann. Und im Stau erinnert höchstens das schmerzende Kupplungsbein daran, dass man es hier nicht mit einem Weichspüler-Auto zu tun hat.

Aber dann gibt es da noch die andere Seite, quasi die zweite Persönlichkeit dieses Vehikels, das mich regelmässig in meinen Träumen verfolgt. Die Rennstrecke lässt dieses Unheimliche erwachen, vor dem ich so enormen Respekt habe. Monza, Dijon oder der Salzburgring verlangen nicht nur nach einem guten Auto, sondern auch nach fahrerischem Können. Und ein so kompromissloses Strassenauto wie der GT3 überträgt diese Forderung voll und ganz auf den Fahrer. Die Grenzen des GT3 habe ich noch längst nicht erreicht, aber meine eigenen kenne ich inzwischen.

Beschleunigung und Bremskraft sind überwältigend, für mich völlig unberechenbar ist jedoch die Haftgrenze: die 235er bzw. 295er-Achtzehnzöller mit dem auf Rennpiste eingestellten Sturz von 3,1 Grad und die steinharte Fahrwerkseinstellung lassen mich nicht spüren, wann die Grenze des Machbaren erreicht ist – jedenfalls nicht rechtzeitig. Und angesichts der Kosten, die Porsche für jedes noch so kleine Karosserie-Teil in Rechnung stellt, lässt man es gar nicht erst drauf ankommen und wird somit automatisch zum zögerlichen, ja ängstlichen Kurvenbegeher oder ganz einfach zum Bremsblock der Serie.

Und trotzdem kommt man nicht davon los. Der Wunsch, dieses schöne Biest eines Tages im Griff zu haben fordert immer wieder neu heraus. Das Glücksgefühl (nennt man es Adrenalinkick?), diese Kraft im Vorwärtstrieb zu spüren, verbunden mit dem Gedanken, wie ausgeliefert man als kleines Menschchen dabei ist, fasziniert derart, dass man es wieder erleben möchte. Und wieder. Und wieder.

Freudig, ängstlich, erwartungsvoll, hoffnungsvoll sehe ich der kommenden Saison entgegen. Und höre schon regelrecht den wunderschönen Ton des Motors, der schon im Leerlauf mächtig imponiert und der als nachhallende Reminiszenz zurückbleibt, wenn das Pferd schon längst aus dem Blickfeld galoppiert ist.

Vanessa Gerritsen Hebeisen
www.porsche-team.ch