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4. November 2009

«Vergaser»

Mercedes-Benz | 0 Kommentare

Test Mercedes-Benz Sprinter 316 NGT Die seit Jahren bewährten Mercedes Sprinter haben wir in den vergangenen Monaten in verschiedenen Versionen getestet, als Bus, als 4×4, als Kasten, mit altem Motor, mit neuem Euro5-Motor, alle mit Diesel übrigens. Weil es eine – möglicherweise – noch umweltfreundlichere Version gibt, nämlich eine mit Erdgasantrieb, wollten wir doch wissen, […]

Test Mercedes-Benz Sprinter 316 NGT

Die seit Jahren bewährten Mercedes Sprinter haben wir in den vergangenen Monaten in verschiedenen Versionen getestet, als Bus, als 4×4, als Kasten, mit altem Motor, mit neuem Euro5-Motor, alle mit Diesel übrigens. Weil es eine – möglicherweise – noch umweltfreundlichere Version gibt, nämlich eine mit Erdgasantrieb, wollten wir doch wissen, wie es denn da mit Leistung und Umweltschutz steht.

Die Bezeichnung 316 ist gleich vertraut. Wie bei den mit Benzin und Diesel betriebenen Sprintern gibt’s auch bei der Erdgasvariante einen 3 ½-Tönner mit rund 160 PS (daher 316). Im Gegensatz zu den herkömmlich befeuerten Fahrzeugen gibt‘s den NGT nicht in ganz so vielen Varianten, aber doch in mehreren Kasten- und Kombiausführungen, sowie als Pritschenwagen, resp. Châssis/Kabine. NGT steht übrigens für Natural Gas Technology, zu Deutsch Naturgastechnik. Neben dem 316 NGT ist auch ein 516 NGT erhältlich, der mit identischem Motor ein höheres Gesamtgewicht (5 Tonnen) hat und damit über eine höhere Zuladung verfügt, im Mittel wohl um die 2,5 Tonnen.

Aber wenden wir uns unserem Testwagen zu. Der 316 NGT verfügt über den kürzeren der beiden möglichen Radstände (366,5 cm) und ein Hochdach. Er kostet in dieser Konfiguration Fr. 3‘815 mehr als die gleich starke Dieselversion (316 CDI), nämlich ab Fr. 57‘970 inkl. MwSt. Gegenüber dem 316 als reiner Benzinversion beträgt der Aufpreis sogar über 7‘500 Franken.

Wäre es beim Diesel der 2143 ccm grosse und 163 PS starke neue OM651-Motor, ist bei den Benzinversionen, vom 2- bis zum 5-Tonner – und damit natürlich auch bei den Erdgäselern, denn es handelt sich ja um einen bivalenten Motor – der bekannte 1,8-Liter drin, ein 1796 ccm kleiner Vierzylinder. Mit elektronischer Einspritzung und mechanischer Aufladung leistet dieses Triebwerk 156 PS. Es weist ein bestes Drehmoment von 240 Nm zwischen 3000 und 4000 Touren auf.
In der Schweiz entspricht dieses Fahrzeug erst der Euro4-Norm. In Deutschland gibt es den Wagen bereits (seit September 09) der Euro5-Norm entsprechend, ja sogar als EEV (sozusagen Euro5 Plus).

Dass der Sprinter NGT in dieser kleineren Version immerhin knapp 6 Meter lang ist, mit einer Ladefläche von über 5 m2 und einem Ladevolumen von über 10 Kubikmetern brilliert, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Die seitliche 1,30 Meter breite Schiebetür erlaubt das Beladen mit Europaletten. Gegenüber den herkömmlich motorisierten Versionen verfügt der NGT aber nur noch über eine Zuladung von 1‘030 Kg (Leergewicht 2‘470 Kg), gemäss Werksangaben beträgt die Differenz um die 200 Kg.

Dass die Sprinter, in aller Regel mit Dieselmotoren ausgerüstet, sehr sauber sind, sehr durchzugstark und – richtig gefahren – auch recht sparsam, das wissen wir. Bringt der Erdgasbetrieb noch mehr Vorteile?

Grundsätzlich ist der «Vergaser» ja ein Benzinmotor, der auch mit Erd- oder Biogas betrieben werden kann. Er tönt also wie ein Benziner. Heutige Diesel sind aber dermassen leise und innen wie aussen schallgedämpft, dass das allein kein Grund wäre, einen Benziner zu wählen. Der Verbrauch eines Benziners ist immer viel höher als der eines modernen Diesels. In unserm Falle soll der Benzinverbrauch unseres mit Automatikgetriebe (+ Fr. 2‘082) ausgerüsteten 316 NGT innerorts 15,1 Liter betragen, ausserorts 10,1 und kombiniert 12,1 Liter Bleifrei 95. Je nach konsultierter Unterlage soll der Verbrauch handgeschaltet übrigens 1 Liter mehr betragen! Und wenn wir schon grad beim Benzin sind: CO2-Emission pro Km: 289 Gramm. Energieeffizienz D (mech. und autom.). Aber wir sind ja praktisch ausschliesslich mit Gas gefahren. Dazu gleich mehr.

Auch im Wissen darum, dass diese Katalogwerte in der Praxis überschritten werden, darf man doch annehmen, dass der entsprechende Diesel rund 2 Liter weniger verbrauchen dürfte und dies mit Fahrleistungen, wie sie halt mit 360 Nm ab 1400 Touren zu erwarten sind. Der NGT mit seinen 240 Nm ab 3000 U/min dürfte die Fahrleistungen des entsprechenden CDI nicht erreichen.
Gemessen haben wir’s nicht, aber mindestens subjektiv stimmt der Eindruck, dass der 1800er NGT mit den 2,4 Tonnen Leergewicht alle Mühe hat und sich recht laut und gequält äussert. Eine moderne, ökonomische (und damit auch ökologische) Fahrweise, wie sie heute gelehrt wird, ist mit dem Testwagen nicht möglich. Zwar lässt sich der 4-(!)Stufenautomat von Hand schalten, das Getriebe behält sich aber trotzdem vor, dann zu schalten, wenn es ihm beliebt und nicht dann, wann der Fahrer es für richtig hält. So quält man sich mit heulendem Motor bergauf und wartet sehnlichst, dass das Getriebe endlich in einen höheren Gang schaltet. Mit dem Fuss schalten, also vom Gas und warten, bis er hochschaltet, um dann wieder sanft Gas zu geben, nützt selten. Beladen mit den möglichen 1‘030 Kg dürfte sich das auch nicht zum Bessern ändern.

Aber selbstverständlich sitzt man in einem Sprinter von Mercedes, was bedeutet, dass viel für den Fahrer getan wurde und das Fahren sehr komfortabel von sich geht. Der Lieferwagenfahrer findet viele und vor allem praktische Ablagen (auch für A4+), er sitzt hoch, hat beste Übersicht, alle Einstellungen sind einfach zu finden und zu bedienen, kurz: Alles lobenswert. Und doch …

Mit Erdgas fahren
Was sind denn nun die Vor- und Nachteile, ein Erdgasauto zu fahren?

Der CO2-Ausstoss beim Erdgasbetrieb ist ca. 20% tiefer, bei unserem Testwagen 238 g statt 289 g (minus 51 Gramm oder 17,6%). Beim Betrieb mit Biogas (chemisch identisch mit Erdgas) wäre es sogar fast Null.
Auch die Belastung durch Stickoxide (NOx) und Kohlenwasserstoffe (HC) ist sehr tief.
Es werden praktisch keine Partikel und Feinstäube emittiert. Erdgas ist eine Primärenergie, die nicht erst umgewandelt werden muss.
Der Laderaum wird nicht kleiner, da die Gastanks unter dem Ladeboden montiert werden. Die Tankstellendichte wächst ständig und ermöglicht heute auch in der Schweiz flächendeckend Tankmöglichkeiten. Schwachpunkt ist immer noch Graubünden.
Die Reichweite, abhängig von der Grösse der Erdgastanks, ist heute massiv höher als vor einigen Jahren. Beim NGT-Sprinter besteht sogar die Möglichkeit, zusätzliche Erdgas-Tanks einzubauen, wodurch die Reichweite auf 470 Km steigt. Dazu ist im Sprinter aber auch immer noch der 100-Liter-Benzintank eingebaut, der auch noch für mehrere Hunderte Kilometer reicht.

Der Aufpreis von Fr. 3‘800 ist als Nachteil zu bezeichnen, auch wenn es heute immer noch städtische oder regionale Gaslieferanten/-werke gibt, die den Kauf von Erdgasautos finanziell unterstützen (vor ein paar Jahren noch mit bis zu Fr. 5‘000, heute evtl. noch 1000 Franken oder etwas mehr. Fragen Sie Ihren Gaslieferanten). Auch kein Vorteil ist die Einschränkung der Zuladung. Gerade noch 1‘030 Kg bei einem Leergewicht von rund 2,5 Tonnen sind schon nicht mehr viel.

Obwohl die Gastanks mit 200 bar befüllt werden, sind sie extrem sicher. Parkieren in Tiefgaragen ist ohne Einschränkungen erlaubt, auch das Befahren von Fähren. Das ist bei mit Flüssiggas angetriebenen Fahrzeugen, die in der Schweiz noch selten sind, nicht der Fall. Im Crashfall explodieren die Gastanks nicht, sondern werden via Sicherheitsventil entleert.

Verbrauch
Wer so ein Gasauto beschafft, will ja auch primär mit Gas fahren und die Vorteile nutzen. Der Benzinverbrauch von 12,1 Liter (Werksangabe) ist daher nur von akademischem Interesse.
In der NGT-Broschüre ist angegeben, der Gasverbrauch belaufe sich auf 8,4 bis 8.7 Kg Gas.
(Erdgas kauft man in Kg, wobei ein Kg rund 1,5 Liter Benzin (genau 1,47 Lt.) entspricht; ein Auto, das 7,5 Liter Benzin verbraucht, wird im Gasbetrieb rund 5 Kg Gas verbrauchen).
Ein Verbrauch von 8.5 Kg Gas würde also einem Benzinverbrauch von 12,75 Lt. entsprechen. Wäre das so, dann würde man mit dem steuerbegünstigten Erdgas (Biogas ist sogar steuerbefreit) günstiger fahren. Treibstoff für 100 Km würde statt 20 Franken nur knapp 14 Franken kosten Nach rund 120‘000 Km wäre der Mehrpreis des NGT gegenüber dem Benziner wieder drin.
Nur, die Frage stellt sich nicht so. Wer wirtschaftlich und umweltfreundlich fahren will, beschafft den Sprinter mit dem modernen und sauberen Euro5 – Diesel. Bei Fahrten in Deutschland haben alle Kursteilnehmer mit dem 316 CDI zwischen 9,3 und 9.8 Liter verbraucht. 1 Kg Erdgas kostet gleich viel wie 1 Liter Diesel. Der Verbrauchsvorteil schmilzt also auf rund 1 Liter oder Fr. 1.60 pro 100 Km. Um die Mehrkosten wieder herein zu holen, müssen nun bereits 240‘000 Km gefahren werden. Das ist wenig überzeugend.

Und echt?
Mit dem Testwagen haben wir auf Kurzstrecken, viel Go- and Stopverkehr, aber auch Überland und Bergstrecken im reinen Erdgasbetrieb, auf 100 Km umgerechnet, 10,38 Kg Erdgas verbraucht. Dazu 1 Liter Benzin, der für die Anlassvorgänge verbraucht wurde.
Auf Liter umgerechnet sind das 16,26 Liter, die Fr. 18.15 gekostet haben.
Mit einem fast identischen Fahrzeug, aber mit Dieselantrieb, haben wir bei vergleichbarer Fahrweise 11,4 Liter verbraucht, die heute Fr. 18.25 kosten. Fazit: Absolut kein Kostenvorteil.

Zusammenfassung
Die beliebten und bewährten Sprinter gibt’s auch mit Erdgas-/Benzinmotor zu kaufen, beim 316er mit einem Aufpreis von rund Fr. 3‘800 auf den entsprechenden Diesel und/oder rund Fr. 7‘500 auf den reinen Benziner.
Wegen der Zusatzausrüstung für den Gasbetrieb sinkt die Zuladung um rund 200 Kg auf noch rund eine Tonne.
Mit dem nur Euro4 erfüllenden Motor und dem Viergang-Automaten ist der bivalente 1800er im Hintertreffen gegenüber dem modernsten Euro5-Diesel und dem neuen Eco-Getriebe. Die Fahrleistungen des Erdgas-Benziners überzeugen vor dem Hintergrund der modernen Dieselmotoren nicht.
Beim Betrieb mit Erdgas sinkt die CO2-Belastung um bis zu 20% gegenüber Benzin. Gegenüber dem Diesel besteht praktisch kein Unterschied mehr. Die Belastung durch Partikel und Feinstaub ist hingegen sehr viel tiefer.
Da der Verbrauch in Kilogramm Erdgas und in Litern Diesel praktisch identisch ist, bei ebenfalls praktisch identischen Preisen, besteht kein Preisvorteil für NGT oder CDI ausser dem, bei der Anschaffung des 316 CDI rund 3‘800 Franken eingespart zu haben. Und der Diesel könnte sparsamer bewegt werden, wobei dann sogar ein Nachteil für den NGT resultierte.

Also was tun? Wo aus irgendwelchen Gründen ein Diesel nicht in Frage käme, müsste zum NGT geraten werden. Seine Treibstoffkosten sind gegenüber dem Benziner doch Etliches günstiger, im Klartext, nach 120‘000 Km wäre der Mehrpreis egalisiert.
Aber unter «normalen» Umständen würden wir heute zum modernen Diesel raten.

Text und Fotos Heiny Volkart, VOLKARTpress, CH-4663 Aarburg