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zuendung

19. Dezember 2010

Vier gewinnt

VW | 0 Kommentare

Der erste Golf R32 war eine Fingerübung mit Charme. VW verbaute in der Premiere zum ersten Mal das Direktschaltgetriebe, das man heute in ähnlicher Form in vielen Modellen wählen kann. Die zweite R32 Generation verlor zwar an Charme, gewann aber an Perfektion und Komfort. Nur die frontlastige Auslegung blieb aufgrund des grossen Sechszylinders weiterhin ein […]

Der erste Golf R32 war eine Fingerübung mit Charme. VW verbaute in der Premiere zum ersten Mal das Direktschaltgetriebe, das man heute in ähnlicher Form in vielen Modellen wählen kann. Die zweite R32 Generation verlor zwar an Charme, gewann aber an Perfektion und Komfort. Nur die frontlastige Auslegung blieb aufgrund des grossen Sechszylinders weiterhin ein Nachteil, wenn sich der Golf in fahrdynamischen Punkten gegenüber den Reihenvierer-Turbos behaupten sollte. Inzwischen hat der schnellste Golf die Zahl verloren, heisst nur noch R. Er hat einen 270 PS starken Vierzylinder Turbomotor unter der Haube.

Grundsätzlich ist auch der R ein Golf VI. Das heisst, dass ich auch hier das Gefühl habe, in einem in die Jahre gekommenen Fahrzeug zu sitzen. Die Verarbeitung ist zwar gut, da und dort hätte der Haptik-Experte aber gerne etwas softere Oberflächen. Zentrale Bedienelemente wie das Lederlenkrad oder den Schaltknauf des Direktschaltgetriebes kennt man ebenfalls aus dem Vorgänger. Klassicherweise folgt der Motor dem altbekannten Schlüsseldreh. Erstaunen nach dem Anlassen: Für einen Vierzylinder klingt der Zweiliter überraschend sonor, tief, ja nach deutlich mehr Hubraum halt. Da haben die Sounddesigner also zumindest beim Leerlaufklang schon mal ganze Arbeit geleistet.

Vor dem Test hätte ich gerade den Sound als Negativpunkt für den neuen R gesehen. Jetzt wo er schon mit einem wahren Ohrenschmaus gestartet ist, will ich auch seine restlichen Talente erfahren. Der Testwagen ist mit dem adaptiven Fahrwerk (DCC) ausgestattet. Nach deutlich spürbaren Stössen auf den ersten Metern wechsle ich auf "Comfort", was sich bis zum Testende nicht ändern sollte. Tatsächlich ist VW da ein sehr angenehmer Kompromiss gelungen. Jetzt noch den Sportsitz (optional) in die richtige Position bringen, und der Spass kann beginnen.

Also rein in die erste Ecke einer flotten Landstrassenpartie. Auf einen Schlag ist der Sechszylinder des Vorgängers vergessen: Herrlich leicht dreht der weisse Powergolf ein, Gaslupfen provoziert gar einen leichten Heckschwenk. Natürlich ist er Allradler nicht gänzlich frei von jeglichen Untersteuertendenzen, verglichen mit dem Vorgänger ist er aber um Welten agiler. Und doch rückt der grosse Motor des R32 zurück ins Bewusstsein. Denn wer aus der Kurve herausbeschleunigen will, wird sich über die Gedenksekunde wundern. Das hat mit dem Drehmomentverlauf des Turbomotors zu tun. Während der grosse Sechszylinder in allen Lebenslagen massig Kraft zur Verfügung hat, braucht das aufgeladene Aggregat Drehzahlen. Dazu muss das DSG meist erst zurückschalten, was ihm Zusammenspiel mit dem verzögert einsetzenden Turboschub die erwähnte Gedenksekunde ergibt. Ganz klar: Während im R32 die DSG-Version zu empfehlen ist, würde ich beim neuen Golf R eindeutig eine Handschaltung favorisieren.

Und dann ist da noch der Preis: 2700 Franken kostet das DSG an Aufpreis. Kommt dazu, dass es über die kleinen Lenkradwippen längst nicht so gut zu bedienen ist, wie über die dem Ur-R32 eigenen Alupaddel. Zusammen mit dem überragenden Navi, den zwei hinteren Türe, der Parkdistanzkontrolle und der Lederausstattung kommt der Test-Golf auf sagenhafte 63'160 CHF. Ebenfalls mit an Bord ist dann der Touch-Adapter, der den Innenraum verunstaltet.

Natürlich ist auch der neue VW Golf R ein tolles Auto. Gegenüber seinem Vorgänger überzeugt er unter anderem mit einem gedrosselten Durst: 10,5 Liter schluckte er im nicht eben sparsam gefahrenen Test. Verbräuche unter der Zehnermarke sind im Alltag absolut realistisch. Der satt klingende Vierzylinder begeistert mit Drehvermögen und viel Power in den höheren Drehzahlregionen. Weniger gefallen hat das DSG, das mehr schlecht als recht zum gierigen Motor passen mag. Ausserdem dürfte ein so schnelles Auto doch ein bisschen mutiger gestaltet sein. Halt wie beim allerersten R32…

P.S. Stefan vom topcarblog.ch hat den Scirocco R getestet, der über den identischen Motor jedoch nur zwei angetriebene Räder verfügt.