Wow, was für eine Farbe! Hypnotic Purple heisst sie. Selten war ein Name so passend. Ein Effektlack, der schon uni superauffällig wäre, wird hier je nach Licht noch mit pinken Akzenten betont. Doch, wenn der Skorpion sticht, sieht man nicht nur violett und pink, auch neongrün kommt noch hinzu. Diverse Kontrastteile tragen jenen noch etwas knackigeren Farbton. Farblich ist der Abarth 600e also schon dermassen herausragend, dass er alleine dadurch Herzen gewinnen dürfte. Doch vor mir steht der auf 1949 Stück limitierte Scorpionissima. Was das bedeutet?

Hashtag No Filter: Die Farbgebung ist wirklich sehr gelungen
280 PS an der Vorderachse – und zwar elektrisch. Diese Motorisierung gibt es im Konzern sonst nur noch im Alfa Romeo Junior Veloce und in den bald erscheinenden Opel Mokka GSE und Peugeot 208 GTI. Theoretisch käme auch der neue Lancia Ypsilon HF in den Genuss dieses Triebwerks. Doch gibt man aktuell lancia.ch in seinen Browser ein, so wird jene Seite nicht gefunden. Darum zurück zu einem tatsächlich existierenden und in der Schweiz käuflichen Produkt: Dieser Abarth ist das stärkste Strassenauto, das die Marke jemals lanciert hat.

Schnell: Mit 280 PS ist der Scorpionissima der stärkste Strassen-Abarth aller Zeiten
Und nun sogleich hinüber zur Technik: 54 kWh an Batteriekapazität treffen auf 280 PS bzw. 345 Newtonmeter bei einem Gewicht von 1640 kg. Damit die Leistung auch einigermassen ihren Weg auf die Strasse findet, vertraut man auf ein Torsen-Differenzial. In 5,8 Sekunden soll der Fünfplätzer auf 100 km/h beschleunigen, während die Höchstgeschwindigkeit bei 150 km/h liegt. Laden mit Gleichstrom funktioniert mit maximal 100 kW. Nicht vergessen wollen wir die Bremsen von Alcon, die allzu wildem Treiben dann auch wieder gekonnt Einhalt gebieten sollen.

Bekannt: Die Silhouette des 600 kennt man inzwischen
Somit bin ich ready für einen Ritt auf dem Skorpion. Doch nach dem Aussen-Wow-Erlebnis folgt jenes im Innenraum. Klar, das Interieur ist weitgehend mit den zivilen Fiat-Brüdern identisch, wobei hier und da schon ein wenig aufgebrezelt wurde. Doch so richtig tief in die Trickkiste hat man beim Gestühl gegriffen: Optisch wie haptisch überzeugende Sabelt-Sportsitze bieten Halt und elektrische Verstellung. Dass Teile der Rückenlehne „leer“ sind, betont die Ernsthaftigkeit des Unterfangens, hier eine wirklich sportliche Variante anzubieten. Logisch, dass ich sofort nach dem Start in den Drive Mode Track Scorpion wechsle. Den Eco-Modus Turismo lasse ich sowieso links liegen. Wer sparsam schleichen möchte, sollte gar nicht erst bei Abarth ins Regal schauen. Bei Fiat gibt’s da genügend Auswahl.

Alcantara: Das Lenkrad will gehalten werden
Um im Thema zum bleiben, schalte ich dann auch noch den Soundgenerator ein, der übrigens bei jedem Neustart wieder auf Off ist. Das unruhige „Leerlauf“geräusch mag mit der Zeit nerven. Für mich bringt die künstliche Geräuschkulisse noch eine Prise dessen obendrauf, was den Abarth 600e Scorpionissima von all den konventionellen Elektroautos abhebt und ihn besonders und auch begehrenswert macht. Denn der Haben-Wollen-Reflex wird hier ähnlich getriggert wie bei einer Alpine A290. Auf eine künstlich suggerierte Gangschaltung wie man sie beim Hyundai Ioniq 5N realisiert hat, wird hier verzichtet. Also einfach D zwei Mal drücken, damit zum einen die Fahrstufe und zum anderen die stärkere Rekuperation ausgewählt ist.

Logo: Zahlreiche Abzeichen heben den Abarth vom normalen Fiat ab
Ab auf eine kurze Runde über Land. Schnell zeigt sich, dass nicht zum Spass Alcantara am Lenkradkranz verwendet wurde. Man sollte beide Hände verwenden, um die Richtung vorzugeben, denn allzu ungestüme Vortriebsforderungen führen gerne zu einer wild umherirrenden Vorderachse. Auch die Mittenmarkierung in Neongrün ergibt bei diesem Verhalten Sinn. Die Wirkung des Sperrdifferenzials ist spürbar, Untersteuern daher kein Problem.

Bodenhaftung: Der mächtige Heckspoiler ist nicht bloss Dekoration
Wer an der Ampel oder bei Nässe öfters Vollgas gibt, dürfte ein gern gesehener Gast beim Pneuhändler werden. Das Reifenquietschen wird vom künstlichen Sound überlagert, bleibt aber etwas pubertär. Also besser behutsam ans Alu-Gaspedal. Selbst dann bin ich noch sehr zackig und spassbetont unterwegs. Das Fahrgefühl passt zum Auftritt: Knackig, sportlich, direkt und bisweilen etwas wild. Die im schnellsten Abarth immer montierten 20-Zöller mit Niederquerschnittreifen bieten nicht den ultimativen Komfort, was nicht überraschen kann.

Highlight: Die Sabelt-Sitze sind schon alleine ein Kaufargument
Momentan läuft für die Scorpionssima genannte First Edition eine Aktion, die den Preis des Gesamtpakets auf 45’900 Franken reduziert. Damit ist er genau gleich teuer wie eine top ausgestattete Alpine A290, hat gegenüber der Französin aber ein Plus von 60 PS und eine tatsächlich nutzbare Rückbank mit Platz für bis zu drei Personen. Letzteres ist auf die im Vergleich um fast 20 Zentimeter grössere Fahrzeuglänge zurückzuführen.

Süss? Die Kulleraugen täuschen
Mit 4,18 fällt er immer noch sehr kompakt aus, und auch die Breite ist mit 1,78 durchaus parkhaustauglich. Der Kofferraum steckt mit 360 Liter eine genreübliche Menge an Gepäck weg. Die über fummlige Reissverschlüsse etwas schwer erreichbaren Isofix-Haken nerven. Da die meisten Kindersitze eher selten gezügelt werden, ist dieser Makel aber vernachlässigbar. Ohnehin frage ich mich, wie kindertauglich der violette Sport-Elektriker ist, wenn er artgerecht und damit eher ruppig bewegt wird.

Auffällig: Mit Diffusor, Spoiler und grossen Felgen hält sicher der 600e von Abarth optisch nicht zurück
Genau deshalb findet der Turismo genannte Eco-Mode bei mir keine Anwendung. Und auch der Soundgenerator ist immer an. Nicht, weil er wahnsinnig toll klingen würde, sondern weil er irgendwie zum Gesamtpaket Abarth 600e Scorpionissima dazu gehört. Es macht Spass, ihn so zu bewegen, und es macht auch Spass, ihn bloss anzuschauen. Die Quittung: Mit 19,9 kWh auf 100 Kilometer fällt der Durchschnittsverbrauch nicht sonderlich sparsam aus. Was soll’s, Abarth hat mit dem 600e Scorpionissima gezeigt, wie man ein elektrisches Spassmobil für das Jahr 2025 baut. Dafür muss man mit einem mittelmässigen Multimediasystem, etwas viel Hartplastik und einem zuweilen ziemlich harten Abrollverhalten leben. Wer vom Skorpion elektrisiert wurde, dürfte das jedoch wenig kümmern.
