Seite wählen

zuendung

6. Januar 2006

Von der grauen Maus zur agilen Katze?

Honda | 0 Kommentare

Seit 22 Jahren liefert Honda seine Automobile in die Schweiz. In dieser Zeit gab es immer wieder neue Kompakte mit dem Namen Civic (sprich: Siwig), insgesamt sieben Generatione versuchten ihr Glück mehr oder wenig erfolgreich in der umkämpften Golfklasse. Zuletzt war der Civic ein geräumiges, aber designmässig etwas in die Jahre gekommenes Fahrzeug. Seine fast […]

Seit 22 Jahren liefert Honda seine Automobile in die Schweiz. In dieser Zeit gab es immer wieder neue Kompakte mit dem Namen Civic (sprich: Siwig), insgesamt sieben Generatione versuchten ihr Glück mehr oder wenig erfolgreich in der umkämpften Golfklasse. Zuletzt war der Civic ein geräumiges, aber designmässig etwas in die Jahre gekommenes Fahrzeug. Seine fast vanmässige Erscheinung passte nicht mehr zum von Honda angestrebten sportlichen Image. Da konnte auch die 6-Gang-200-PS-Rakete Type R nichts dran ändern. Also setzten die Honda-Designer alles daran, auf dass der neue Civic keine graue Maus mehr würde. Und wenn ich ihn mir so anschaue, muss ich zugeben, die japanische Gestaltungsabteilung hat ihre Mission zu 100% erfüllt. Die Reaktionen reichen bestimmt von "Wäh" bis "Wow", aber auffällig ist der Neue auf jeden Fall. Die Autozeitschriften schrieben vom Captain Future und Raumschiff Enterprise.

Fangen wir vorne an: Ein über die ganze Fahrzeugbreite laufendes Leuchtenband schaut verschmitzt-neugierig auf die Strasse. Die Nebelscheinwerfer flankieren dreieckig den tiefliegenden Kühlergrill, welcher auf modische Chromeinsätze verzichtet. Die Frontscheibe beginnt weit vorne und nimmt die aufsteigende Form der Motorhaube nahezu übergangslos auf. Seitlich griff man auf den Alfatrick zurück und versteckte den hinteren Türöffner direkt hinter dem Seitenfenster. Der vordere Türgriff verdient seinen Namen dafür umso mehr, besteht er doch aus Metall und weist eine charakteristische Pfeilform auf. Das Pseudocoupé endet, wie es begonnen hat: Die Rückleuchten ziehen sich über die ganze Breite, die Auspuffendrohre sind dreieckig und umrahmen einen Ziergrill. Die kuppelartige Heckscheibe ist durch einen Spoiler unterteilt, der auch die dritte Bremsleuchte aufnimmt. Durch diesen Kniff spart sich Honda einen Heckscheibenwischer.

Im Innenraum mache ich mich auf japanische Einheitsteile und Billigplastik gefasst. Doch weit gefehlt, auch hier haben die Designer über die Rotstiftfraktion gesiegt. Auf den ersten Blick scheint es so, als habe auch die Form über die Funktion triumphiert. Selbst Captain Kirk wäre ob so vielen Formen, Farben und Ebenen wohl verwirrt. Aber als ich das Licht anschalte, die Temperatur regle und das Radio bediene, merke ich, dass ich ganz ohne die Hilfe von Mr. Spock zurecht komme. Hier wurde alles anders aber nicht unbedingt schlechter gelöst. Die grössten Zweifel hege ich gegenüber dem neuartigen Anzeigekonzept. Die Drehzahl wird mittig in einem Rundinstrument angezeigt, in dessen Mitte sich die Anzeige des Bordcomputers befindet. In einer dem Fahrer entfernteren Ebene, fast schon an der Frontscheibe, wird die Geschwindigkeit in digitalen Lettern angezeigt. Das grundlegende Problem an dieser Anordnung ist, dass jeder Fahrer die Sitzposition und die Lenkradposition sehr genau eingestellt muss, damit der Lenkradkranz keine der beiden Anzeigen verdeckt.

Aber nun strecke ich meinen linken Zeigefinger und berühre kurz den feuerroten Startknopf. Dieses Prozedere kennen wir aus dem S2000, dort erwacht eine drehzahlhungrige Bestie, im Civic 1.8i Sport sind es lediglich 140 schlaftrunkene Rösslein. Und als ich beim Losfahren nicht aufpasse, legen sich die Pferdchen gleich wieder nieder, der Motor stirbt ab. Also gebe ich mir mehr Mühe und tatsächlich gelingt der Start. Um im Stadtverkehr mitzuschwimmen reicht die Leistung natürlich locker aus. Doch wir wollen den Neuling mit dem Ausstattungnamen "Sport" etwas mehr fordern und bewegen ihn dazu auf ein kurviges Bergsträsschen. Um schnell zu sein, muss ich den VTEC-Motor ordentlich bei Laune, sprich Drehzahlen, halten und häufig schalten. Das Getriebe hilft mir mit seiner trockenen und präzise schaltbaren Box. Trotzdem wäre etwas mehr Drehmoment im unteren Drehzahlbereich wünschenswert. Zu tiefen Drehzahlen mahnt übrigens auch die Eco-Drive-Anzeige, deren Anzahl brennender Dioden den Grad an ökologischer Fahrweise angeben. Bei mir brennt meistens keine der fünf. Das Fahrwerk findet den richtigen Kompromiss und nervt weder mit überhartem Abrollen, noch mit schaukligem Fahrverhalten. Das Honda-ESP, genannt VSA, greift nur selten ein, was für eine gelungene Abstimmung spricht.

Auf einer schneebedeckten Naturstrasse zeigt der Civic ungeahntes Offroadtalent. Unbeirrt lässt er sich präzise den Berg hinauf steuern, selbst als ich in einer Steigung stoppe und wieder starte hat er keine Mühe mit den winterlichen Begebenheiten. Also dürften sich auch Wintersportler über den neuen Honda freuen. Zumal er auch sehr variabel ist. Vom Jazz kennen wir das bereits: Die Rücksitzkissen stehen auf abklappbaren Stützen. So ergeben sich nun verschiedene Sitzspielarten. Abgeklappt verschwinden die Rücksitze bündig in der Mulde vor ihnen, dies ganz ohne Demontage der Kopfstützen. Genauso ist es möglich, das Rücksitzkissen nach oben zu klappen, was z.B. Platz für den Transport eines ausgewachsenen Ficus mit Topf schafft. Auch der normale Kofferraum fällt mit 420 Litern angenehm gross aus.

Nein, eine graue Maus ist der neue Civic wirklich nicht mehr. Im Gegenteil, mit etwas Wohlwollen hat die achte Generation sogar etwas Katzenhaftes an sich. Trotz seines Beinamens fällt die Bilanz des 1.8i aber enttäuschend unsportlich aus. Dafür verantwortlich ist in erste Linie der bei tiefen Drehzahlen schlappe Motor. In den VTEC-Bereich werden die wenigsten FahrerInnen regelmässig vorstossen. Positiv aufgefallen sind auf jeden Fall das spektakuläre Design und die sehr gute Verarbeitung. Der Innenraum überzeugt auf den zweiten Blick mit sehr guter Ergonomie. Allerdings hat man eine relativ schlechte Rundumsicht, eine Folge der aussergewöhnlichen Formgebung. Weiter ist er sehr variabel und mit 6,6 L/100 km auch relativ sparsam. Diese praktischen Vorteile, das spezielle Äussere und Innere sowie der faire Preis (Testwagen 33'050 CHF) werden die Hauptkaufargumente für die zukünftigen Civic-Fahrer sein. …Und wir Sportfahrer freuen uns schon mal auf den Type-R, der wahrscheinlich in drei Monaten in Genf vorgestellt wird.