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zuendung

16. Februar 2009

Von wegen graue Maus

Abarth | 0 Kommentare

Grigio Campovolo. Das ist nicht der Name eines italienischen Rennfahrers, sondern jener der Lackierung, die "unser" Abarth 500 trägt. Erstaunlich, wie polarisierend eine simple graue Farbe ganz ohne Metallic oder andere Effekte wirken kann. Die einen lieben sie, die anderen finden sie… nicht so schön. Doch der Rest der Optik kriegt 100%ige Zustimmung. Wenn Limousinenfahrer […]

Grigio Campovolo. Das ist nicht der Name eines italienischen Rennfahrers, sondern jener der Lackierung, die "unser" Abarth 500 trägt. Erstaunlich, wie polarisierend eine simple graue Farbe ganz ohne Metallic oder andere Effekte wirken kann. Die einen lieben sie, die anderen finden sie… nicht so schön. Doch der Rest der Optik kriegt 100%ige Zustimmung. Wenn Limousinenfahrer bremsen, wenn Porsches dir die linke Spur überlassen, wenn SUV-Beifahrerinnen ganz verzückt nach unten schauen, dann sitzt man in einem Abarth 500. Bei einem Mercedes-ML-Fahrer konnte ich gar das Wort "geil" auf den Lippen lesen. Ja, die sportliche Aufmachung mit Front- und Heckschürze macht schon was her. Die 17-Zöller stehen dem Kleinen ebenfalls gut und als Schmankerl gibt's noch das Stickerset mit den Abarth-Streifen obendrauf. Doch selbst in dieser für manchen Krawattenträger wohl zu krawalligen Optik erntet der kleine Italiener immer noch tonnenweise "Jö-ist-der-süüüüss-Aufschreie" aus der Damenwelt. Was ist dieser Abarth 500 nun? Ein kleiner Rennwagen für den Alltag, oder aber doch nur ein Salonlöwe ganz ohne sportliche Eigenschaften?


Grigio Campovolo: Es muss nicht immer Weiss sein.

Im Innenraum geht die Sportschau zunächst weiter. Zumindest dann, wenn man sich die 2100 Franken für die Lederinnenausstattung der Marke Frau nicht spart. Die Sitze sehen gut aus und sind auch bequem. Jedenfalls solange man nicht versucht zu fahren. Dann wird nämlich das nicht axial verstellbare Lenkrad im Zusammenspiel mit den zu hoch montierten und nicht höhenverstellbaren Sitzen zum Problem. Eine zufriedenstellende Sitzposition zu finden ist wohl schwieriger als einen Rubikwürfel in zehn Sekunden zu lösen. Nein, es ist sogar unmöglich. So sitze ich nun, in der von deutschen Publikationen vielzitierten Froschposition, und schaue mir den Rest des Inventars an. Grundsätzlich kennt man das Interieur vom Fiat 500. Es wurde aber mit einem etwas zu grossen Lenkrad, einem Lederschaltknüppel und einigen anderen Feinheiten aufgepeppt. Was bleibt ist dieser unsäglich unübersichtliche Tacho mit darin integriertem Drehzahlmesser und wiederum darin integriertem Digitaldisplay. Die Krönung ist, dass der Zeiger der Geschwindigkeitsanzeige ganz nach aussen reicht und so das kleine rote Strichchen bei 50 km/h perfekt überdeckt. Auch sonst ist die Skalierung 30-60-90-etc. alles andere denn übersichtlich.


Sounds good: Der Abarth 500 verwöhnt Passanten mit Rennsound.

Doch was soll's, ich sitze in einem Abarth 500, dem vielleicht coolsten neuen Auto überhaupt. Eine CD von Tiziano Ferro in die serienmässige Audioanlage und schon ist die Welt wieder in Ordnung. Am Zündschlüssel ist ein Anhänger aus Leder befestigt. Darauf befindet sich ein Abarth-Logo und gleich darunter eine kleine italienische Flagge. Und wie dieser Anhänger riecht… Irgendwie stecken alleine in diesem Geruch mehr Geschichten drin als in sämtlichen Mercedes- und Porsche-Innenräumen zusammen. Doch mit dem Dreh des Zündschlüssels erlischt zumindest ein Teil der grossen italienischen Leidenschaft wieder. Der 1.4-Liter mit Abgasturbolader klingt eher wie ein selbstzündender Diesel. Ganz anders jedoch die Wahrnehmung der anderen Verkehrsteilnehmer: Über die zweiflutige Auspuffanlage sprotzelt und frotzelt der Abarth schönstes Renn-Staccato. Für einmal hat man im Werbespot nicht übertrieben. Die kleine graue Rennmaus klingt tatsächlich so.


Italianità: Tiziano Ferro, Italo-Flagge am Schlüsselanhänger, feines Leder an Lenkrad, Schaltknauf und Sitzen.

Ein Auto soll ja bekanntlich nicht bloss klingen, sondern primär fahren. Schon auf den ersten Metern schliesst jeder Fahrer mit der ausgeprägten Anfahrschwäche des kleinen Turboaggregates Bekanntschaft. Wenn er erst einmal in Fahrt ist, geht er ab gut 2500 wie der Teufel. Um am Berg aber schnell zu sein, ist häufiges Schalten und Hochdrehen nötig. Gerade beim schnellen Schalten bekundet wohl manch ein Pilot Mühe mit der etwas unpräzisen Führung und den für ein sportliches Auto doch recht langen Schaltwegen. Auch hätte man sämtliche Gänge etwas kürzer auslegen und dafür noch einen sechsten als Spargang einbauen können. Darauf wurde leider verzichtet, der 500 von Abarth muss mit 5 Vorwärtsgängen auskommen. Der Lederschaltknauf entschädigt zumindest haptisch ein bisschen.


Café-Racer: Der Kleine erregt Aufsehen.

In Kurven will der kleine Graue dann am liebsten geradeaus. Ok, die Testbedingungen waren mit Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt und häufig feuchten Strassen auch nicht optimal. Wer sich traut lupft das Gaspedal kurz, damit das Heck zum mitlenken motiviert wird. So oder so ist auch die Lenkung etwas zu unsportlich. Ich fuhr immer im Sport-Modus, der sie ein wenig verhärtet, ihr aber noch kein wirkliches Fahrbahngefühl gönnt. Die Übersetzung ist eine Prise zu indirekt für meinen Geschmack. Dafür stimmt auch hier die Haptik. Das Lederlenkrad verströmt genau jene Portion Rennfeeling, die man sich früher aus dem Zubehör holen musste. Doch eigentlich liegt ihm das Rennen nicht wirklich in den Genen, eher muss er dazu geprügelt werden. Ich schätze mal, dass die meisten Fahrer ihren 500 trotz 135 Turbo-PS eher als lässig-coolen Cruiser, denn als Bergprüfungssekundenbruchteilsjäger fahren werden. Das ist durchaus vernünftig. Doch wenn ich im Abarth 500 sitze, ist mir irgendwie nicht nach vernünftig sein…


Neid: Duropiloten würden sofort tauschen.

Der Abarth 500 ist in erster Linie ein Auto für die Geniesser unter uns. Der Duft kurviger italienischer Landstrassen weht einem auch im tiefsten Schweizer Winter entgegen. Weil sich auch Passanten ob dem kleinen flinken Italiener erfreuen, kann man den 500 von Abarth getrost als Feelgoodmobil bezeichnen. Während den einen die Optik zu krawallig ist, fehlt mir vor allem der Motorsound im Innenraum ein wenig. Beim Abarth-Fahren möchte ich nicht diese dieselähnlichen Geräusche hören. Aber natürlich ist das ein blosses Detail. Der Verbrauch dürfte sich bei etwa 7,5 Liter einpendeln. Wer den Turbo ab und zu früh morgens über Gotthard, Nufenen, Grimsel und Co. scheucht, dürfte bei deutlich über 10 Liter landen. Der Basispreis von 28'500 CHF hat für die Abarth-Fangemeinde bestimmt nur theoretische Bedeutung, die 500er werden individualisiert bis man sich vom investierten Geld auch einen guten alten 695er dazu hätte leisten können. Das Testexemplar schlug mit 31'300 Franken zu Buche. Vor allem das Leder ist seinen Preis wert, auch wenn die Sitze wie erwähnt nicht optimal einstellbar sind.

So unperfekt sie auch sein mag, so sehr werde ich die kleine graue Rennmaus vermissen.