Dass gerade ein Vertreter der längst ausgestorbenen Spezies der Fliesshecklimousine der erste grosse elektrische VW sein würde, konnte man nicht annehmen. Einen elektrischen Touareg hätte man eher kommen sehen, aber den ID.7? Und doch steht er jetzt da, in seiner vollen Länge von fast 5 Meter (4,96m). Eine beeindruckende Erscheinung, selbst in der eher unauffälligen Farbe Gletscherweiss mit schwarzem Dach, wie sie der Testwagen trägt. Übrigens gibt es den ID.7 Pro in vier verschiedenen Graustufen und daneben noch in Aquamarinblau, das Dach ist immer schwarz. Die zurückhaltende Farbpalette kennt man von der Premium-Konkurrenz.
Doch kann der Neue auch tatsächlich in dieser Liga mitspielen? Die Ausstattungsliste liest sich verheissungsvoll: Massagesitze, Matrix-LED-Licht, diverse Assistenten, Panoramaglasdach, adaptives Fahrwerk und Progressivlenkung sind beim Testwagen an Bord. So aufgerüstet entfernt man sich recht weit vom Basispreis von 68’000 Franken und landet im Falle des Testwagens bei 80’830 Franken. Für diesen Preis gibt es auch schon einen Mercedes EQE in Grundausstattung, der in den Dimensionen sehr ähnlich ist.
Kommen wir zu den wichtigen Zahlen: Der Akku fasst maximal 77kWh, der Elektromotor an der Hinterachse leistet maximal 210kW, was 286PS entspricht. Vorne unter der Haube gibt übrigens nur Technik zu sehen, keinen vorderen Kofferraum (genannt Frunk). Wie bei Elektroautos üblich, ist auch die neue VW Limousine relativ schwer: 2170kg. Somit ist auch die Beschleunigung auf 100km/h mit 6,5 Sekunden (Werksankgabe) nicht sonderlich zackig. Dazu sei angemerkt, dass der ID.7 trotz Heckantrieb gar nicht erst versucht, auf sportlich zu machen. Komfort steht im Vordergund, das merkt man ab dem ersten Meter.
An der Lenksäule dreht man den Wählhebel auf D, Einschalten mittels Startknopf kann man sich schenken. Schon rollt der weisse Riese los. Praktisch geräuschlos summt er durch die Tiefgarage. Den lautesten Ton gibt noch der Blinker von sich. Elektroauto-typisch ansatzlos beschleunigt er auf die Hauptstrasse. Kaum kommen die ersten Kurven, kann er mit seiner Progressivlenkung punkten. Das Fahrwerk verhält sich auch in der härtesten der einstellbaren Stufen noch komfortabel, was angesichts der grossen Räder durchaus erwähnenswert ist. Schade, glaubt VW noch immer nicht an den One-Pedal-Mode. So muss der Fuss immer mal wieder das Bremspedal bedienen. Hier wäre eine Wahlmöglichkeit wünschenswert. Auch sonst ist die Stärke der Rekuperation eher zufällig. Teils bremst das Auto aufgrund der kommenden Tempobeschränkung oder wegen eines vorausfahrenden Fahrzeugs, teils aber auch nicht.
Ansonsten ist das Fahrerlebnis sehr angenehm und entspannt. Das liegt nicht zuletzt an den sehr komfortablen Sitzen. Die können nicht nur wärmen und kühlen, es stehen auch verschiedene Massage-Modi zur Verfügung. Darüber hinaus sind sie mittels Sensoren fähig, schweissige Rücken zu erkennen und sie mit entsprechender Belüftung zu trocknen. Eher gewöhnungsbedürftig, dass die Lüftungsdüsen der Klimaanlage nicht mehr manuell verstellt werden können. Dies läuft via Touchscreen und dementsprechend eher müh- und vor allem langsamer. Da mutet es fast etwas ironisch an, dass einen das Auto mahnt, wenn man zu lange auf den grossen Bildschirm schaut, man solle sich wieder der Strasse zuwenden. Immerhin hat man bei VW jetzt begriffen und die Slider zur Regulierung von Lautstärke und Temperatur sind nun bei Dunkelheit beleuchtet.
In der Dunkelheit kann der ID.7 auch sonst überzeugen. Sein Matrix-LED-Licht spannt sich wie ein leuchtendes Zelt über jene Bereiche, die erhellt werden sollen und spart andere Fahrzeuge aus. Im Innenraum lässt sich die Ambientebeleuchtung in den verschiedensten Farben einstellen, was Mitfahrerinnen durchaus auch mal ein paar Minuten kreativ sein lässt. Den Fussraum violett, die Zierleuchten gelb und oben wieder violett? Klar, das geht. Bei solchen Spielereien denkt man auch gerne mal an die Konkurrenz aus den USA, die sich noch etwas weiter in die Gamefication traut. Doch das hat man in Wolfsburg in dieser Klasse nicht vor.
Dann bleibt noch die wichtigste Frage bei einem Elektroauto: Wie weit kommt man damit? Ausgehend von den 77kWh Batteriekapazität und einem Testverbrauch von 22kWh auf 100 Kilometer, käme man bei den aktuellen Bedingungen (ca. 10°C) 350 Kilometer weit. Auf Reisen hilft die Schnelllademöglichkeit. Sie verträgt bis zu 175kW, was nicht superschnell ist. Nach einer etwas längeren WC-Pause dürften trotzdem wieder knapp 80% Ladestand im Display stehen.
Urlaubsreisen sind mit dem ID.7 mit etwas Planung also problemlos möglich. Zumal der gut zugängliche und anständig grosse (530L) Kofferraum praktischer zu beladen ist, als bei einer klassischen Stufenhecklimousine. Die hinteren Plätze sind bequem, solange man nicht auf dem schmalen Mittelsitz platznehmen muss.
Aussen sieht der Neuankömmling bekannt aus. Fast so, als wäre er schon länger hier. Das Design kennt man von ID.3, ID.4 und ID.5. Durchgezogenes Leuchtenband vorne und hinten, fliessende Linien. Wie bei den SUV gibt es hier einen farblich betonten Dachbogen. Im Dach versteckt sich dann auch das letzte Highlight: Das Fenster lässt sich elektro-chromatisch von transparent auf opak schalten. Wie viel Sonne dieses System tatsächlich abhält liess sich im Testzeitraum leider nicht herausfinden.
Was dagegen klar wurde: VW ist mit dem ID.7 ein sehr fähiges Auto geglückt, das vor allem mit seinem Komfort zu überzeugen weiss. Design und Fahrleistungen können andere besser. Wer Platz, gute Assistenten und Top-Sitze sucht, wird hier fündig. Der hohe Preis relativiert sich mit Blick auf die Ausstattung. Und weil bei der Premium-Konkurrenz meist noch ziemlich viel zusätzlich bezahlt werden will, passt die Positionierung des ID.7 durchaus. Für die Schweiz wäre Allradantrieb wünschenswert, den es leider erst in der Spitzenversion GTX geben wird.