Für einmal fahren wir keinen Porsche 911 Turbo, keinen Audi R8 und auch keinen Audi S5. Nein es geht dieses Mal um eine konventionelle Mittelklasselimousine, die vor Kurzem in der neusten Generation auf unserer Strassen rollte: Der Audi A4.
Mercedes ist komfortabel, BMW sportlich und wo ist Audi? Der neue Audi A4 versucht diese Frage zu beantworten. Mittlerweile gehört die Marke aus dem VW-Konzern zu den arrivierten Grössen im Premiumgeschäft, was eine klare Positionierung undabdingbar macht. Das neuste Pferd aus dem Ingolstädter Gestüt setzt ebenso auf die neue Plattform, wie das Coupé A5. Dem Untersteuern hat man nun also auch in der Mittelklasse den Kampf angesagt. Dazu kommt eine grössere Freiheit für die Designer, da der vordere Überhang nun deutlich kürzer ausfallen kann. Doch die Mannen in Audis Designabteilung möchten offensichtlich gar nichts Neues anfangen, der A4 ist für Laien kaum als neues Fahrzeug zu erkennen. Hätte er nicht den Christbaumschmuck in den Frontscheinwerfern, den man bei Audi Tagfahrlicht zu nennen pflegt, auffällig wäre am A4 nur seine Unauffälligkeit.
Doch vielleicht tue ich den Zeichnern von Audi Unrecht und die Kunden wollen genau das: Ein dezentes Auto mit übrzeugenden inneren Werten. Beim getesteten Exemplar lauten diese Werte: Zweiliter Diesel mit 143 PS und 320 Nm. Und zum Leben erweckt werden sie durch einen Druck auf den Schlüsselklotz. Immerhin konnte man sich die Spielerei des Startknopfes verkneifen. Ansonsten ist aber genügend technisches Equipment an Bord. MMI, Side Assist und Bang & Olufsen Sound heissen nur einige davon. Zunächst will ich aber wissen, wie der neuste A4 sich fährt. Der Diesel fällt durch seine akustische Zurückhaltung auf, die Passagiere bekommen kaum etwas vom selbstzündenden Antrieb mit.
Schlund: Nach anfänglicher Ablehnung hat man sich an das Audi-Riesenmaul gewöhnt
Deutlich stärker spürbar sind da schon die Fahrbahnunebenheiten. Das Fahrwerk macht keinen Hehl daraus, auf Sportlichkeit und Agilität getrimmt zu sein. Während es den grossen Diesel (3.0, 240 PS) aktuell nur mit Allradantrieb gibt, muss der Zweiliter momentan noch auf den traktionsverbessernden quattro-Schriftzug am Heck verzichen. Tatsächlich sticht mir die in engen Kurven wie verrückt blinkende die ESP-Leuchte ins Auge. Wer nicht darauf achtet, wird den Eingriff des elektronischen Helfers kaum bemerken, so fein arbeiten die heutigen Systeme. Die Lenkung, die beim S5 Grund für Kritik war, ist für den A4 sehr schön abgestimmt worden. Für mich könnte sie noch ein Spürchen direkter ausgelegt sein, im grossen und ganzen ist sie aber sehr mitteilsam und genau. Weiterhin nicht perfekt gelöst ist die Schaltung, die mit hakeligen Wegen nervt.
Gähn: Spannende Heckansichten sehen anders aus
Auch der Audi A4 wächst ständig weiter und ist mittlerweile 52cm länger als der erste Audi 80 von 1972. Das kam zum einen der Sicherheit zugute und zum anderen sitzen heute vier Personen bequem im Mittelklasse Audi. Erscheckend: Mit 1,83m ist er inzwischen nur noch 2 cm schmaler als ein Porsche 911. Wenn man bedenkt, dass es über dem A4 noch den A6 und den A8 gibt, sollten die europäischen Länder vielleicht einmal eine allgemeine Verbreiterung der Parkplätze ins Auge fassen. Immerhin bietet der A4 nebst einigermassen grosszügigem Innenraum auch einen ansprechenden Kofferraum mit 480 Liter Volumen.
Gut gedacht, schlecht umgesetzt: MMI mit viel zu vielen Knöpfen
Volumen ist das Stichwort: Die Bang & Olufsen Sound Anlage bietet jede Menge davon. 14 Lautsprecher und 505 Watt Gesamtleistung lassen den A4 beben. Phänomenal! Weniger begeistert hat mich das MMI. Es ist eigentlich leicht über den Dreh-Drückknopf zu bedienen, doch neben diesem sind noch diverse andere Buttons mit Beschriftung angeordnet, so dass man den Blick während der Fahrt hinter den Schalthebel lenken muss. In meinen Augen ein eindeutiges Sicherheitsrisiko und eine Verschlechterung gegenüber konventionellen Tasten an der Mittelkonsole.
Gelungen: Vor dieser Kulisse nimmt man gerne Platz
Aber ich gehe mal davon aus, dass in der Praxis wohl sowieso eher wenig am MMI herumgespielt wird. Ansonsten ist der A4 nämlich sehr wohl praktisch orientiert und auch das Thema Sicherheit wurde weiter vertieft. So warnt der Side Assist mit einer LED-Leiste an der Innenseite des Aussenspiegels vor einem sich im toten Winkel befindlichen Fahrzeug. Auch die Fahrsicherheit ist sehr hoch, wofür neben dem für einen Fronttriebler neutralen Fahrverhalten auch die entschlossen zupackenden Bremsen verantwortlich sind.
Elegant: Im Gegensatz zum gekünstelten A5 wirkt die Seitenlinie des A4 stimmig
Der Basispreis des hier getesteten Fahrzeugs liegt mit 45'250 CHF schon nicht gerade tief. Doch wer sich in der Liste mit dem unverfänglichen Titel "Mehrausstattungen" ein bisschen austobt, kommt leicht und locker über 60'000 Franken. Das dünkt mich in Anbetracht des Vierzylinders unter der Haube doch ein bisschen viel. Dafür kann man dann das neuste Produkt der dritten Kraft im deutschen Premiumangebot lenken. Der Audi A4 wird wohl von jenen gekauft werden, die nicht unbedingt die Sportlichkeit eines BMW 3ers möchten, denen aber eine Mercedes C-Klasse wieder zu sehr nach Establishment und biederem Design riecht. Tatsächlich ist Audi mit dem neuen A4 ein guter Kompromiss geglückt, der mit dem sparsamen und doch bissig am Gas hängenden Zweiliter Diesel mehr als vernünftig motorisiert ist.