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zuendung

25. August 2007

White is beautiful

Porsche | 0 Kommentare

Weiss ist nicht mehr nur die Wahl der Scheichs in den Arabischen Emiraten. Auch hier wird die einst nur für Vertreterkombis lieferbare Farbe wieder salonfähig. Kein Wunder wenn man sich zum Beispiel den neuen Porsche 911 Turbo in der unschuldigsten aller Lackierungen zu Gemüte führt. Der Zuffenhausener Legende gelingt der stilistische Balanceakt zwischen rattenscharf und […]

Weiss ist nicht mehr nur die Wahl der Scheichs in den Arabischen Emiraten. Auch hier wird die einst nur für Vertreterkombis lieferbare Farbe wieder salonfähig. Kein Wunder wenn man sich zum Beispiel den neuen Porsche 911 Turbo in der unschuldigsten aller Lackierungen zu Gemüte führt. Der Zuffenhausener Legende gelingt der stilistische Balanceakt zwischen rattenscharf und peinlich souverän. "Carraraweiss" steht dem 997 Turbo hervorragend. Trotzdem sollte man über ein gerüttelt Mass an Selbstbewusstsein verfügen, denn ein weisses, flaches, fast 2 Meter breites Auto fällt nun mal auch. Andernfalls sieht der Turbo auch in Dunkelgrau sehr gut aus, besonders dann, wenn die Bremssättel in Gelb lackiert sind. Das sind sie grundsätzlich nur, wenn der Kunde die 14'000 Franken für die Keramikbremsanlage ausgibt. Natürlich kann man die Bremssättel auch einfach so in Gelb lackiert bestellen, aber das würde zu tief in den Preislistendschungel führen. Wir drehen unserem Namen entsprechend lieber einmal am Zündschlüssel.

Dessen Platz ist natürlich weiterhin links von der Lenksäule. Wer noch nie das Glück hatte, einen Porsche auch nur für ein paar Minuten zu bewegen, dem sei gesagt: man gewöhnt sich fast zu schnell an die neue Platzierung. Und rammt den Schlüssel bei der nächsten Benutzung eines "konventionellen" Fahrzeugs in die Kunststoffmasse des Armaturenbretts. Konventionell ist ein Turbo nie. Schon immer kam er mit dem grossen, auffälligen, fest installierten Flügel am Heck daher.
Seit der letzten Generation findet sich darauf noch ein ausfahrbarer Zusatzflügel. Überraschend konventionell, ja fast harmlos gibt sich der Klang des Aggregats beim Start. Von Beginn an erfreue ich mich an der verglichen mit dem Vorgänger viel leichtgängigeren Lenkung.

Die Lenkung ist aber nicht nur mit weniger Kraftauwand zu bedienen, sondern überzeugt auch mit einer superben Genauigkeit. Erst muss das Höllenaggregat natürlich warm gefahren werden. Zuviele Turbos haben in der Vergangenheit durch unsachgemässe Behandlung den Hitzetod sterben müssen. Ein bisschen verstehe ich das zwar schon, bei 480 PS juckt es einen halt ein bisschen im Gasfuss. Das sind im übrigen wieder 60 mehr als im letzten Turbo. Wenn die Temperaturanzeige dann endlich bei 80° C angekommen ist, gibt es kein Entrinnen mehr: Pedal to the Metal. Der absolute Wahnsinn. Es ist, als würde man ein Hochgeschwindigkeitszoom benützen um die Strasse abzufahren. Der Schub von 620 Newtonmeter will fast nicht enden, bleibt von knapp 2000 U/min bis hinauf auf 5000 Umdrehungen permanent auf diesem Nivau. Gefühlsmässig kommt das locker einem Flugzeugstart gleich.

Nun kann ein Flugzeug nicht wirklich enge, schnelle kurven Fahren, so lange es noch auf dem Boden weilt. Wie sieht das mit dem 911er aus? Tatsächlich wurde das Handling noch einmal massiv verbessert. Gibt man vorsichtig Gas, bleibt das ESP arbeitslos und die Kurven werden nur so weggefressen. Als ich in einem Kreisel etwas übertreibe, gibt es einen winzig kleinen Moment der Untersteuertendenz, der dann aber augenblicklich vom elektronischen Wächterchen korrigiert wird. Auch wenn das Porsche Kultmodell weiterhin unter seinem konstruktiven Nachteil des Heckmotors leidet, kann der neue 911 Turbo wirklich von jedem Laien betrieben werden. Speziell dann, wenn die 5-Gang-Automatik an Bord ist. Tatsächlich ist der Automat im Porsche endlich ein brauchbarer Begleiter geworden. Lange Jahre quälten sich die Kunden mit dem Schneckentempo des Getriebes herum, das neue Räderwerk schaltet nun sogar schneller als jeder konventionell bediente Hebel. 3,7 Sekunden lautet die Zeit für den Paradesprint auf 100 km/h. 0,2 Sekunden schneller als mit Handschaltung.

Ist der Porsche 911 Turbo mit der Tiptronic S genannten Automatik also endlich auch so richtig sportlich? Jein. Als ich etwas zackiger über die Landstrasse zu fahren gedenkt, verheddere ich mich immer wieder mit den winzig kleinen Lenkradtasten der Tiptronic S. S scheint hier also eher für Show als für Sport zu stehen. Es bleibt die Frage, warum sich die Zuffenhausener für diese komischen Schalterchen entschieden haben, wo doch andere wunderbare, metallene Wippen hinter dem Lenkrad bieten. Nicht nur ein Maserati Quattroporte ist hier ergonomischer, auch im VW-Konzern gab es mit dem Golf R32 der ersten Generation ein Auto, das über perfekte Schaltpaddel verfügte. Manchmal ist es eben nicht so klug, das Rad neu erfinden zu wollen. Nun gut, die meisten Käufer werden sowieso im Stadtverkehr unterwegs sein und dort die Vorzüge der komfortablen Automatik schätzen. Für sportliche Naturen gibt es die Möglichkeit, eine Sport Taste zu betätigen, die Fahrwerk und Schaltung etwas rassiger erscheinen lässt. Dann ist die weisse Flunder bretthart und reagiert noch spontaner auf meine Gasbefehle, der Sound bleibt aber wie er ist. Mit dem Klang ist das so eine Sache. Während man den Saug-Versionen des 911ers inzwischen wieder fast die alten Luftheuler-Gesänge antrainiert hat, klingt der Turbo im innern bei Vollast eher wie ein getretener Diesel-LKW. Das ist zwar kein objektives Kritierium, aber mich würde das schon ziemlich stören. Schliesslich gibt es in dieser Preisregion auch Autos, die einem bei jedem Gasstoss eine Gänsehaut verpassen.

Zum Preis gleich eine Vorwarnung: Porsche erhöht den Grundpreis beim 911 Turbo um 6,6%. Klingt nach wenig? Klar, bei einem Renault Mégane Sport würde das gerade einmal 2400 Franken Unterschied bedeuten. Beim schnellen Zuffenhausener sprechen wir von fast 14'000 CHF.

Trotzdem hat der neue Porsche 911 Turbo mit Tiptronic S natürlich diverse Vorzüge. Der Preis liegt mit 205'000 CHF (Preiserhöhung noch nicht eingerechnet) zwar sehr hoch, ist aber dem Markt angepasst. Für viele Kunden dürfte es entscheidend sein, dass sich hinter den Vordersitzen ein grosser Kofferraum, den manche auch Rücksitze nennen befindet. Abgesehen davon ist der neue Turbo sehr alltagstauglich und mit seinem neuen Fahrwerk auch durchaus komfortabel. Mir persönlich ist der Innenraum für ein Auto dieser Preiskategorie noch immer viel zu billig gemacht. Was wie Metall ausschaut, muss Metall sein. Aber für viele Innenraumteile gibt es in der Optionenliste die Möglichkeit, Kunststoff durch Leder oder andere Materialien zu ersetzen. Neben seiner fast schon brutalen Schnelligkeit bringt er ein unvergleichbares Image mit sich. Und doch unterscheidet er sich diesbezüglich entscheidend von Ferrari, Lamborghini oder auch Corvette. Seltsamerweise hat Porsche es nämlich geschafft, dass man die Fahrer im Volksmund nicht als Protzer abtut. Ausser vielleicht, sie bestellen ihren Turbo in Weiss.