Seite wählen

zuendung

6. Juli 2011

Zwei Kolben für ein Halleluja

Fiat | 0 Kommentare

Heute dreht man sich verwundert um, wenn ein Citroën 2CV, ein historischer Fiat 500 oder ein halbwegs moderner Aixam vorbeituckert. Der Zweizylinder ist längst aus dem akustischen Verkehrsalltag verschwunden, wenn man von den stampfenden Harley- und den bollernden Ducati-Motoren einmal absieht. Bei den Autos galt sogar bis vor wenigen Jahren die Maxime "Je mehr Zylinder […]

Heute dreht man sich verwundert um, wenn ein Citroën 2CV, ein historischer Fiat 500 oder ein halbwegs moderner Aixam vorbeituckert. Der Zweizylinder ist längst aus dem akustischen Verkehrsalltag verschwunden, wenn man von den stampfenden Harley- und den bollernden Ducati-Motoren einmal absieht. Bei den Autos galt sogar bis vor wenigen Jahren die Maxime "Je mehr Zylinder desto besser". Das gipfelte in 16-Zylinder Extremsportwagen, V12-Diesel-Pseudogeländewagen und V10-Familienkutschen. Eine ziemliche Perversion, wenn man bedenkt, dass jeder Zylinder mehr auch mehr innere Reibung und damit mehr Treibstoffverbrauch bedeutet. Weil Fiat seine Stärken schon immer im Bau von kleinen Fahrzeugen hatte, ist es nicht weiter verwunderlich, dass gerade die Italiener zum einst so populären Zweizylinder zurückfinden.

Doch wer Fiat in den letzten Jahren verfolgt hat weiss, dass man in Turin gerade im Motorenbereich nicht nur die Sparsamkeit in den Vordergrund stellt. Die dynamischen Multiair-Aggregate sind die besten Beweise dafür. Auch im Fiat 500 kommt jetzt ein "Air"-Motor zum Einsatz; der TwinAir nämlich. 85 PS holt man aus 875 Kubikzentimeter. Der Turbomotor verfügt zudem über eine Start-/Stopp-Automatik und einen Eco-Modus, der die Leistung für eine noch bessere Effizienz um 7 PS schmälert. Wird der kleine Retroflitzer damit zum Verzichtsmobil? Genau das wollten wir in unserem Test herausfinden.

Zunächst einmal wird man wie in allen "neuen" Fiat 500 von einem zeitgenössischen Cockpit mit klassischen Details empfangen. Das in der hellblauen Wagenfarbe gehaltene Armaturenbrettdekor passt bestens zur beigen Stoffinnenausstattung. Dort wo sich in den sportlichen Abarth-Brüdern der Sportknopf findet, drückt man hier auf "Eco". Ob damit die vom Werk angegebenen 4,1 Liter Verbrauch erreicht werden können? Am Zündschlüssel gedreht und schon erklingt der so fremd gewordene Zweizylindersound. Fast ein wenig nach Diesel und nicht besonders motiviert tönt er. Das ändert sich mit dem Einsetzen des Turboschubs schlagartig. Die dann anliegenden 145 Newtonmeter beschleunigen das nur eine Tonne schwere Wägelchen ordentlich.

Doch im Tacho mahnen mich die Hochschaltpfeile längst, eine höhere Fahrstufe einzulegen. Das tun sie derart früh, dass man bei rechtzeitigen Befolgen der Anweisungen jedes Mal das Gefühl kriegt, die Kolben müssten nahezu still stehen. Doch weder die Kolben, noch das fröhlich hellblaue Gefährt stehen still. Begleitet von doch merklichen Vibrationen komme ich meiner Schaltpflicht also nach. Denn schliesslich soll am Ende des Tests die 4 vor dem Komma stehen. Selbst bei sehr ökologischer Fahrweise kein Verkehrshindernis zu sein, ist die wirklich hohe Kunst des 500er-Fahrers.

Sollte ich tatsächlich einmal etwas gar langsam unterwegs sein, ist das liebenswerte Design des auf dem Panda basierenden Kleinwagens das grösste Plus. Einem so schnuckeligen Autochen kann man doch einfach nicht böse sein. Das geht mir als Fahrer gleich: Eigentlich ist der Kofferraum zu knapp und auf den Rücksitzen stossen selbst relativ zierliche Zeitgenossen mit mehr als bloss der Frisur an den Dachhimmel. Es sind viele kleine Kompromisse, die man als Fahrer eines 500 eingehen muss. Oder will? Auf jeden Fall tun einem die wenigsten Unannehmlichkeiten richtig weh. Nur das Blue&Me – Fiats hauseigene Multimediaintegration – hätte ein ordentliches Update verdient. Die Bedienung über die kryptisch beschrifteten Lenkradtasten ist bestenfalls wenig intuitiv. Als Pluspunkt ist hier einzig zu vermerken, dass das System nun endlich die Musikbibliothek im doch recht verbreiteten Apple iPhone erkennt.

Übrigens: Für 27 Apple iPhone 32 GB erhält man unseren Testwagen beim Fiat-Händler. Der geteste Fiat 500 TwinAir Turbo Lounge steht nämlich mit 24'270 CHF in der Preisliste. Die Ausstattungslinie Lounge enhält weitgehend alles, was man in einem modernen Kleinwagen nicht vermissen will. Für meinen Geschmack enthält es mit dem Panoramaglasdach sogar einen Posten zu viel. Denn die wunderbare Nach-Oben-Aussicht ist toll, führt aber mitunter dazu, dass die Klimaanlage vermehrt eingeschaltet werden muss. Wer wie ich auf einer 4,x L-Mission ist, lässt den Klimakompressor lieber ruhen, um zusätzlich Sprit zu sparen.

VW hat uns ja bereits vor einem Jahrzehnt bewiesen, dass ein kleiner Dieselmotor mit etwas mehr als 3 Liter zu betreiben ist. Schafft Fiat nun tatsächlich den Sprung weit unter die Fünfliter-Marke? Um es kurz zu machen: In meinem Testbetrieb schluckte der Zweizylinder des 500 5,2 Liter, was leider nicht eben berauschend ist. Das mag teilweise an den sommerlich hohen Temperaturen gelegen haben. Andererseits scheint es mir quasi unmöglich, mehr als einen Liter weniger zu verbrauchen, ohne wirklich nur noch auf der Strasse herumzukriechen.

Der Fiat 500 ist auch als TwinAir ein wunderbarer Kleinwagen, der alleine schon durch seine Form und Farbe die Sympathien auf seiner Seite weiss. Soeben mit dem Engine of the Year Award ausgezeichnet kann auch das Zweizylinderwunderwerk nicht zaubern. Der Verbrauch ist für die gebotene Leistung in Ordnung, kann aber nicht als sonderlich tief bezeichnet werden. Mehr als in Ordnung, nämlich richtig gut ist der Fahrspass an Bord des Fiat 500 TwinAir. Der Turboschub befriedigt kurzfristig trotz mickrig scheinenden 85 PS auch Leistungshungrige.Für den Preis von gegen 25'000 Franken gibt es grössere und bestimmt auch praktischere Autos. Aber nur wenige, die einen ohne echten Verzicht derart fröhlich durch den Alltag tuckern lassen.