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zuendung

19. Dezember 2010

La mia Mozzarella

Fiat | 0 Kommentare

Evo? Das klingt nach 260 Turbo-PS und Spoiler am Heck. Dabei will uns Fiat nur mitteilen, dass der Grande Punto in überarbeiteter Form daherkommt. Und wie der überarbeitet wurde! Das bildschöne Gesicht, das mich stets ein wenig an Maserati erinnert hat, ist einfach weg. An dessen Stelle findet sich nun ein grosses schwarzes Loch, das […]

Evo? Das klingt nach 260 Turbo-PS und Spoiler am Heck. Dabei will uns Fiat nur mitteilen, dass der Grande Punto in überarbeiteter Form daherkommt. Und wie der überarbeitet wurde! Das bildschöne Gesicht, das mich stets ein wenig an Maserati erinnert hat, ist einfach weg. An dessen Stelle findet sich nun ein grosses schwarzes Loch, das von einer ebenfalls dunklen Spange in zwei Bereiche geteilt wird. Darüber ist das Logo von Fiat etwas angewachsen. Es wird von einem prominenten Chromstreifen flankiert. Kurz gesagt: Schön ist anders. Hier wurde wohl versucht, eine gewisse Ähnlichkeit zum 500 herzustellen. Tatsächlich wurde die Front dadurch ziemlich verunstaltet.

Aber wir wollen den weissen Kleinwagen ja nicht alleine aufgrund seiner missratenen optischen Auffrischung am Vorderwagen abschreiben. Dazu ist das Aggregat unter der mozzarellaweissen Haube viel zu appetitlich. Der 1.4 Liter verfügt über die MultiAir-Technologie, durch welche auf der Einlassseite auf eine Nockenwelle verzichtet werden kann. Die Ventile werden elektrohydraulisch betätigt, was nahezu vollvariable Steuerzeiten erlaubt. In der von mir bewegten Topversion, soll ein Turbo für zusätzlichen Schub sorgen. Mit 135 PS wahrt er aber einen ordentlichen Abstand zu den 163 des Abarth und den 170 des Alfa Romeo Mito mit Kleeblatt.

Damit wäre schon klar, dass der Punto Evo trotz seines Namens mit Rallyegenen keine sehr sportlichen Ambitionen hegt. Trotzdem sind bequeme Sportsitze verbaut, die mit ihrer Golfballoberfläche auch haptisch für das gewisse Etwas sorgen. Nur schade, dass sie wie so oft in italienischen Autos ein bisschen zu hoch eingebaut sind, was den Fahrer in die vielzitierte Froschhaltung zwingt. Hat man sich daran gewöhnt, ist auch der überarbeitete Punto ein Auto, das einfach funktioniert. Über das beim Testwagen installierte Blue&Me-Navigationssystem lässt sich das nur teilweise sagen. Die Grundidee, Navi und Telefonanbindung direkt über die Bedienelemente am Lenkrad zu steuern ist sicher lobenswert. Leider ist die Bedienung für Technik-Laien wohl zu umständlich.

Ganz und gar ohne Umstände funktioniert die Start-Stopp-Funktion des Motors. An der Ampel kupple ich kurz aus und schon stirbt der Motor ab. Bei erneutem
Betätigen des linken Pedals erwacht die Downsizing-Maschine wieder zum Leben. Ein unaufgeregtes, aber souveränes Leben. Bereits bei wenig über 1000 Umdrehungen drängt die winzige Maschine vorwärts. Bullig wie eine Zweilitermaschine aus vergangenen Zweiventiltagen schiesst der Downsizer los. Das macht den Mozzarella-ähnlichen Fünftürer zum entspannten Begleiter im Alltag. Einfach Gas geben und abdüsen – nicht wie einst im 750er Panda, dessen Gänge ausgedreht werden mussten um im Verkehr mit zu schwimmen.

Mitfahrende schwärmen von der extravaganten Innenraumgestaltung. Selbst das hochglanzpolierte schwarze Plastik begeistert einige. Fest steht, der Evo sticht aus der deutsch-asiatisch dominierten Klasse heraus. Wie Glitzer im Dekolleté oder eine weiss umrandete Sonnenbrille scheidet der Italiener die Gemüter. Praktisch ist er ohnehin, lassen sich die kurzen Seitentüren doch weit öffnen, ohne nebenan geparkten Wagen ins Blech zu drücken. Fünf Personen und Gepäck nimmt er problemlos mit – nur im Vergleich zu den anderen Parkplatzhütern vor dem Supermarkt eben mit Stil. Nachteilig kann sein, dass man sich in der wohlgestalteten Umgebung rasch „underdressed“ fühlt. Batik T-Shirts fahren besser im verblassten Mazda 323 als im Punto.

Trotz der erwachsenen Motorisierung begeistert der Punto mit einer gerade noch genügenden Portion Unvernunft. Lackiertes Armaturenbrett, die ausgefallenen Sitze – und wie vom Italiener erwartet: Einige für den Durchschnitts(golf)fahrer unlogisch angeordnete Knöpfe und Schalter. Wer auf Gebrauchswert abzielt, ab Deutschem Grau jedoch nicht aus dem Häuschen gerät, fährt mit dem Evo richtig. Er belohnt die Lebenseinstellung, bei der alles möglich sein, aber trotzdem gut aussehen muss.
Auf der Redaktion haben wir den Punto in unsere Herzen geschlossen. Es könnte eine Liebesgeschichte sein: Einige Falten im Gesicht, aber immer noch schön und für alles bereit. Kosename: Mozzarella

Vielen Dank an das Italian Motor Village für die ganz schön praktischen Testkilometer.
Text: Marc Wegmüller & Amadé Fries Bilder: Marc Wegmüller