Schluss, aus, vorbei. Bald gibt es keine Alpine A110 mehr. Zumindest nicht so, wie wir sie in den letzten Jahren kennen und lieben gelernt haben. Die Elektrifizierung macht auch vor der Kultmarke aus dem nordfranzösischen Dieppe nicht Halt. Grund genug für eine allerletzte Ausfahrt in der blauen Flunder. Passend dazu neigt sich auch das Jahr bald Richtung schneebedeckte Pässe. Denn eine Testfahrt mit einer Alpine ohne Passüberquerung, das ginge gar nicht.

Kompakt: Parkplatzsuche leicht gemacht
Was eigentlich auch nicht geht: Die A110 in einer anderen Farbe als Alpine-Blau. Und doch halten die Franzosen zum Ende des Modells eine Palette bereit, die breiter kaum sein könnte. Gratis gibt’s nur Weiss, gegen Aufpreis Grau bis Schwarz. Der typische Lack, für den man sich zum Glück auch beim Testexemplar entschieden hat, kostet 2150 Franken wobei die Bremszangen in gleicher Farbe nochmals 400 Franken verschlingen. Darüber hinaus werden sogenannte Atelierfarben angeboten, deren 21 Ausprägungen von 0 bis 7500 Franken verschlingen können. Daher hier nochmals der Tipp: Bleu Alpine wählen, that’s it and that’s all.

Bleu Alpine: Andere Farben bräuchte es für die A110 eigentlich gar nicht
Ich ertappe mich, wie ich noch immer mit einer gewissen Ehrfurcht um die A110 herumschleiche. Einerseits ist das wohl der schieren Ästhetik geschuldet, andererseits aber auch dem ewigen Sportwagenrezept mit wenig Gewicht, Mittelmotor und Heckantrieb. Klar gibt es das auch noch bei Porsche oder Lotus, jedoch wiegen beide Konkurrenten etwa 200 Kilogramm mehr. Die Konsequenz des französischen Entwicklungsteams bleibt bewundernswert. Selbst die bereitstehende „Komfortversion“ GTS ist nur 110 Kilo von der Eintonnengrenze entfernt. Krass.

Perfekt: Bessere Sitze gibt’s selten, hier sogar mit Komfort
Heftig bleibt der Einstieg hinab ins Kellergeschoss der automobilen Fortbewegung. Gegenüber dem letzten Testwagen (eine A110R) sind hier die viel bequemeren Komfortsitze verbaut. Als Krönung des Komforts sogar mit Sitzheizung. Immerhin ist unpraktischerweise nur bei Nacht zu erkennen, ob die Heizung nun an ist, weil die rote Status-LED ihr Schimmern dann auch sichtbar an die Türverkleidung wirft. Für solche Schrulligkeiten muss man sie einfach lieben, oder? Mit genau dieser Liebe sollte man dem Sportwagen auch gegenübertreten, wenn es ums Thema Ablagen geht. Handschuhfach oder Türtaschen? Non. Eine praktische Ablage für Handy, Garagentorsender und Sonnenbrille? Absolutement pas. Das im Testwagen verbaute Storage Pack bringt einen etwas seltsamen Tornister mittig an der Rückwand sowie ein Gepäcknetz im Innenraum. Beides mag auf Reisen noch etwas helfen, wichtige Dinge im Interieur zu transportieren, im Alltag erreicht man diese Ablagen während der Fahrt schlicht nicht. Es versteht sich somit von selbst, dass auch jegliche Art von Cupholder durch ihre Abwesenheit glänzt.

Kofferräume: Es gibt deren zwei, wobei der eine „beheizt“ ist.
Der Rand des Infotainmentscreens nimmt fast mehr Bildschirmfläche ein als der Inhalt. Immerhin geht auch Apple CarPlay, womit man die eigenen Audio-Inhalte und GoogleMaps stets mit dabei hat. Bleibt die Frage, ob es die überhaupt braucht. Klar, die Focal-Audioanlage ist an Bord. Doch sollte in so einem Genusswerkzeug nicht eher der Motor die Musik machen? Sollte er. Darum nun endlich den Dreipunktegurt geschlossen, den grossen roten Startknopf gedrückt und ab damit.
Der Zweiliter hat in der GTS 300 PS, verzichtet aber auf die musikalische Akrapovic-Auspuffanlage, ausser man gönnt sie sich für weitere 4500 Franken als Option. Ordentlich Lärm macht die A110 auch so. In der durch Druck auf die Lenkradttaste aktivierbare Sporteinstellung noch etwas mehr. Das Doppelkupplungsgetriebe hält die Gänge dann länger und Schubblubbern beim Gaswegnehmen gesellt sich in die Reihe der Wohlklänge, die man als Petrolhead eigentlich mag. Eigentlich, weil es diverse Kompakt“sportler“ von Audi, AMG und BMW in den letzten Jahren damit schlicht übertrieben haben.

Kleiner (S)Pass: Der Glaubenberg musste als Tourzwischenziel ausreichen
Zurück in die Französin. Unglaublich, mit welcher Direktheit sie Fahrbefehle umsetzt. Die Lenkung ist quasi mit meinen Händen verwachsen. Die Übersicht bleibt trotz tiefer Sitzposition angenehm, jedenfalls solange es nach vorne geht. Das Gestühl lässt sich hier sogar elektrisch verstellen, haltstark und schön körpernah schmal bleibt es aber trotzdem. Das weitestgehend runde Lenkrad liegt bestens in der Hand. Und als sich die Passstrasse hinauf zum Glaubenberg in perfektem Herbstlicht vor mich legt, öffne ich Herz und Ohren. Beide werden von Ansauggeräuschen direkt hinter dem Fahrerkopf und dem Turbopfeifen gefüllt. Herrlich. Vor der Kurve am linken Padel gezupt, mittig schon leicht aufs Gas und dann so richtig. Selbst im Bereich bis knapp über 80 km/h macht es süchtigmachend Spass. Addictive. Ja, manchmal fehlen uns im Deutschen die richtigen Worte.
Viel zu schnell bin ich über einige Weideroste, vorbei an sich abkämpfenden Velofahrern und durch herrlich enge Kurvenkombinationen dann zuoberst angekommen. Klar, ein Foto auf dem grossen Parkplatz muss noch sein, bevor’s wieder hinunter ins Grau des Alltags geht. Auf der Abfahrt entschädigt mich die A110 mit dem bereits beschriebenen Klangcocktail und makellos greifenden Bremsen. Für die sonntägliche Fahrt würde es die Audioanlage wohl gar nicht brauchen. Der Fokus liegt auf dem Fahren. Zurück in der Realität bemerke ich, dass ja sogar ein Tempomat an Bord wäre. Doch kaum eine Verbrenner-Alpine dürfte längere Autobahnetappen abspulen. Selbst bei nicht wirklich zurückhaltender Fahrweise bleibt der Verbrauch unter 8 Liter. Ohne grosse Bemühungen lässt er sich in Richtung 7 Liter auf 100 Kilometer bewegen. Sympa.

Tanke schön: Für die gebotene Show ist die A110 GTS richtig sparsam
Das gilt natürlich für das ganze Auto. Denn anders als andere Sportwagen trägt die Alpine A110 GTS nicht dick auf. Das fängt schon bei den Massen an. Mit 4,18 Meter lang, 1,8 Meter breit und nur 1,25 Meter hoch bleibt sie kompakt und vor allem auch schlank. Wer nicht extra einen Heckflügel ordert, bekommt ein schlichtes weil flügelloses Heck. Auch sonst hält sich das Design zurück. Es gibt keine übertrieben grossen Lufteinlässe, die Leuchten sind nicht aggressiv gestaltet. Sie ist schon fast der autogewordene Gegenentwurf zum Goldküstenpanzer in Form eines AMG G63. Magnifique. Und irgendwie auch: Éternel.

So und nicht anders: (Fast) rundes Lenkrad, übersichtliche Armaturen, physische Tasten
So eine A110 ist von ihrer Form aber auch von ihrem Wesen einfach für die automobile Ewigkeit gemacht. Man mag das Design als „retro“ bezeichnen, doch eigentlich kann sie gar nicht anders aussehen. Sie bringt die Markenwerte auf den Punkt, die nun durch Ausweitung des Portfolios und vor allem den Wechsel auf elektrischen Antrieb angepasst wurden. Der Testwagen kostet 88’270 Franken. Viel, wenn man bedenkt, dass man neben der GTS definitiv noch ein anderes Fahrzeug für den Alltag braucht. Wenig, mit Blick auf die Menge Glückshormone, die jede Fahrt mit dem Zweiplätzer ausschüttet.

Au revoir: Bis hoffentlich bald
Merci, Alpine. Schön, dass es die A110 (noch) gibt.
