amadefries

29. Oktober 2025

Nicht neu, immer noch gut

Seat | 0 Kommentare

Inzwischen hat sich in der Autoindustrie eingebürgert, zwischen „new“ und „all new“ zu unterscheiden. Während all new bedeutet, dass es sich um ein völlig neues Modell handelt, das eventuell sogar auf einer neuen Plattform stehen könnte, sieht es mit dem klassischen Begriff etwas anders aus. New heisst hier nicht neu, sondern überarbeitet. Und überarbeitet heisst […]

Inzwischen hat sich in der Autoindustrie eingebürgert, zwischen „new“ und „all new“ zu unterscheiden. Während all new bedeutet, dass es sich um ein völlig neues Modell handelt, das eventuell sogar auf einer neuen Plattform stehen könnte, sieht es mit dem klassischen Begriff etwas anders aus. New heisst hier nicht neu, sondern überarbeitet. Und überarbeitet heisst eventuell, dass man gar nicht so grosse Unterschiede zum „Vorgängermodell“ feststellen kann. Ein solches „new“ stellt für mich der Seat Ibiza dar, der im Rahmen der Auto Zürich 2025 seine eigentliche Weltpremiere feiert.

Premiere mit Meersicht – Auch wenn’s nur ein Facelift ist, gibt’s hier die volle Dröhnung

Mit dem dauernden Fokus auf Cupra vergisst man leicht, dass der Seat Ibiza noch immer sehr gut verkauft wird. 2024 lag der weltweite Absatz mit über 105’000 Exemplaren annähernd auf dem Niveau des Formentor, der das meistverkaufte Modell der Marke Cupra ist. Somit ist die Relevanz also weiterhin gegeben und ein Update kann ja sowieso nie schaden.

Liminal Red: Der Rotton fällt auf

Doch was genau heisst „Update“ nun beim neuen Seat Ibiza? Schauen wir uns den FR an. In einer gross angelegten Präsentation zeigen die Seat-Offiziellen der versammelten Presse-Armada mit Stolz die Neuerungen am Kleinwagen. Natürlich fährt der Ibiza FR auf der namensgebenden Insel von Rauch begleitet gleich mit auf die LED-Bühne, damit die Veränderungen gleich im real life betrachtet werden können. Auffälligstes Erkennungsmerkmal ist die neue Aussenfarbe Liminal Red, die als spezielle Rot-Schattierung tatsächlich aufzufallen vermag. Während gewisse Kollegen den Ton als verwaschen bezeichneten, gefiel mir der Lack mit pink wirkenden Reflexen sehr gut.

Dynamiker: Der FR mit 150 PS stellt die sportlich angehauchte Spitzenvariante dar

Vorne erkennt man die aufgefrischte Version sofort an den spitz zulaufenden schmalen Tagfahrlichtleuchten. Ebenfalls neu ist der sechseckige (statt vorher trapezförmige) Grill. Im Bereich des Stossfängers findet sich ein schwarzer Grill, der von zwei Blades genannten wagenfarbigen Teilen unterbrochen wird. Hinten hat man den schwarzen Bereich, der wohl an einen Diffusor erinnern soll, weiter nach oben gezogen, so dass dort auch das Kennzeichen Platz findet. Die Auspuffblenden sind als Rhomben ausgeführt, sie dienen allerdings nur der Show. Ebenfalls eine gute Show liefern die 18-Zöller, denen man ein völlig neues Design verpasst hat. Dass extra auf das gelaserte FR-Logo an der B-Säule hingewiesen wurde, zeigt schon ein wenig, wie wenig hier tatsächlich neu ist.

Ja, er ist es: Das Seat Ibiza Cabrio gab es nie in Serie, auf die Insel passt es aber perfekt

Ähnlich vertraut ist der Innenraum. Während mit der Verwendung von vornehmlich schwarzen Kunststoffen ein sportliches Ambiente geschaffen werden soll, erinnern manche Hartplastikelemente dann doch wieder an den herrschenden Kostendruck. Ins gleiche Bild passen die fehlenden Haltegriffe. Die Sitze im FR sind haltstark und bequem. Die Sitzposition passt, die Übersicht auch. Der Blick fällt auf den grossen zentralen Screen. Der dicke schwarze Rand stört nicht, lässt das eigentlich Bild dann aber doch recht klein werden. Glück gehabt: Die Slider haben es nicht in den Ibiza geschafft. Auch die Tasten am Lenkrad sind noch klassisch haptischer und nicht kapazitiver Natur. Neu ist halt nicht automatisch besser. Das hat sich Seat wohl auch bei den Umrandungen der Lüftungsdüsen gesagt und nochmals die bereits bekannten verbaut. Nettes Gimmick: Die runden Düsen an den Seiten sind sanft LED-illuminiert.

Forever young: Der Soundtrack ist kein Zufall, soll doch der Ibiza die Generation Selfie ansprechen

LED-Technik ist dann auch das Highlight am neuen Seat Ibiza und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Neu verfügt der Kleinwagen nämlich über Voll-LED-Licht. Man spricht im Falle des Vollichts von einer dreifach höheren Lichtausbeute verglichen mit dem Vorgänger. Weiterhin klassenüblich bleibt das Platzangebot im Innenraum. Hinten finden zwei Erwachsene Platz, im ebenfalls erneuerten Arona sitzen sie konzeptbedingt noch etwas bequemer. Zurück im Ibiza FR wird es Zeit, den Zündschlüssel zu drehen. Doch halt, dort sitzt ein Startknopf. Der Schlüssel erinnert aber noch an längst vergangene VW-Tage.

Full-LED: Die Scheinwerfer bringen Toptechnik in die Kleinwagenklasse

Auch aus dem Konzernregal stammt das 7-Gang-DSG. Wie gewohnt ist die Langsamfahrt etwas ruckelig. Einmal unterwegs passen die Anschlüsse weitgehend. Überraschend bissig zeigt sich die Bremse. Auf den geschwungenen Strassen von Ibiza würde ich mich über etwas mehr Leistung freuen. Doch wir fahren bereits das Topmodell mit 150 PS. Bei Überholvorgängen reicht die Leistung aus. Doch als ich am Kreisverkehr etwas zu spät entscheide, doch noch einzufahren, verhaspelt sich das DSG und trotz Kickdown küsst uns beinahe ein dynamisch fahrender Local auf der Fahrerseite. Glücklicherweise fällt die Marge dann doch hoch genug aus. So bin ich imstande, vom Fahrkomfort an Bord des FR zu berichten. Tatsächlich ist die Abstimmung knackig ohne Restkomfort vermissen zu lassen.

Bewährt: Das Heck ist bekannt, die Auspuffblenden sind fake

Am Ende bleibt ein simples Fazit: Warum ändern, was bereits gut ist? Never change a winning team. Der Stadtflitzer funktioniert so wie er ist bereits wunderbar. Das ist die positive Sicht auf die bescheidenen Neuerungen beim „neuen“ Seat Ibiza. Er bleibt ein souveräner Kleinwagen, dessen aufgefrischter Look ihm sehr gut steht. Gerade in Liminal Red sieht man ihm sein eigentliches Alter nicht wirklich an. Dass Klassiker auch mehr als 40 Jahre später gut aussehen können, beweist auch das Cabrio auf Basis des allerersten Seat Ibiza. In der Sonne von Ibiza schaut es besonders gut aus. Doch auch der konventionelle Ibiza darf heute schon fast als Ikone gesehen werden. Das Design von Giugiaro ist von klaren Portionen und einer schlichten Schnörkellosigkeit geprägt. Dem heutigen FR ist wenig vorzuwerfen. Klar, das DSG verschluckt sich ab und zu, die 150 PS könnten spritziger sein und die Innenraumqualität fühlt sich stellenweise schon nach Sparwagen an. Die Technik ist bewährt, muss aber vorläufig noch auf Spritspartechnik wie Mildhybridisierung verzichten. Wer einen reifen Kleinwagen im aufgefrischten Kleid mit tadelloser Bedienung, genügend Platz und Top-Licht sucht, wird beim Seat Ibiza FR fündig. Auch wenn er – selbst bei schönstem Ibiza-Sunshine betrachtet – halt nicht wirklich new ist.