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zuendung

23. Juni 2006

Bis ans Ende der Welt

TVR | 0 Kommentare

Für die Fahrt nach Afrika bepackt man am besten einen Land Rover mit Kanistern und Sandblechen. So machten es schon die Kolonialherren, und der Defender leistet auch heute noch gute Dienste auf und neben Afrikas löchrigen Strassen. Südafrika: Die schlichte Eleganz des TVR Chimaera über Kapstadt Oder aber man verzichtet ganz auf die Zusatzausrüstung und […]

Für die Fahrt nach Afrika bepackt man am besten einen Land Rover mit Kanistern und Sandblechen. So machten es schon die Kolonialherren, und der Defender leistet auch heute noch gute Dienste auf und neben Afrikas löchrigen Strassen.

Südafrika: Die schlichte Eleganz des TVR Chimaera über Kapstadt

Oder aber man verzichtet ganz auf die Zusatzausrüstung und packt dafür ein paar PS mehr ein. Etwa nach diesem Rezept werden in Blackpool, England ausgefallene Sportwagen ausgetüftelt. Genau richtig für Afrika. Afrika und englische Kleinserienfahrzeuge scheinen sich auf den ersten Blick zwar ähnlich zu ergänzen wie ein schwarzer Anzug und weisse Socken. Jedoch bringt zum Beispiel ein TVR Chimaera V8 genau diejenigen Zutaten mit, die Afrikas lange Strassen, die unvergleichlichen Landschaften und den Sonnenschein erst geniessbar machen. Nämlich wenig Dach um Aussicht und Frischluft zu erleben, genügend Horsepower für eine angemessene Reisegeschwindigkeit und eine katalysatorfreie Auspuffanlage, welche die Szenen passend musikalisch begleitet.

Home made: Innen gibt es Leder und viele original TVR Aluteile

Genug der Rechtfertigung, ein TVR fährt sich schliesslich keinesfalls aus Vernunftsgründen, sondern eben unbedingt oder einfach aus innerem Drang. Wohl aus ähnlichem Anlass drängt es menschliche Wesen von Zeit zu Zeit in die Ferne, um das Ende der Welt zu suchen. Warum also den eintägigen Ausflug von Kapstadt in Südafrika ans Kap der guten Hoffnung vernünftig gestalten? Motor Classic in Kapstadt hält über 40 Klassiker für solche Ausflüge bereit. Jaguar E-Type, Alfa Spyder, Jensen Interceptor – ganz nett, aber nur einer passt, es muss der 1993er TVR Chimaera sein. "Schliessen Sie den Wagen immer gut zu, Afrika ist gefährlich." Mit diesen Worten im Ohr beginnt die Fahrt vorsichtig. Zudem ist in Südafrika Linksverkehr und im TVR läuft nicht alles wie gewohnt ab. Schalter drücken fürs Licht, Gangschalten mit Nachdruck, Sitzposition auf Bordsteinhöhe. Ein TVR in Afrika fühlt sich so an wie ein geöffnetes Taschenmesser in der Hosentasche: Erst traut man sich kaum sich zu bewegen, dann kommt bald die Sicherheit, das Messer jederzeit ziehen zu können und jeder Situation gewachsen zu sein.

Leere am Ende: Je näher am Kap, desto weniger Verkehr. Ideal für freien Galopp

Anstatt am Griff packt man den Chimaera am Gaspedal, es macht die Umgebung schlagartig schnell und laut, egal in welchem der fünf Gänge. Der von Land Rover entliehene 4,3 Liter V8 prügelt mit 280 PS auf eine gute Tonne Leergewicht. Kennzahl 0-100 km/h: 4,7 Sekunden. Die Besatzung verleiht in den Kategorien Beschleunigung und Beschallung Bestnoten. Und auch das Publikum in der Innenstadt zeigt sich vom Gebrüll angetan, an jeder Ampel muss Auskunft über Herkunft und PS-Zahlen erteilt werden. Nix wie raus aus der Stadt, ein TVR ist schlicht zu gefährlich in Menschenansammlungen. Böse aber ist er nicht, spätestens auf kurvenreichen Abschnitten der malerischen Chapman's Peak Road lässt er sich bezwingen und übersteuert freudig.

Die Welt im Rücken: Der vom Citroën CX25 entliehene Rückspiegel schielt gegen Norden

Das Ende der Welt naht. Nachdem das Eingangsportal des Kap-Naturschutzgebietes passiert ist, öffnet sich eine endlos scheinende Gerade. Sie endet jedoch bald abrupt, sie führt zum südlichsten Punkt der Erde, zum Ende der Welt. Ob die Menschen früher wirklich glaubten, dass es ein Ende der Erde gibt? Der Gedanke an eine Erde in Scheibenform scheint mir genauso verrückt zu sein, wie mit Autobahntempo dem angeblichen Südende der Welt entgegen zu fliegen. Man wähnt die ganze Erdlandschaft plötzlich "über" einem, als ob die Fahrt unter der Erdkugel durch ginge. Ein einmaliges Gefühl – mit Wind im Haar, V8-Donner im Ohr und ordentlichem Druck im Nacken.

Freie Sicht: Der Landzipfel hinten rechts markiert das südliche Ende der Erde.