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zuendung

17. Juli 2008

Spitz auf Schotter

Suzuki | 0 Kommentare

Sieben Mal tobt der Suzuki Rallye Cup in diesem Jahr über Felder, Wiesen und durch Wälder der deutschen Provinz. Insgesamt 17 eingeschriebene Teams aus fünf Ländern stellen sich den Herausforderungen der unterschiedlichen Pisten. Neben Prestige und Pokalen winken auch attraktive Geld- und Sachpreise, darunter ein nagelneues Fahrzeug von Suzuki. Zuendung.ch konnte in einem Selbstversuch bei […]

Sieben Mal tobt der Suzuki Rallye Cup in diesem Jahr über Felder, Wiesen und durch Wälder der deutschen Provinz. Insgesamt 17 eingeschriebene Teams aus fünf Ländern stellen sich den Herausforderungen der unterschiedlichen Pisten. Neben Prestige und Pokalen winken auch attraktive Geld- und Sachpreise, darunter ein nagelneues Fahrzeug von Suzuki. Zuendung.ch konnte in einem Selbstversuch bei der Rallye Baden-Württemberg ausprobieren, wie sprichwörtlich steinig der Weg zum Rallye-Helden sein kann.


Auf dem Sprung: Ein kleiner Hüpfer gelingt mit dem Swift Rallye Cup auch Anfängern.

Jan Enderle steht im Service-Park und spitzt Bleistifte. Wenn ich eine Liste hätte erstellen müssen mit Dingen, die bei einer Rallye definitiv nicht zu erwarten sind, dann wäre ein Bleistift-Spitzer vermutlich unter den Top Drei gelandet. Und entspanntes Plauschen bei einer Zigarette mit anderen Fahrern kurz vor der ersten Wertungsprüfung möglicherweise auch. Jetzt steht also Jan im Rennoverall in der abendlichen Sonne der schwäbischen Alb vor dem aufgebockten Suzuki Cup-Swift und spitzt Bleistifte. Dabei verdient Jan noch nicht einmal als Buchalter des Suzuki-Teams seine Brötchen. Dafür hat er zuviel Mut, denn seine Aufgabe ist es, sich neben absolut Rallye-Laien wie mich im Schalensitz festzurren zu lassen, um sie bei diversen Läufen zum Suzuki Rallye Cup als Gaststarter durch das Unterholz des deutschen Forstes zu dirigieren.

Doch Jan spitzt mit Gleichmut Bleistifte, um sich in wenigen Minuten meine wirren Routen-Ansagen beim Shakedown zur Rallye Baden-Württemberg zu notieren. Der Shakedown soll als eine Art Übungs-Wertungsprüfung, die nicht vorab im erkundet werden kann, zur Belustigung der Zuschauer dienen und ist eine Option, aber keine Pflicht für die Teilnehmer. Doch Jans frisch gespitzter Bleistift wird nur kurz zum Einsatz kommen. Bei mir macht sich in der muggeligen feuerfesten Unterwäsche langsam Nervosität breit. Mein guter Vorsatz für diese Veranstaltung: Das Auto heil lassen – und nicht letzter werden.

Die Worte des schwäbischen Startflaggenschwenkers „Vorsicht, hinten in der Kehre liegt Schotter“ klingen noch schwach im Ohr, als ich mit blockierenden Vorderrädern auf eben jenem Schotter gen Randstein rutsche, an dem sich der rechte Querlenker eine neue Form verpassen lässt und dabei auch den Achsträger in Mitleidenschaft zieht. Während ich vor mich hin fluche, sagt Jan zunächst nichts. Höflich badensert der gebürtige Karlsruher mir nach einigen Minuten ein „so isch Rallyesport“ zu. Danke. Der Querlenker wird noch vor Ort gewechselt, um das Auto in den Service-Park zurück zu bringen. Während dessen hat die Rallye-Leitung entschieden, den Schotter von der Freiwilligen Feuerwehr Machtolsheim wegkehren zu lassen. So ist also Rallyesport.

Am Boden: Der erste Versuch ging schief, Jan lacht aber schon wieder.

Der wesentliche Bestandteil meines guten Vorsatzes zerschellte an einem Randstein, ohne eine einzige Wertungsprüfung, kurz WP genannt, gefahren zu sein. Davon stehen am Folgetag jedoch noch acht Stück auf dem Programm, für die Jan und ich einen mehr oder minder detailgetreuen Aufschrieb erstellt haben. Das war heute Vormittag, als Jan mit seinem gespitzten Bleistift in Schönschrift das notiert hat, was ich in einem Crash… nennen wir es besser Schnellkurs gelernt habe. Fragmente wie „80 rechts zwei 50 rechts zwei plus 30 links vier plus“. Jan war ob meiner Auffassungsgabe voll des Lobes und ich voll Stolz – der soeben an einem Randstein auf dem Gelände eines Bundeswehr-Depots irgendwo auf der Schwäbischen Alb zerbröselt ist. Ob meines Haderns mit mir selbst sichtlich genervt, fragt Mechaniker Paul Dreher nur kurz „Willst Du Morgen fahren?“ Reflexartig rufe ich „Ja klar!“, worauf Paul entgegnet, dass er mir dann das Auto eben wieder richtet, also einen neuen Achsträger einbaut. Cup-Organisator und Rallye-Ass Niki Schelle unterdrückt seinen Ärger über den depperten Anfänger schickt mich ins Bett, „damit Du morgen fit bist“. Wenigstens ist es ein kaum zu lokalisierender Elektronik-Defekt eines anderen Rallye-Geräts, der Paul das meiste seiner Nachtruhe kostet.

Also sitze ich nun doch am Steuer, vor mir hebt sich die Deutschlandflagge des Starters, der Gasfuß senkt sich zu meiner ersten Rallye. Die erste WP ist gut 15 Kilometer vom Start beim Service-Park in Geislingen entfernt. Auf einem Feldweg im Nichts der Schwäbischen Alb angekommen, reihen sich die baugleichen, rund 135 PS starken Swift in unterschiedlicher Kriegsbemalung brav hintereinander auf. Passenderweise fahre ich für Suzuki-Ersatzteile Reklame. Die meisten WPs der Rallye Baden-Württemberg in diesem Jahr sind Rundkurse. Während nun Uwe Nittel, Mark Wallenwein, Ellen Lohr und all die anderen Profis mit teils schwerem Gerät durch Wald, Wiesen und über Feldwege prügeln, wartet der Rest auf Einlass, der nach und nach gewährt wird. Die Zwischenzeit wird mit Plaudereien über den letzten Crash (da könnte sogar ich mitreden, traue mich aber nicht wirklich), dem neuesten Tratsch aus dem Fahrerlager oder einfach mit der aktuellen Urlaubsplanung überbrückt. Je näher der Swift-Tross dem Starter rückt, desto dominanter wir die Stimme in meinem Kopf, die mahnt, jetzt erst recht nichts kaputt machen zu dürfen. Aber Letzter werden will ich auch jetzt nicht. Keine Zeit zum Abwägen.

Ab in den Wald: Der Swift röhrt wie ein großer und wirft sich mit Inbrunst in Kurven.

Die Finger an der ausgestreckten Linken des Starters werden immer weniger, zählen von fünf herunter. Start, Vollgas. „100 nach Start Kuppe voll, 80 links zwei, 150 Übersicht, links vier“, scharrt es verlässlich aus der Gegensprech-Anlage. Der Swift plärrt sich die japanische Seele aus dem 1,6 Liter großen Leib, ich reiße die fünf Gänge mit der im Vergleich zu Serie verkürzten Übersetzung durch, bin konzentriert. Unter den eher spärlich mit Profil versehenen 15-Zoll-Rädern befindet sich Asphalt, ich fühle mich halbwegs sicher. „100 links zwei 30 rechts zwei minus“ – gar nicht so doof, wenn jemand sagt, wo es lang geht. Also beim Rallye fahren, meine ich. Nur für den Fall, dass meine Freundin das hier liest. Während die beste aller Beifahrerinnen mir jetzt schon alle Krankheiten dieser Welt an den Hals gewünscht hätte, verkneift sich Jan irgendwelche Kommentare über meinen Fahrstil. Der Badener nimmt seinen Job sehr ernst, auch wenn er sich von Grünschnäbeln wie mich umher schaukeln lässt. „80 links drei plus, 50 rechts vier, vierzig links eins“. Mein, nun ja, untrainierter Körper beginnt in der mehrlagigen Rallye-Bekleidung zu garen, doch das merke ich nicht. Ich beginne, Spaß zu haben.

Die zweite WP geht schnell und schmerzlos, ist die einzige so genannte AE-Prüfung dieser Rallye. AE bedeutet Anfang-Ende, es wird also nicht im Kreis gefahren. Jan wird übermütig, lobt meinen Fahrstil, wie passend ich doch die Bremspunkte gesetzt habe. Derweil frage ich mich allerdings, wie zum Teufel ich die Bremspunkte auf der dritten WP setzen soll. Die bevorstehende Etappe findet vorwiegend auf Schotter statt, wovor ich seit gestern Abend aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen einen tierischen Respekt habe. ABS und ESP sind im Rallye-Swift deaktiviert. Schließlich ist Motorsport kein Spaß. Dafür wurde die Serien-Bremse mit einem Satz neuer Sportbeläge gedopt, die für ein recht giftiges Ansprechverhalten sorgen. Man sollte sich also eine ordentliche Portion Gefühl unter die Fußsohlen schmieren, um die optimale Balance zwischen Verzögern und Blockieren zu finden.

Wie auf Murmeln: Auf Schotter ohne ABS den optimalen Bremspunkt zu finden ist knifflig.

Genau das wird jetzt meine Herausforderung, als ich den Swift 80 Meter nach dem Start in einer „links zwei“ auf die Schotterpassage steuere. Gas, „rechts drei“, mehr Gas, „150 Übersicht“, vorsichtig bremsen, es droht eine „rechts zwei“, übermütig an der Handbremse gezogen, das Heck kommt, ich finde mich toll vor der „links drei plus“ in 80 Metern. Keine Ahnung wie schnell ich bin. Es fühlt sich an, als würde ich auf Murmeln fahren. Während die Profis jetzt vermutlich denken „Prima, endlich wird die Kiste an der Hinterhand leicht“ und daraus gekonnte Fahrmanöver ableiten, denke ich: „Scheiße, jetzt wird die Kiste an der Hinterhand leicht!“. Als ob ich nicht schon genug zu tun hätte. „Rechts vier, Achtung, doppelte Bodenwelle“. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, wie mir wildfremde Menschen aufgeregt zu winken. Bevor ich mich jedoch wie Walter fühle, sehe ich einen Swift, der die doppelte Bodenwelle etwas zu engagiert angegangen ist und nun im Gebüsch parkt. Das Winken war nichts als Warnung. Dennoch gebe ich Gas. Der Schotter spritzt trommelnd in die Radhäuser, der Unterbodenschutz aus Alu schrappt über den Feldweg – Geräusche, die Autoliebhaber Schmerzen bereiten. „Links vier, Ziel, rechts vier plus“. Ich fühle mich als König der Kieselsteine. Das Armaturenbrett, oder das, was davon nach der Mutation zum Cup-Swift übrig ist, überzuckert eine feine Staubschicht. Jan stempelt, uns steht die letzte WP vor der Mittagspause bevor.

Auf der Verbindungsetappe, während ich innerlich glücklich mit dem herrlich laut röhrenden Swift über öffentliche Landstraßen hoppele, fragt mich Jan plötzlich, ob ich diesen oder jenen Abzweig gesehen hätte. Nein, entgegne ich. Dass ich mich darauf auch überhaupt nicht konzentriert habe, verschweige ich. Verfahren, super. Klarer Beifahrer-Fehler. So kann ich nicht arbeiten. Jetzt eilt es, kurzzeitig ist mir entfallen, dass es eine Straßenverkehrsordnung gibt. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir die letzte Wertungsprüfung. Mit 28 Kilometern wird das ein langes Ende, allerdings mit nur einem kurzen Teilstück auf Schotter. Die wenigen Meter auf losem Untergrund sind tückisch, schlängeln sich eng zwischen einem Gebäude und Gebüsch hindurch. Ein Cup-Kollege hat seinen Swift mit der Nase voraus in das Gebüsch gesteckt, hinter dem sich ganz offensichtlich eine Böschung verbarg. Die Dellen im Dach, von der er mir noch an WP1 beim Warten auf den Start erzählt, dürften nun seine kleinste Sorge sein. Umso größer wird mein Respekt und umso zaghafter mein Gaspedal-Einsatz in diesem Abschnitt. Eine „rechts fünf in Wald über Kuppe 150 rechts zwei“ erkläre ich zu meiner Lieblingsstelle dieses Rundkurses. Was ein Spaß, wenn man an einer unübersichtlichen Stelle das Gas stehen lassen kann, weil mir Jan ja sagt, was kommt. Und ich inzwischen weiß, wann ich spätestens bremsen sollte, um die „rechts zwei“ halbwegs gut zu erwischen. Zieldurchfahrt, geschafft. Und wenn ich bis jetzt das Auto am Stück über die Alb getragen habe, sollte mir das am Nachmittag auch gelingen. Aber da wir alle WPs noch einmal fahren, müsste das ganz noch eine Ecke schneller gehen. Ich beschließe eine Schippe nachzulegen, sage aber weder Jan, noch Niki oder Paul etwas von meinem – wie ich finde – kühnen Plan.

Fast wie ein Profi: Gelegentlich gelingt sogar ein dezenter Drift.

Nach der kurzen Mittagspause ist wieder Warten angesagt. Vor der WP1, die jetzt WP5 ist, haben sich die Cup-Swift erneut aufgereiht. Im Gespräch mit Motorrad-Lady Katja Poensgen, die sich ebenfalls im Suzuki Rallye Cup balgt, heuchle ich Unschuld. Sie wolle mindestens zwei Sekunden schneller fahren, sagt sie. Ich entgegne, dass mir meine Leistung vom Vormittag genüge und ich das gerne wiederholen möchte. Am Ende bin ich ganze sieben Sekunden schneller als am Morgen. Das bringt die Profis im Rallye Cup zwar noch lange nicht in Gefahr, mich hingegen zu neuen Glücksgefühlen.

Auf der kurzen WP6 bin ich nur eine Sekunde schneller. Es naht die Schotter-Strapaze. Die Angst ist weitgehend dem Respekt gewichen, als ich das Startsignal bekomme. Auf der „150 rechts zwei“ sorge ich mich allerdings doch wieder um die Gesundheit des Swifts. Die Piste ist übel ausgefahren, es hört sich so an, als ob das Auto nur noch auf der Alu-Bodenplatte fährt, es scheppert, schrappt und klötert. Jan merkt, wie mein rechter Fuß nach oben zuckt und bedeutet mir, Gas zu geben. „Alla gut“, denke ich – badisch, wie es Jan wohl formulieren würde. Nicht nur, dass die Bremspunkte nun besser sitzen. Zudem konnte ich mir auch merken, wo „gecuttet“ wird, sprich, wo der Streckenverlauf zwecks Ideallinie von den Piloten eigenmächtig abgeändert wurde. Also segele ich ebenfalls mit gefühlten 150 Sachen vom Schotterweg auf die Wiese und wieder zurück, immer noch mit dem Murmelgefühl im Popometer. Da ist sie wieder, die „Links vier, Ziel, rechts vier plus“. Dieses Mal kommt die Ansage gut sechs Sekunden früher als vormittags. Ich fange bereits an, eine komplette Saison zu planen. Passieren kann jetzt eigentlich nichts mehr, denke ich, die Marathon-WP im Sinn, die ich eigentlich prima finde. Die ausgestreckte, diesmal rechte Hand zählt bereits von fünf rückwärts. Drei, zwei, stopp. Mist. Irgendwo ein Unfall, zum wiederholten Mal auf der letzten WP. Der Starter murmelt irgendwas von „Neutralisation“. Das können die doch nicht machen, jetzt da die Rallye-Hoffnung von morgen, als ich, am Start steht. Machen sie auch nicht, ich kann starten, habe noch einmal richtig Spaß. Großen Spaß sogar, als ich einen anderen Teilnehmer überhole. Nicht weil der einen Fehler gemacht hat, sondern weil ich schneller war. Bilde ich mir zumindest ein. Schneller war ich tatsächlich, und zwar fast 40 Sekunden im Vergleich zum ersten Durchgang. High five mit dem Beifahrer, etwas schwierig im Schalensitz mit Vierpunktgurten. Jan versorgt mich mit gut gewärmten Getränken aus dem Handschuhfach, wir rollen in den Servicepark.

Im Zieldurchlauf folgt die verdiente Champagner-Dusche. Nun ja, erstens war es nur Sekt und zweitens war der Grund sicher nicht meine überdurchschnittliche Leistung, sondern eher eine nette Geste von Suzuki. Aber eine verdiente, schließlich habe ich den Swift heil gelassen und bin auch nicht letzter geworden. Weitere Rallye-Träume verpuffen jedoch mit einem Blick auf die gefahrenen Zeiten, aber das ist jetzt auch egal. Jan freut sich vermutlich ebenfalls, dass er den Ritt überlebt hat, was sein gelöster Gesichtsausdruck beim Bier im Fahrerlager verrät. In zwei Wochen muss er wieder den Bleistift spitzen, dann wühlt sich der Suzuki Rallye Cup erneut durch den deutschen Forst.

Mehr Infos zum Suzuki Rallye Cup gibt's Suzuki Online Magazin.