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6. September 2025

Mit Baguette, Charme und deutlich mehr Platz

Renault | 0 Kommentare

Der „kleiner Freund“ genannte Renault 5 sammelte schon damals alle Sympathien. Doch bereits beim historischen Vorbild des heutigen Neuaufgusses gab es im eigenen Haus ein Konkurrenzmodell, das im Prinzip nicht nur praktischer, sondern auch noch günstiger war. Die Rede ist vom Renault 4, der eigentlich das Vorgängermodell des 5 darstellte, dann aber parallel dazu bis […]

Der „kleiner Freund“ genannte Renault 5 sammelte schon damals alle Sympathien. Doch bereits beim historischen Vorbild des heutigen Neuaufgusses gab es im eigenen Haus ein Konkurrenzmodell, das im Prinzip nicht nur praktischer, sondern auch noch günstiger war. Die Rede ist vom Renault 4, der eigentlich das Vorgängermodell des 5 darstellte, dann aber parallel dazu bis 1992 gebaut wurde. Selbst bei uns wurde er bis Mitte der 1980er-Jahre angeboten. Heute folgt nun also 4 auf 5.

Praktisch oder nicht? Toll ist die tiefe Ladekante, weniger die klavierschwarzen Ausbuchtungen an neuralgischer Stelle

Auf Bildern mag er nur so halb überzeugen. Schaut ein bisschen so aus, als hätte man einen modernen SUV in ein halbgares Retrokleid gesteckt. Als ich dann das erste Mal vor dem Renault 4 stehe, bin ich überrascht und zwar sehr positiv. Die Proportionen sind stimmig, die Details nicht übertrieben, der generelle Auftritt nicht zu SUV-ig. Der graublaue Lack, den man passenderweise Bleu Nuage nennt, steht dem Neuling blendend. Das schwarze Dach komplettiert den Look.

Come à la maison: Hier findet man sich schnell zurecht

Vorne mimt eine durchsichtige Abdeckung mit LED-Tagfahrlicht-Umrahmung den Grill des Ur-Ahnen. Warum es bei einem Elektroauto einen „Powerdome“ auf der Motorhaube braucht, wo hier doch nur 150 Strom-PS hausen, bleibt ein französisches Geheimnis. Die seitlichen Streifen im Blech kenne ich vom alten R4 nicht, sie stehen dem neuen aber recht gut. Das typische hinterste Seitenfenster wird durch einen Rand in Wagenfarbe hervorgehoben, was der Seitenansicht eine gewisse Würze verleiht. Hinten erinnern die stehenden Leuchten auch an Mini oder 500, obwohl sie stylingmässig eng am Original angelehnt sind. Vorne wie hinten hat man zusätzlich unterhalb der Leucheinheiten klavierlackschwarze Dekoelemente angebracht. Warum genau dort und warum so herausragend, dass man die Kratzer schon kommen sehen kann, erschliesst sich mir nicht. Trotzdem gefällt mir das Design als Ganzes, weil es weder aggressiv noch offroadig daherkommt und dennoch eine eigenständige und gefällige Linie findet. Sympa.

Retro ist angesagt:Und zwar elektrisch und in hübschen Farben

Innen begrüsst mich eine Cockpit-Landschaft, die ich in sehr ähnlicher Weise bereits vom Renault 5 kenne. 80s-Zitate prallen auf Screens, LED-Ambientebeleuchtung und induktive Aufladematte für das Smartphone. Das Erstaunliche an diesem Mix? Er funktioniert bestens. Dass man als Zückerchen den Baguettehalter aus Korbgeflecht inklusive entsprechendem Brotsack montiert hat, vervollständigt einen Innenraum, in dem man sich gerne aufhält, auch wenn man mal nicht fährt. Auch die sportlich aussehenden Sitze mit ihrer gesteppten Stoff-/Kunstlederkombi passen ins Bild. Ready für den Druck des Powerknopfs?

 

Bequem und stylisch: Die vorderen Sitze des Renault 4 passen auch für längere Strecken gut

Oui! Bemerkenswert schnell ist der neueste Renault bereit. Ich betätige also den Fahrstufenhebel rechts am Lenkrad und stelle auf D. Wie man hört, hört man erwartungsgemäss wenig. Schon beim Verlassen des Parkplatzes fällt mir die ungewohnt gute Übersichtlichkeit auf. Die steilen und grossen Scheibenflächen haben definitiv Vorteile. Die leichtgängige Lenkung passt zum legeren Gesamteindruck. Problemlos fädle ich in den Verkehr ein, das sofort verfügbare Drehmoment hilft auch hier. Der Testwagen hat den grösseren Akku (Comfort Range, 52 kWh) und eine Leistung von 150 PS. So bin ich auch auf der Autobahn mehr als ausreichend motorisiert. Die von Renault Active Assist gennante Assistenzfunktion fasst Abstandsradar und Spurhaltetechnik mit der Schilderkennung zusammen. So brauche ich nur kurz am Lenkrad auf OK zu drücken, wenn ich mit der Anpassung auf eine erkannte Limite einverstanden bin.

Keine Selbstverständlichkeit: Der französische Produktionsort verdient eine lobende Erwähnung

Auch um zu sehen, wie sich der Renault 4 auf weiteren Strecken benimmt, nehme ich den Weg ins Engadin unter die Räder. Google ist so ins Auto integriert, dass es nur logisch scheint, die Navigation direkt über Google Maps laufen zu lassen. Apple CarPlay wäre aber auch noch an Bord – natürlich kabellos. Tatsächlich integriert Google Maps aufgrund des Ladestands die Pause in Thusis, die ich selbst auch eingeplant hätte. Auf dem Weg dorthin geniessen wir den Sound aus dem Harman/Kardon-System und die gelungene Fahrwerksabstimmung. Ganz weg von sportlichen Ambitionen kommt trotz etwas Seitenneigung kein Seegang auf. Auch die Sitze überzeugen mit ausreichend Seitenhalt und langstreckentauglichem Komfort. Hinten sind die Sitzflächen allerdings kurz ausgefallen, womit Erwachsene dann eher nicht länger sitzen bleiben möchten. Platz hat es aufgrund der aufrechten Form aber auch dort genug.

Ein bisschen SUV darf sein: Der R4 überschreitet das noch sympathische Mass nicht

Der Pass ist schneefrei, der reine Frontantrieb stellt somit kein Problem dar. Bevor die Passfahrt ansteht, wird noch kurz an besagter Stelle zwischengeladen. Am Schnelllader zieht er mit durchschnittlich 83 kW Gleichstrom aus dem Kabel. Maximal sollen 100 kW möglich sein. Und schon geht es weiter. In den Kurven vermisse ich mit hereinbrechender Nacht aktives Kurvenlicht. Ansonsten stimmen Leistung, Seitenhalt, Lenkung und auch Komfort hier am Julierpass ebenso. Er lässt sich flüssig fahren und die Seitenneigung hält sich in Grenzen. Oben angekommen profitiere ich von 1,81 Meter Breite bei der Abfahrt in die enge Tiefgarage. Die Länge von 4,14 Meter füllt keine ganze Parklücke. Das nur 1,43 auf 3,66 Meter messende Original darf mangels Sicherheits- und Komfortausstattung hier nur als Randnotiz eine Rolle spielen.

Cool: Der Baguettekorb inklusive Brotsack bringt Insassen zum Grinsen

Eine wichtige Rolle dürfte bei Familien die Isofixpunkte und der Kofferraum einnehmen. Erstere sind hinten aussen je ein Mal und auch auf dem Beifahrersitz vorhanden und sehr gut erreichbar. Der Gepäckraum fällt mit 420 Liter und einer tiefen Ladekante sehr praktisch aus. Die Sitze lassen sich im Verhältnis 1/3 zu 2/3 umklappen, eine Durchreiche fehlt allerdings. Dafür finden sich noch kleine Fächer unter dem Boden. Einen Frunk gibt es nicht. Hier könnte man sich vielleicht von Dacia inspirieren lassen, wo es eine kleine Kunststoffwanne gegen Aufpreis gibt. Der Preis für den Test-Renault-4 liegt bei 38’850 und beinhaltet neben der Ausstattung Iconic die wichtigsten Assistenten im Pack Safety & Easydrive (850.-), das Audiosystem (600.-), die Zweifarbenlackierung (650.-) und die elektrische Heckklappe (450.-).

LED: Die leuchtende Umrandung betont das Grillzitat

Bei der Rückfahrt fällt auf, dass der Renault 4 bei einem Akkustand von 85% nicht sonderlich viel rekuperiert. Trotzdem hält sich der Verbrauch in Grenzen. Im Testmittel landet er bei 18,7 kWh auf 100 Kilometer. Die so errechnete Reichweite von 270 Kilometer liesse sich sicher noch durch den Eco-Modus erweitern. Mir hat jedoch der Sport-Modus im Zusammenspiel mit dem One-Pedal-Fahren am besten gefallen. Zum ersten Mal lässt sich die Funktion in einem Renault durch simples Ziehen am linken Lenkradpaddel aktivieren. Übrigens können via Over-the-Air-Update auch andere Modelle (jene, die Lenkradpaddel haben) von der Ein-Pedal-Variante profitieren. Daneben stehen im R4 die schwächeren Rekuperationsstufen weiterhin zur Verfügung. Sehr angenehm, dass man nun endlich die Wahl hat.

4: Ein Nummer, die man sich mit Blick auf den Elektroautomarkt merken muss

Ein Argument mehr also für den Kulleraugen-Vierer. Am Ende ist des Tests ist klar: Wer sich nicht aufgrund von Verliebtheit direkt auf den 5 stürzt, sollte sich den 4 ganz genau ansehen. Der hat nämlich ebenfalls Charme. Viele coole Details findet man erst bei genauerem Hinsehen. So findet sich in den Frontscheinwerfergehäusen oder an den Umrandungen der Heckleuchten kleine 4-Logos. Auch der Hinweis auf die französische Produktionsstätte wurde dezent angebracht. Natürlich ist er 20 Zentimeter länger als der 5, natürlich kostet er mindestens 2000 Franken mehr (beide in Evolution-Auststattung, 52 kWh, 150 PS). Doch der Mehrwert des 4 ist schlicht indiskutabel. Am Ende bleibt also fast schon die (schöne) Qual der Wahl. Ich würde sagen, mit dem Renault 5 hat man das schönere, mit dem Renault 4 aber das bessere Auto.