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13. September 2025

Wie gross klein sein kann

Fiat | 0 Kommentare

„Der ist ja riiiesig!“ entfährt es meiner nicht so autoaffinen Begleitung. Ich weise darauf hin, dass es sich um den neuen Fiat Grande Panda handle, der tatsächlich grösser als ein Panda sei. So richtig gross aber auch nicht. Ein Blick aufs Datenblatt verrät: Er bleibt genau einen einzigen Millimeter unter der 4m-Grenze. Damit ist er […]

„Der ist ja riiiesig!“ entfährt es meiner nicht so autoaffinen Begleitung. Ich weise darauf hin, dass es sich um den neuen Fiat Grande Panda handle, der tatsächlich grösser als ein Panda sei. So richtig gross aber auch nicht. Ein Blick aufs Datenblatt verrät: Er bleibt genau einen einzigen Millimeter unter der 4m-Grenze. Damit ist er 30 Zentimeter länger als ein Panda oder ein 500e. Mit 1,73 Meter Breite und 1,63 Meter Höhe bleibt er aber relativ schmal und eher hoch. Und erinnert mit seinen Proportionen tatsächlich an die tolle Kiste, wie man den Ur-Panda in der Werbung sogar seitens Fiat Deutschland nannte.

Tolles Kistchen: Links in der Rundung fährt der historische Panda, rechts die Bambox

Wie toll und wie gross der neue Fiat Grande Panda tatsächlich ist, soll sich in unserem Test zeigen. Es ist die Version „la Prima“, die sich der Beurteilung stellt. Ihres Zeichens die Spitzenvariante, lässt sich nur noch die Farbe als Option hinzufügen. Während Rot (sprich: Rosso Passione) Serie ist, kosten die anderen jeweils 700 Franken Aufpreis. So auch das Giallo Limone des Testwagens. Es erstaunt nicht, dass der Italiener auch in diesem Ton vorgestellt wurde, er steht ihm vorzüglich. Er leuchtet gelbgrün und hellt auch die finstersten grauen Herbsttage um mindestens ein paar Nuancen auf.

Insignien: Neben den charakteristischen LED-Klötzchen sorgen Fiat- und Panda-Schriftzug zusammen mit den 4 Streifen für klare Erkennbarkeit

Nicht nur ein paar, sondern richtig viele Logos und Markenzeichen hat das Designerteam dem Fünftürer verpasst. So feiert das Logo mit den 4 Strichen eine Renaissance. Man findet es an Radläufen, vorne und hinten im Stossfänger. An der C-Säule ein besonders neckisches Detail: Je nach Blickwinkel erscheint hier das aktuelle Markenlogo oder eben jenes aus den 1980er-Jahren. In riesigen Lettern hat man im unteren Bereich der Türen das Wort „Panda“ eingestanzt. Gut möglich, dass die vielen Schriftzüge auch deshalb zur Anwendung kamen, weil man den Ur-Panda in der neuen Grande-Interpretation nicht sofort erkennen kann. An der Front erinnert das Pixel-Design der Leuchten und des Grills eher an Modelle von Hyundai. Am Heck erscheinen die leuchtenden Elemente fast wie rote Legosteine hinter Klarglas.

Citycar: Seine Masse machen gerade im Stadtverkehr richtig Spass

Ohne die Vielzahl an erwähnenswerten Details am Äussern abschliessend zu behandeln, steigen wir in den erfreulich farbenfrohen Innenraum. Petrolfarbene Sitze gesellen sich zu ebensolchen Türtafeln. Vor dem Beifahrersitz hat man die Bambox als zweites Handschuhfach platziert. Sie besteht aus Bambus, denn was isst so ein Panda am liebsten? Eben. Der Blick wandert Richtung Steuerrad und erfasst ein kleines Pandamodell, das eine Runde auf einer ovalen Strecke zu drehen scheint. Hier wird natürlich auf die legendäre Teststrecke auf dem Dach der Lingotto-Produktionsstätte Bezug genommen. Das Oval findet sich dann auch um den Fahrstufenschalter und die induktive Ladeschale. Leider hat man genau dort so viel Klavierlack eingesetzt, dass unschöne Kratzer quasi ab Kilometer 1 dazugehören.

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts: Hier unter dem Fiat-Schriftzug wäre die Klappe für das ausziehbare Spiralkabel platziert

Viel schneller als andere Stellantis-Produkte nimmt der Grande Panda meine Wahl der Fahrstufe D entgegen. Dies allerdings erst, nachdem man den Zündschlüssel (ja, den gibt es hier tatsächlich noch) gedreht hat. 113 PS sind nicht unbedingt viel, was bei einem Elektroauto normalerweise keine grosse Rolle spielt. Doch auch das Drehmoment fällt mit 122 Newtonmeter recht bescheiden aus. Wer also viel Punch direkt ab Ampelgrün erwartet, wird definitiv enttäuscht. Einmal in Bewegung, gibt sich der neue Italiener sehr umgänglich. Die Pedal- und Lenkkräfte sind tief, die Übersicht hoch. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 132 km/h abgeriegelt. Doch wohler fühlt sich der Grande Panda ohnehin im Gewusel der Stadt. Hier kann er seine Dimensionen ausspielen.

Individuell: Die Formideen gehen auch den Designern auch bei den Felgen nicht aus. Darüber die 4 Streifen im Radlauf

Ja, die Akkugrösse ist bei einem Elektroauto immer ein Thema. Hier kommt noch die verwendete Technik dazu. Im Unterschied zu den meisten anderen Elektroautos auf dem Markt, setzt Fiat hier auf LFP statt NMC (also Lithium-Eisenphosphat statt Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt). Diese Batterietechnik ermöglicht einerseits günstigere Herstellungskosten, hat andererseits aber auch den Vorteil, das man ihr problemloses Laden auf 100% nachsagt. In der Praxis ist die Reichweite ein entscheidendes Kriterium. Ich teste sie mit einer Fahrt von Luzern nach Basel und zurück. Die knapp 200 Kilometer sollten gemäss Anzeige bei 100% SOC (State of Charge) locker möglich sein, denn es werden genau 300 Kilometer versprochen. Schon auf der Hinfahrt beginnen aber meine Sorgen: Die Temperatur ist mit 8°C tief, was zu Mehrverbrauch führt. Ich komme also mit nur 57% in Basel an und habe auf dem Heimweg auch noch die ca. 200 Meter an Höhenunterschied zu erklimmen. Dazu kommt natürlich Autobahntempo und die noch immer nur knapp zweistellige Aussentemperatur.

Farbig: Schön, dass heutige Kleinwagen wieder etwas fröhlicher sein dürfen

Und so wird es ein wahrer Eiertanz: Kaum auf der Autobahn schalte ich die Klimaanlage aus. An 120 ist nicht zu denken, ich „krieche“ mit 100 auf der rechten Spur Richtung Belchen. Braucht es am Ende noch einen Ladestopp unterwegs? Die errechnete Restreichweite am Ziel fällt nämlich immer weiter. Irgendwann blieben theoretisch nur noch 9 Kilometer übrig. Im Belchentunnel erreiche ich dann mit über 600 Meter über Meeresniveau quasi die Passhöhe dieser Reise. Von nun an nimmt die Reichweite sogar wieder leicht zu. Ohne den Spannungsbogen nun komplett zu überdehnen gebe ich ohne Umschweife zu, ja, ich habe es wieder zurück geschafft. Total wurden 178 Kilometer zurückgelegt, 23 werden als Restreichweite noch angezeigt. Das ernüchternde Fazit sind also 201 Kilometer von versprochenen 300.

Übersichtlich: Hier findet man sich schnell zurecht

Ich war auf diesem Trip alleine. Doch drei weitere Personen hätten bequem Platz gefunden. Für die fünfte wäre es eng geworden. Schade, dass sich Fiat nicht zu etwas mehr Variabilität durchringen konnte. Eine verschiebbare Rückbank hätte bestens gepasst. So bleibt das Fassungsvermögen des Kofferraums bei 361 Liter, ausser man legt die Sitze (1/3 zu 2/3) um. Vermisst habe ich das absolute Highlight dieses neuen Modells: Das integrierte Ladekabel. Hinter dem Fiat-Logo an der Front verbirgt sich ein Spiralkabel mit Typ2-Stecker. Zurück geht es per Automatik, fast wie bei einem Staubsauger. So hat man es immer mit dabei. Das darauf noch niemand gekommen ist?

LED: Die Pixel erinnern ein bisschen an Hyundai, verleihen dem Grande Panda aber dennoch einen coolen Look

Natürlich beherrscht der gelbe Neuling auch das schnelle Laden per CCS (max. 100 kW). Am Ende bleibt der Blick aufs Preisschild: 29’190 Franken. Wer mit der rustikaler ausgestatteten Version RED leben kann, bekommt ihn auch schon für 24’990 Franken. Luxus wie heizbare Frontscheibe, Frontscheibe und Lenkrad ist dann ebenso wenig an Bord wie eine automatische Klimaanlage. Doch auch der „la Prima“ zeigt mancherorts Verzichtserscheinungen. Haltegriffe für die Passagiere auf den Rücksitzen? Fehlanzeige. Schminkspiegel in der Sonnenblende? Gibt es nicht. Doch in Sachen Stil und Designdetails macht ihm so schnell keiner etwas vor. Dort und bei der Platzausnutzug auf unter 4 Meter ist der Neue dann eben doch Grande.