An was denkt man beim Namen Fiat? Klar, „Fabbrica Italiana Automobili Torino“ kommt die Antwort aus dem Hirn-Abteil für unnützes Wissen oder direkt von Google und Chat GPT. Nein, das ist hier nicht die Frage. An welches Auto denkt man? Ich würde sagen, an den Panda und den 500. Fiat 600, schon mal gehört? Eher nicht.
Und doch könnte der neue Fiat 600 für die Italiener so etwas wie ein Hoffnungsträger werden. Aussen trägt er das beliebte Design des 500 in abgewandelter Form. Von hinten könnte man ihn mit dem 500X verswechseln, von vorne allenfalls mit dem kleinen 500. Auf jeden Fall ist die Schale appart und gewinnt gerade in der Testwagenfarbe Türkis so einige Sympathien. Es handelt sich hierbei nicht um einen reinen Elektriker, sondern um die sogenannte MHEV-Variante. Hier wird der 1,2-Liter Dreizylinder mit 100 PS von einem Elektromotor unterstützt. Letzterer soll beim Anfahren helfen und allgemein für etwas mehr Elastizität sorgen.

Familie: Auch von hinten sofort als FIAT-Spross zu erkennen
Das neue Modell steht auf der gleichen Plattform des Stellantis-Konzerns, auf welcher auch der Jeep Avenger oder der Alfa Romeo Junior aufbauen. Somit ist man primär auf Elektro fokussiert, hat aber die Möglichkeit, auch Verbrenneraggregate einzubauen, wie eben beim Testwagen. Etwas ungewohnt, dass man auch hier keinen Schalthebel hat, sondern auf Knöpfen die Fahrstufe D auswählt. Mit reichlich Gepolter erwacht der Dreiender unter der süssen Haube zu Leben. Auf geht’s in den Alltagsverkehr.

Freundlich: Die hellen Farbakzente werten den Innenraum auf
Wie schon im Jeep Avenger, finde ich mich auch hier in einem Auto angenehmer Grösse wieder. Das ist in Zeiten des scheinbar ungebremsten Dimensionenwachstums eine Erwähnung wert. Parkplatzprobleme sind ebensowenig zu erwarten, wie die Angst vor Engpässen oder Stadtverkehr. Trotzdem bietet der 600 natürlich Platz für 4 Personen. Die 5. stellt die Beine auf den hier vorhandenen Kardantunnel.
Die Blick fallen auf die schön gemachte Innenlandschaft. Beim la Prima freut man sich über cremefarbenensitze mit ihren türkisen Fiat-Schriftzügen in Endlosauführung. Das helle Interieur sorgt gerade in dunkelgrauen Wintertagen für gute Stimmung. Zudem wird das Gefühl vermittelt, einen besonderen Kleinwagen zu fahren. Besonders ist auch, dass hinten keine Haltegriffe über den Seitenfenstern montiert sind. Ebenso fehlen die dort meist verbauten Kleiderhaken. Für Businessleute tatsächlich etwas nervig.

Augen auf: An den Frontscheinwerfern ist der 600 gut zu erkennen
Zurückhaltend gibt sich der 600, wenn er einige wenige Meter elektrisch zurücklegt. Allzu viel Temperament kommt dann auch im kombinierten Antrieb nicht zusammen. Das passt jedoch zum relaxten Auftritt des Italieners. Irgendwie färbt diese Atmosphäre auf mich ab. Ich komme gar nicht auf die Idee, den 4,17m langen Wagen übertrieben hart anzufassen und in die Kurven zu werfen. In die Lücke springen? Warum, wir haben ja Zeit. In 11 Sekunden ist man auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 185, beides reicht doch eigentlich vollends.

La Prima: Das Sitzdekor findet man bei der Sonderedition vor
Zum entschleunigenden Charakter des 600 MHEV passt das grosse Angebot an Ablagen. Neben den Fächern auf der Mittelkonsole sind auch die Türtaschen gut dimensioniert. Ganz vorne unter der magnetischen Klappabdeckung findet man hier die induktive Ladeschale für Handys. Und vor dem Beifahrersitz lädt ein riesiges Handschuhfach zum Verstauen (und Verlieren?) allen möglichen Zeugs ein. Es sind diese pragmatischen Eigenschaften, die ein Alltagsauto ausmachen und die besonders dann auffallen, wenn sie nicht vorhanden sind.

Knuffig: In einer Welt von aggressiven Schlitzscheinwerfern und übergrossen Grills setzt sich der 600 wohltuend ab
Aufpreispflichtige Optionen gibt’s für den la Prima übrigens fast keine, nur die Aussenfarbe kostet. Interessanterweise ist Sun of Italy, ein Orangeton, aufpreisfrei zu haben. Türkis heisst bei Fiat „Blau Sky of Italy“ und kostet 900 Franken. Adaptiver Tempomat, Vogelperspektive fürs Einparken, Navigation, Klimaautomatik, KeylessGo, Handy-Konnektivität, Touchscreen, LED-Licht, Sitzheizung und Ambientebeleuchtung – alles mit drin. Kostenpunkt: 35’890 Franken. Aktuell gibt es noch 3000 Franken Bonus.
Wer noch mehr sparen will, nimmt den 600er in der Ausstattung CULT und kommt so auf 28’490 Franken. Klar, dass dann auf einen Teil der Verwöhnausstattung verzichtet werden muss. Sparsam ist der Hybrid aber sowieso. Er konsumiert im Testbetrieb 5,7 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Gut möglich, dass er im Stadtverkehr als Taxi die fröhlichere Prius-Alternative sein könnte.

Silhouetten: Ganz so legendär wie jene des Pilatus ist die des kleinen Fiat noch nicht
Fröhlich sind auch die Kindergesichter, die den grossaugigen Fiat 600 MHEV am Strassenrand erblicken. Als ich zur Mittagszeit in einem Zürcher Viertel im Auto warte, halten gleich mehrere geschäftige Damen und Herren an, um einen kurzen Blick auf das türkise Auto zu werfen. Er fällt auf, aber nicht wie ein überlauter G-Mercedes mit Lärm, kantigen Design und schierem Machismo. Sein sympathisches Wesen, die fröhliche Form- und Farbgebung, die kompakten Masse, das alles passt und gefällt auch dem Publikum. Dass er dazu wunderbar problemlos fährt, genügend Platz für die kleine Familie bietet und auch nicht mit Komfortfeatures geizt, dürfte den Weg zum Erfolg ebnen.
So kann Fiat durchaus Hoffnung hegen, dass man in einigen Jahren beim Vernehmen des Markennamens auch an den 600 denkt.