Das Angebot an Familienfahrzeugen, die dem Verbrennungsmotor abgeschworen haben, ist noch sehr klein. Und wer den Platz braucht, sieht sich schnell mit hohen Kaufpreisen konfrontiert. VWs kultiger ID.Buzz startet beispielsweise bei über 60’000 Franken. Doch es gibt Alternativen. Eine nennt sich Toyota ProaceCity Verso Electric. Und der Name ist das einzig Komplizierte an diesem Wagen. Denn er ist eigentlich ein simpler Geselle, ein Handwerkerauto mit PW-Schliff. Und so klären wir die Finanzen gleich zu Beginn: Die günstigste Variante (kurzer Radstand, Ausstattung Comfort) gibt es für 36’000 Franken.

Platz da: Raum gibt’s in Hülle und Fülle
Der Hochdachkombi ist etwa mit einem Renault Kangoo oder VW Caddy vergleichbar, wo hingegen der Proace (ohne „City“) eine Nummer grösser, also eher wie ein Renault Trafic daherkommt. In Zahlen bedeutet das für das Testauto: 4,75 Meter lang, 1,85 Meter breit und 1,88 Meter hoch. Anders ausgedrückt findet man mit dem Proace City trotz sehr geräumigem Innenraum problemlos passende Parklücken. Fünf Erwachsene sitzen auf den Plätzen vorne und in der Mitte bequem, während man ganz hinten mit stark angewinkelten Beinen nicht allzuweit mitfahren möchte.

Freundlich: Toyota hat sich für ein gänzlich unagressives Gesicht entschieden
Doch wie bei jedem Elektroauto stellt sich die Frage, wie weit käme man denn überhaupt, bis die erste Ladepause ansteht? Also, Wasserflasche in den Cupholder und losgefahren. Dass Letzterer oben auf Höhe der A-Säule angebracht ist, kennt man von Lieferwagen. Da gäbe es praktischere und vor alle auch tiefere Lösungen, die ein allfälliges Runterfallen besser verhinderten. Dafür gibt’s in der Mittelkonsole jede Menge Platz in einem grossen abdeckbaren Fach. Handschuhfächer gibt’s gleich zwei und vor den Armaturen findet sich eine weitere Ablage mit Deckel. Am Dachhimmel sitzt eine weitere Möglichkeit, Dinge zu verstauen, die mangels Gummierung und Abteilungen aber wohl eher nicht so oft genutzt werden dürfte. Praktisch dagegen: In den Türen wurden gleich zwei Fächer untergebracht.

Handschuhfach? Hier würden ganz Stiefel reinpassen
Nach dem Druck auf den Power-Knopf gilt es, den kurzen Gong-Laut oder das leuchtende Ready-Symbol abzuwarten, damit die Fahrstufe D am kleinen Schaltstummel eingelegt werden kann. Dass kein Raketenstart zu erwarten ist, wird anhand der Leistungsdaten klar. 136 PS Leistung sind nicht die Welt, die 270 Nm Drehmoment sorgen aber für eine anständige Beschleunigung aus dem Stand. Die Höchstgewschwindigkeit ist limitiert und wird vom Hersteller mit 132 km/h angegeben. Ich bin vorerst im Stadtbummeltempo unterwegs. Hier wäre ich froh um einen One-Pedal-Mode, weil der Übergang von Rekuperation zum effektiven Bremsen nicht ganz so harmonisch verläuft. Ansonsten schätze ich die gute Übersichtlichkeit der Karosserie und die grossen Spiegel. Auf einer kurzen Landpartie zeigt sich die gutmütige Abstimmung des Proace City. Auch die Wankneigung hält sich in Grenzen.

Grosse Klappe: Der Kofferraum ist gut zugänglich, die Ladekante tief
Auf der Autobahn probiere ich dann den Abstandstempomaten aus. Der funktioniert einfach und intuitiv. Jetzt klappt auch das Anhalten ohne Kopfnicken der Insassen. Dank Tempolimiterkennung lässt sich die Einstellung der Geschwindigkeit mit einem simplen Knopfdruck auf die aktuell geltende Grenze wechseln. Weil gerne auch Schilder abseits der eigenen Fahrspur erkannt werden, würde ich mich nicht zu sehr darauf verlassen. Verlassen kann man sich dagegen auf die Lademöglichkeiten des Proace City Electric. In 22 Minuten finden 34,8 kWh ihren Weg in den Stromtank, womit die Ladeleistung am DC-Lader die versprochenen 100 kW erreicht.

Gute Aussicht: Grosse Fensterflächen dienen einer sicheren Fahrweise
Die Kinder erreicht man mit den coolen Schiebetüren und den kleinen Tischchen an den Sitzlehnen. Die Isofix-Halterungen verstecken sich hinter Reisverschlüssen, sind aber sehr gut platziert, was noch heute nicht alle Hersteller schaffen. Gleiches gilt für das Aussendesign. Insbesondere in der Farbe Backpacker Chaki schaut der kleine Bus nicht nach Sanitär oder Elektroinstallateur, sondern eher nach Shuttle aus. Wie auch die Geschwister von Peugeot (E-Rifter) und Citroën (ë-Berling) hat es Toyota geschafft, den Markenlook an der Front durchzuziehen. Man verzichtet anders als die Franzosen auf auffällige Grilldetails und schafft so einen zurückhaltenden aber auch zeitloseren Auftritt.

Grün: Die ungewöhnliche Farbe steht dem Proace City und hebt ihn von den Handwerkermobilen ab
Schneller als erhofft ist dann meine Zeit mit dem elektrischen Familientransporter vorbei. Die dunkelgrüne Aussenfarbe tarnt das Blechkleid offenbar so effizient, dass andere Verkehrsteilnehmer es kaum sehen. Der Aufprall des Audi Q7 an der beifahrerseitigen Schiebetür war nicht heftig, sorgte aber doch für beträchtlichen Blechschaden. Also zurück nach Safenwil in die Karosserieklinik.

Crash: Die hintere Seitentüre hat unter dem Aufprall gelitten
Und dabei hatte ich mich schon an die Annehmlichkeiten des voluminösen Japaners gewöhnt, der übrigens wie die Geschwister aus dem Stellantis-Konzern in Spanien gebaut wird. Ob man auch nach dem Kauf noch Feriengeld übrig hat? Der Testwagen kommt auf 46’600 Franken und ist dank einer Aktion momentan sogar günstiger als das Pendant mit Dieselmotor.
Wer mit der teilweise etwas hemdsärmligen Art des Familientransporters leben kann, findet nicht nur viel Platz und eine zweckmässige Ausstattungsfülle vor, sondern kann sich auch auf einen effizienten Elektroantrieb freuen. Im Test verbrauchte der Toyota Proace City Verso Electric 19,8 kWh, was angesichts der grossen Stirnfläche doch eher überrascht. Da der Stromvorrat nicht riesig ist, steht die erste Pause nach etwa 250 Kilometern an. Wem es gegen Ende etwas mulmig wird, schaltet in den Fahrmodus Eco. Ich war dagegen meistens in „Sport“ unterwegs, um das unmittelbare Ansprechverhalten des Elektroantriebs zu geniessen.