Holz, naturbelassenes Hartholz. So begrüsst einen der grosse Jeep im Innenraum. Nicht etwa wie in einer rustikalen Blockhütte mitten in den Rocky Mountains. Das verbände man doch sehr mit dem abenteuer- und abseits-der-Strasse-Ruf des Geländewagenerfinders. Nein, das chromumrandete Naturmaterial hat den Charme eines handgefertigten Hifi-Geräts aus den 1970er Jahren. Weit hergeholt ist das nicht, schliesslich ragen die Hochtöner links und rechts augenfällig aus dem Armaturenbrett. Sie tragen die gut lesbare Aufschrift des amerikanischen Soundpioniers «McIntosh». Altrocker müssen bei Jeep eine Zielgruppe sein.
Auch von aussen macht der Topjeep etwas her: Zweitonlackiert, 21-Zoll-berädert und üppig chromverziert. Klassisch amerikanisch eben. Dass er fast zwei Meter breit ist, versteckt er mit kunstvoll abgestuften Radläufen. Im Strassenverkehr fällt das kaum auf, erst beim Rangieren braucht die breite Hüfte etwas mehr Vorsicht. Dabei hilft die 360°-Kamera. Nachts schaut der Jeep übrigens auch mit: Ein Nachtsichtsystem, im zentralen Display eingeblendet, sieht Fussgänger und Tiere. Überhaupt haben die Jeepers den Grossen grosszügig technisiert: Head-up Display, Zusatzbildschirm rechts, Geräuschunterdrückung, Massage- und Kühlsitze (letztere sogar hinten), um nur einige Goodies zu nennen.
Nachts hilft die Night Vision, Personen und Tiere zu erkennen.
Die Systeme begegnen uns logisch und tun das, wofür sie bestimmt sind. Unangenehm, aber wohl unvermeidbar bei Wagen von drüben: Es bimmelt häufig. Gondelt man über Land, reisst einen ein Glöckchen aus Led Zeppelins «Stairway to Heaven» raus und erinnert einen daran, die Spur nicht zu verlassen. Obwohl keines der breiten Räder nahe einer Linie läuft. Ob das am Kontrast der nassen und zum Teil bereits getrockneten Strasse liegt? Schaltet man den Wagen aus, ohne vorher auf «P» zu stellen: Wieder ein Glöcklein. Auf «P» stellt er aber trotzdem von selbst. Nur muss man dann nochmals auf «Stop» drücken, um den Wagen wirklich abzustellen. Danke für den Hinweis, lieber Jeep.
Zweifarbig und Chrom rundum: Die WL-Generation ist luxuriöser geworden.
Lieb meint er es auch mit der Umwelt: Der 4xe Hybrid-Antrieb ist aus dem Wrangler bekannt und der einzige in der alten Welt erhältliche. Benziner und Stromer bringen es zusammen auf 380 PS. Auf dem Heimmarkt gibt es zusätzlich einen etwas schwächeren, dafür traditionell blubbernden 5,7-Liter-V8. Mit den 2,6 Tonnen Leergewicht werden der Turbovierzylinder und der Elektromotor spielend fertig. Auch wenn der 17,3 kWh Akku leergesaugt ist, der Benziner allein schiebt in allen Lebenslagen genügend an. Die Giorgio-Plattform, auf der unser Jeep aufbaut, wurde für die Alfa Romeo Giulia geboren. Dank den athletischen Genen geht der schwere Wagen erstaunlich leichtfüssig kurvigen Strassen nach. Abseits des asphaltierten Alltags haben wir keine Erfahrungen gesammelt, obwohl ein Reduktionsgetriebe an Bord ist. Natürlichen Untergrund werden die wenigsten «Grands» wohl je spüren.
Durch die grossen Auspufftrichter brüllt kein Achtzylinder mehr. Vorwärts geht es trotzdem rassig.
All die schönen Dinge haben natürlicherweise ihren Preis. Jeep hat diesen zwar kürzlich gesenkt, verlangt aber immer noch CHF 106’900. Der «Batzen» ist spürbar weniger als der für einen etwa gleich grossen Range Rover Sport, jedoch rekordverdächtig hoch für einen Zögling des rauen Ur-Geländeautos. A propos rau: Poltergeräusche von der Radaufhängung und knarzende Verkleidungen im Innenraum sprechen nicht ganz die Sprache, die in der Preisregion üblich ist. Auch der Antriebsstrang dürfte etwas plüschiger seine Gänge und Motoren mischen. Je nach Gewicht des Fahrfusses liegen etwa 30 rein elektrische Kilometer drin, dann muss man nachladen, oder das Schwergewicht schluckt nur noch Benzin. Gemäss Bordcomputer etwas über zehn Liter bei gemischter Fahrweise. Nachladen lohnt sich also, und ist äusserst einfach: Die Ladeklappe liegt gut zugänglich unterhalb der A-Säule. Einstecken ohne zu bücken, so mögen wir das.
Schon ein mächtiges Stück Automobil. Ein Amerikaner eben.
Die Generation WL ist seit 2021 am Start. Gegenüber dem Vorgänger hat sie an Luxus zugelegt – und gleichzeitig den Anschluss an die moderne Antriebswelt gefunden. Vermissen dürften viele den angenehm knurrenden Diesel-Sechszylinder von VM. Und einige trauern natürlich der Muskelversion mit dem aufgeladenen 6,2-Liter-V8 und den auch heute noch sagenhaften 710 PS nach. Mitte der 1990er Jahre liessen viele Manager ihre Range Rover stehen und wechselten auf den bei CHF 64’700 angenehm eingepreisten, spritzigen und vollausgestatteten Grand Cherokee Limited 5.2 V8. Der Aktuelle hat es nicht mehr so leicht wie damals, inzwischen ist das Segment stark umworben.
Praktisch: Die ergonomisch platzierte Steckdose verführt zum Einstecken. Das senkt den Verbrauch massiv.