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25. Juni 2025

Nomen est omen

Dacia | 0 Kommentare

Der Dacia Jogger mag nicht unbedingt seinen Talenten entsprechend benannt worden sein. Doch beim Bigster ist Nomen mal wirklich Omen. Der neue SUV von Dacias ist gross, richtig gross. Er ist tatsächlich so gross, dass der Testwagen mit dem „Sleep Pack“ kommt, das eine Matratze für zwei Personen und den entsprechenden Zwischenboden enthält. In Zentimetern […]

Der Dacia Jogger mag nicht unbedingt seinen Talenten entsprechend benannt worden sein. Doch beim Bigster ist Nomen mal wirklich Omen. Der neue SUV von Dacias ist gross, richtig gross. Er ist tatsächlich so gross, dass der Testwagen mit dem „Sleep Pack“ kommt, das eine Matratze für zwei Personen und den entsprechenden Zwischenboden enthält. In Zentimetern gemessen, gehört er indes eher zu den mittelgrossen SUV. 4,57 Meter Länge und 1,8 Meter Breite entsprechen ungefähr einem VW Tiguan. Gegenüber diesem bietet der Rumäne aus dem Renault-Konzern aber über 100 Liter mehr an Kofferraum (670 Liter).

4×4: Mit Allrad wird aus dem Bigster ein durchaus fähiger Geländewagen

Übrigens wird er tatsächlich auch im Werk Mioveni in Rumänien gebaut. Dort laufen auch Sandero, Jogger und Duster vom Band. Letzterer hat mit dem Bigster nicht nur das Ende des Namens gemein. Von vorne betrachtet braucht es schon ein Expertenauge, um die beiden voneinander zu unterscheiden. Insbesondere der grössere untere Lufteinlass, der stärker in die Breite gezogen ist, lässt den Bigster grösser wirken. Dabei schlägt auch unter seiner Haube ein Dreizylinder-Herz, das es auf 130 PS bringt. Wer mehr Zylinder und Leistung will, muss zum Vollhybrid 155 greifen, der 155 PS und Automatik bietet, dafür aber keinen Allradantrieb an Bord hat. Unser Testwagen dagegen kommt mit dem Vierradantrieb und besagten 130 PS. Laut Werk beschleunigt er so in gemütlichen 11,2 Sekunden auf 100 km/h.

Arbeitsplatz: Alles da, was man braucht. Hier noch mit eingeschalteter Akkuleuchte.

Doch die grösste Umstellung von anderen Fahrzeugen ist nicht etwa die fehlende Kraft, sondern das zusätzliche dritte Pedal. Ein Auto dieser Grösse mit Handschaltung ist schon eher ungewöhnlich. Heutzutage darf er mit 1515 Kilogramm als Leichtgewicht gelten. Und so fühlt er sich auch nicht schwerfällig an, als ich mit ihm in den Abendverkehr von Zürich starte. Die Übersicht ist gut, die Ergonomie stimmt, hier kann man einfach reinsitzen und losfahren. Tatsächlich stammt der erste Holperer im Test dann aus dem Getriebe. Die Wege sind etwas gar weit, und so wähle ich mehr als einmal vom vierten kommend den dritten statt den fünften Gang. Gerade im Stop-and-Go-Verkehr konzentriere ich mich nun noch etwas mehr. Denn aufgrund der Paketpolitik gibt es den Abstandstempomaten nur im Vollhybriden. Das ist nicht weiter schlimm, so ein Dacia ist halt ein wenig analoger, als der Durchschnittsneuwagen.

Dynamisch: Das aktuele Dacia-Design gefällt auch beim Bigster

Doch will ich dem Dacia Bigster nicht Unrecht tun. Was man heute so an Multimedia erwartet, ist hier drin. Ein Touchscreen, der einfach zu bedienen ist. Kabelloses Apple CarPlay für die einfachste Variante für Navigation und Medien. Und auch induktives Laden für Mobiltelefone fehlt nicht. Physische Tasten für Klimaeinstellungen oder auch die Regulierung der Lautstärke (oben auf dem Screen) erleichtern die Bedienung im Alltag. Die Sitzverstellung ist noch einfacher, sie funktioniert klassisch manuell. Genau gleich verhält es sich mit der Heckklappe, man öffnet sie von Hand (für 400 Franken elektrisch). Hier wird der Kostendruck der Rumänen ein erstes Mal augenscheinlich: Es gibt keinen echten Griff, nach dem Entriegeln zieht man den Deckel an einer Blende nach oben. Ebenso fehlen Haltegriffe für die Passagiere auf der Rückbank. Fast schon verschwenderisch sind die beiden Gasdruckdämpfer, welche die offene Motorrhaube halten. Hier hätte ich eher einen simplen Stab erwartet.

Unpraktisch: Wer auf die Option der elektrischen Heckklappe verzichtet, muss sie an dieser kleinen Kante hochziehen

Gänzlich unerwartet kamen die vielen Geräusche aus dem Bereich des Kofferraums. Doch Dacia hat nicht etwa die Qualitätsstandards gesenkt. Nein, man hat dem Testwagen schlicht das Pack Sleep (1600 Franken) mit in den Pressefuhrpark gegeben. Heisst: Auf einer Sperrholzkonstruktion, die im Kofferraum befestigt ist, ruht eine ausfaltbare Matratze für Übernachtungen, wo immer man gerade möchte. Wie es sich beim versuchsweisen Aufbau zeigt, helfen zwei Linke Hände nicht unbedingt und das eine oder andere „Autsch“ entweicht mir, bis die Liegewiese bereit ist. Doch dann ergibt sich eine ebene, ziemlich bequeme Fläche von 1,3 x 1,9 Meter, die für zwei sich gut mögende und einigermassen bewegliche Menschen Platz bietet. Da der Aufbau noch über den umgeklappten Rücksitzen zu liegen kommt, ist die Höhe über dem Liegeplatz relativ knapp. Ebenfalls knapp wird der Kofferraum, wenn man die Matratze dabei hat. Doch wer eine günstige Möglichkeit sucht, immer und überall eine Nacht verbringen zu können, findet hier seinen einfachen Start ins Camper-Leben.

Bildbeweis: Ja, wir haben das Bett tatsächlich aufgebaut

Wie man überhaupt mit dem Bigster den Einstieg in die Welt der mittelgrossen SUV finden könnte. Denn selbst so ausgestattet wie der Testwagen, kommt man auf einen Gesamtpreis von gerade einmal 34’500 Franken. Den allergünstigsten VW Tiguan gibt es für knapp 38’000 Franken, wobei dort in der Regel noch etliche Optionen hinzugekreuzt werden. Zumal jener Tiguan dann kein Allradler ist. Der Basispreis des getesteten Dacia Bigster Mild Hybrid 130 4×4 Extreme liegt bei 30’790 Franken. Konkurrenz droht ihm wohl höchstens aus dem eigenen Haus, sollte es um den Preis gehen. Den Duster gibt es in der gleichen Antriebsvariante für 3000 Franken weniger.

Pragmatisch: Wozu eine Motorabdeckung?

Beide SUV von Dacia sind optisch sehr gelungen. Der Bigster wurde so gestaltet, dass er tatsächlich recht gross wirkt. Seitliche Designdetails wie die spitz zulaufende hinterste Seitenscheibe und die länglichen Dekoreinsätze an Türen und D-Säulen strecken ihn optisch noch zusätzlich.

Länge läuft: Durch Desigkniffe wirkt der Bigster sehr lang

Da er aber kompakt bleibt, würde ich aufgrund des besseren Platzangebots eher zum Bigster greifen. Wer sich davon überzeugen will, sollte es sich einmal auf der Rückbank bequem machen. Tatsächlich habe ich einen Teil dieses Textes dort verfasst, weil sich fast schon ein „Mobile Office“ einrichten lässt, wo die Beine so viel Platz haben. Auf das dauernde Geklapper der verbauten Bettinstallation würde ich indes gerne verzichten, zumal ich das letzte Mal vor 25 Jahren eine Nacht im Zelt verbracht habe und mich daher nicht gerade als der geborene Camper verstehe. Im Test nervte zudem eine schlechte Audioqualität bei Telefonanrufen und Sprachnachrichten aus dem Bigster.

Praktisch: So gross er wirkt, so kompakt bleiben die Aussenmasse

Am Ende frage ich mich, ob es denn wirklich der 4×4 sein müsste. Im Alltag wäre wohl die Automatik eine sehr wohltuende Ergänzung zu einem ansonsten schon angenehmen Begleiter. Denn auch der Fahrkomfort, Lenkung und Bremsen bewegen sich in einem guten Bereich. Der Verbrauch pendelte sich im Test bei 7,5 Liter ein, ein guter Wert für ein so grosses Auto. Wer auf die zusätzliche Traktion der zweiten angetriebenen Achse verzichten kann, greift besser zum Vollhybriden. Dann reduziert sich der Kofferraum zwar leicht, doch ist immer noch genug Platz für die grosse Reise vorhanden. Oder, um bei der verenglischten Version zu bleiben: Ready für den Big Trip.